Führung im Tandem: Die SWM Bäder-Chefinnen machen es vor!
Young Professionals und Fachkräfte legen immer mehr Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Ein passendes und zukunftsfähiges Modell für Unternehmen: Jobsharing. Wir zeigen am Beispiel der Stadtwerke München, wie es geht.
Work-Life-Balance ist weit mehr als ein Trendbegriff. Insbesondere für junge Fachkräfte ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf und Freizeit ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl. Zeit also, dass Unternehmen sich entsprechend aufstellen: Ein besonders spannendes und zukunftsfähiges Arbeitsmodell ist das sogenannte Jobsharing – in hohen Positionen auch Topsharing genannt.
Die Idee ist so simpel wie genial: Zwei Mitarbeiter teilen sich eine Stelle. So können sie sich sowohl inhaltlich als auch zeitlich aufteilen und bündeln ihre Kompetenzen. Das Unternehmen lockt qualifizierte Fachkräfte an, die Wert auf eine gute Work-Life-Balance legen. Besondere Chancen birgt das Modell im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – ein Thema, das gerade durch die Corona-Krise noch einmal hohe Relevanz bekommen hatte.
Die Vorteile liegen also klar auf der Hand – wie sieht die Umsetzung im Detail aus? Nicole Gargitter und Dr. Clara Kronberger machen vor, wie es funktionieren kann. Seit 2021 teilen sich die Betriebswirtin und die Elektrotechnikerin die Leitung des Bereichs Bäder bei den Stadtwerken München (SWM), einem der größten Energie- und Infrastrukturunternehmen Deutschlands. Im Interview geben sie Einblicke in ihre gemeinsame Führungsstrategie im Tandem und berichten von den Vorteilen des Modells.
Seit über fünf Jahren teilen Sie sich Führungspositionen bei den Stadtwerken München, aktuell beide in Teilzeit an der Spitze der Münchner Bäder. Wie sieht diese Form des Jobsharing in Ihrem Arbeitsalltag aus?
Dr. Clara Kronberger: „Das Modell ist für uns eine Möglichkeit, Karriere und Familie zu kombinieren. Wir können so gerade die Nachmittage aufteilen, die Mitarbeiter erreichen eine entscheidungsbefugte Ansprechpartnerin und die andere von uns kann tatsächlich abschalten und Zeit mit ihrer Familie verbringen.“
Nicole Gargitter: „Das Modell hat auch den Vorteil, stets einen Sparringspartner an seiner Seite zu haben und Probleme oder Entscheidungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können. Ein gemeinsames Postfach und ein gemeinsamer Kalender erleichtern uns dabei den Austausch miteinander und mit unseren Kollegen. Und übrigens: Mehr Spaß macht das Arbeiten im Tandem auch!“
Teilen Sie sich ausschließlich die Zeiten auf, oder fokussieren Sie sich auch auf verschiedene inhaltliche Bereiche Ihrer Arbeit?
Nicole Gargitter: „Unser Ziel ist es, unsere Zeit so effizient wie möglich einzusetzen und nur in wenigen Terminen im Doppelpack aufzutreten. Dabei setzen wir inhaltliche Schwerpunkte nach zeitlicher Verfügbarkeit, Ausbildungshintergrund und unseren persönlichen Stärken. Das heißt, wir teilen Projekte oder größere Themenbereiche klar einer von uns zu.“
Dr. Clara Kronberger: „Durch diese Zuordnung stellen wir auch sicher, dass unsere Mitarbeiter zu einem Thema meist dieselbe Ansprechpartnerin haben. Themen wie Mitarbeiterführung oder Kostenverantwortung machen wir aber gemeinsam und stimmen uns sehr eng dazu ab. Bei den zugeteilten Themen stellen wir sicher, dass die jeweils andere in dringenden Fällen natürlich auch die nötigen Entscheidungen treffen kann.“
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Sie haben Ihre gemeinsame Führungsstrategie bei einem Coaching entwickelt. Wie lief das genau ab?
Nicole Gargitter: „Genau, es war uns wichtig, einen geschützten und moderierten Raum zu haben, in dem wir unsere Sorgen oder Fragen aussprechen und klären können. Wir wollten damit sicherstellen, dass das Tandem nicht an uns scheitert.“
Dr. Clara Kronberger: „Das machen wir auch nach wie vor so, mittlerweile mit größeren Abständen als zu Anfang. Heute nutzen wir das Coaching auch für strategische Diskussionen. Zu Beginn haben wir Herausforderungen, die ein solches Modell mit sich bringt, im moderierten Rahmen bearbeitet und Lösungen entwickelt, die für uns beide passen.“
Was sind das zum Beispiel für Herausforderungen? Und worin liegen auf der anderen Seite die Vorteile?
Dr. Clara Kronberger: „Die Vorteile liegen für mich persönlich definitiv im kooperativen gemeinsamen Arbeiten und der Möglichkeit, Familie und Karriere zu vereinen. Ich denke, für manche ist der Abstimmungsaufwand ein Nachteil – uns macht es Spaß, uns auszutauschen und zu kommunizieren, daher fällt uns das gar nicht so auf.“
Nicole Gargitter: „Ein weiterer Vorteil ist sicher, dass man in einer Rolle ein breiteres Spektrum an fachlichen und persönlichen Kompetenzen abdecken kann. Ein Nachteil ist der höhere Zeitaufwand für die Abstimmung zwischen den Tandempartnern und gegebenenfalls die höheren Kosten für den Arbeitgeber, falls sich die Partner nicht genau eine Stelle teilen. Aber der Arbeitgeber bekommt dafür natürlich auch mehr Zeit und Leistung.“
Wie können Unternehmen Jobsharing implementieren? – Drei Tipps der Expertinnen
Sowohl für das Unternehmen selbst als auch die Mitarbeiter, die sich die berufliche Rolle teilen, bietet Job- und Topsharing also zahlreiche Vorteile. Es bleibt die Frage, wie die Implementierung am besten gelingt. Bei Dr. Clara Kronberger und Nicole Gargitter ging der Impuls von ihnen selbst aus: „Wir hatten beide Lust und Interesse daran, dieses Modell zum Leben zu erwecken. Also haben wir proaktiv die Details ausgearbeitet, die Stakeholder im Unternehmen gezielt eingebunden und uns dann gemeinsam auf die Führungsposition beworben.“, erzählt Dr. Clara Kronberger. Doch auch für Unternehmen und HR-Fachkräfte, die dieses Modell in Eigeninitiative anstoßen möchten, haben die Geschäftsführerinnen konkrete Tipps:
1. Gezielte Ausschreibung
Wer die neu zu besetzende Position von vornherein mit der Option „Sharing“ ausschreibt, hat davon zwei Vorteile: Erstens erhöht eine solche Ausschreibung die Anzahl potenzieller Bewerber. Denn so schließen HR-Experten auch talentierte Fachkräfte ein, die sich aufgrund ihrer privaten Situation nur für eine Teilzeitstelle bewerben möchten und auf deren Kompetenz das Unternehmen ansonsten verzichten müsste. Zweitens, so hält Nicole Gargitter fest, „können sich potenzielle Bewerber dadurch vorab kennenlernen“. So stellen alle Beteiligten frühzeitig fest, ob sich die Erfahrungen ergänzen und ob sie sich eine so enge Zusammenarbeit gut vorstellen können.
2. Bestehende Mitarbeiter einbeziehen
Die beiden Bäder-Chefinnen appellieren mit diesem Tipp direkt an HR und Führungskräfte: „Seien Sie offen für die Vorschläge und Lösungsideen ihrer Mitarbeiter.“, empfiehlt Dr. Clara Kronberger, und Nicole Gargitter fügt hinzu: „Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter mit ein und schaffen Sie Raum und Austauschmöglichkeiten, zum Beispiel um über entsprechend gestaltete Ausschreibungen das Modell gezielt anzubieten.“ Denn die Angestellten eines Unternehmens wissen oft am besten über den Arbeitsalltag und die routinierten Prozesse Bescheid – sie können wertvolle Hinweise für die Details der Jobsharing-Umsetzung liefern.
3. Augenmerk auf Soft Skills
Nicht zuletzt sind neben den fachlichen auch die persönlichen Kompetenzen von hoher Bedeutung, damit Jobsharing funktioniert. Nicole Gargitter und Dr. Clara Kronberger finden hier vor allem zwei Fähigkeiten zentral: Kommunikationsstärke und Reflexionsfähigkeit. Denn im Tandem sei ein fruchtbarer, ehrlicher und zielführender Informationsfluss zwischen den beiden Mitarbeitern, die sich die Stelle teilen, elementar – dieser müsse auch „in schwierigen Situationen, unter Druck oder im Konflikt“ gewährleistet sein. Für HR-Fachkräfte bedeutet das: Beim persönlichen Gespräch zählen nicht nur die fachliche Expertise, sondern auch die Soft Skills der Bewerber, soweit sie sich feststellen lassen.
Modell mit Zukunft
Jobsharing ist ein vielversprechendes Modell, das ideal in die Arbeitswelt von heute und auch von morgen passt. Es bietet Chancen im Hinblick auf den Fachkräftemangel und auf das allgemeine Wohlbefinden der Mitarbeiter. Denn den Wunsch, Karriere und Familie zu vereinen oder schlicht das Private und Berufliche besser in Einklang zu bringen, gibt es bei Arbeitnehmern nicht erst seit der Pandemie. Unternehmen, die diesen Wunsch ernstnehmen und mit Jobsharing die passende Option anbieten, machen sich fit für die Zukunft – indem sie qualifizierte Fachkräfte anlocken.