HR nach Corona – eine erste Bilanz
Corona hat Unternehmen unter Druck gesetzt. Personalentscheider sind dabei besonders herausgefordert. Wir ziehen eine erste Bilanz aus dieser Zeit, zeigen Erwartungen von Arbeitnehmern auf und leiten Herausforderungen und Chancen für HR-Fachkräfte ab.
Die Corona-Pandemie hat Unternehmen und ihre Führungskräfte unter enormen Druck gesetzt, sich an die geänderten Prioritäten anzupassen. Vor allem der Mittelstand ist betroffen – und Personalentscheider sind dabei besonders herausgefordert. Die Krise dauert zwar noch an, doch erste Bilanzen lassen sich bereits ziehen. Ein Blick auf aktuelle Studien zeigt die jetzigen Wünsche und Erwartungen von Arbeitnehmern auf. Daraus ergeben sich verschiedene Herausforderungen, aber auch Chancen für HR-Fachkräfte.
Neue und alte Normalität
Unternehmen und ihre Personalentscheider meistern aktuell einen Balanceakt zwischen Erneuerung und Stabilität. Auf der einen Seite stehen zahlreiche Umbrüche durch die Pandemie und neue flexible Arbeitsweisen der Zukunft, die grundsätzlich zu begrüßen sind. Auf der anderen Seite steht der Wunsch nach Normalität und Beständigkeit. Aus einer dreifachen Arbeitnehmerbefragung über den Zeitraum der Krise geht hervor, wie diese Zerrissenheit sich in der Belegschaft widerspiegelt: Die Befragten sind gespalten zwischen einer Akzeptanz der Veränderungen und ihrer Sehnsucht nach der „alten“ Normalität.
Die anfängliche Aufbruchsstimmung sei laut Studienverfassern einer gewissen Ernüchterung gewichen: Während aus der zweiten Befragung noch hervorging, wie euphorisch die Arbeitnehmer Wandel und Innovationen begrüßten, habe aktuell nicht einmal mehr die Hälfte Lust auf Veränderungen, weder beruflich noch privat. Auch in Bezug auf neue Arbeitsweisen herrscht keine Einigkeit: Rund 50 Prozent möchte weiterhin im Home Office arbeiten – trotzdem sind laut der Befragung diejenigen aktuell am zufriedensten, die wieder täglich ins Büro gehen können.
Wo steht das Unternehmen – heute und morgen?
Der HR-Abteilung kommt nun die anspruchsvolle Aufgabe zu, die Unsicherheiten, gemischten Gefühle und Nachwehen der Krise bestmöglich aufzufangen. Eine sensible und transparente Kommunikation gibt den Angestellten das Gefühl, auch weiterhin in guten Händen und stets informiert zu sein – das fördert die Stabilität im Unternehmen.
Die Pandemie ist zudem ein Anlass, grundsätzlich zu hinterfragen, wie die Arbeit im Betrieb in Zukunft aussehen soll. Dafür sind ausgiebige Befragungen und Gespräche mit den Mitarbeitern unverzichtbar – anhand ihres Feedbacks können Personalentscheider die besten Schlüsse für ihre Maßnahmen ziehen. Denn dabei lernen sie die Belegschaft besser kennen und können ihre Entscheidungen datenbasiert treffen.
Die Fakten zeigen: Auch nach der Pandemie gibt es kein Schema F für flexible Arbeitsweisen der Zukunft. Inwieweit das Unternehmen mobiles und dezentrales Arbeiten oder auch Arbeiten aus dem Ausland ermöglichen soll, lässt sich nur anhand der Bedürfnisse der Mitarbeiter entscheiden.
Vertrauen in den Mittelstand ist erschüttert
Eine besonders kritische Folge der Pandemie ist, dass der Mittelstand bei Bewerbern an Attraktivität verloren hat. Der aktuelle Trendence HR Monitor zeigt, dass große Teile potenzieller Arbeitnehmer dem Mittelstand eher nicht zutrauen, durch die Krise zu kommen und sich in der digitalen Arbeitswelt zu behaupten. Entsprechend schätzen sie die Jobsicherheit nicht gut ein und gaben an, sich eher bei Konzernen zu bewerben. Allen voran Hochschulabsolventen scheinen kein Vertrauen in kleine und mittelständische Arbeitgeber zu haben, aber auch Young Professionals und Fachkräfte zieht es zu größeren Firmen.
Aktiv, sichtbar und attraktiv bleiben
Dieser Unsicherheit kann die HR-Abteilung durch aktives Recruiting und Employer Branding entgegenwirken. So wie ein Vertrieb verkauft, können Personalentscheider rekrutieren – konstant und tatkräftig. Es empfiehlt sich, die digitale Sichtbarkeit des Unternehmens zu überprüfen: Gibt es eine Karriereseite, die zielgruppengerecht potenzielle Bewerber anspricht und ihnen Vorteile aufzeigt? Diese lässt sich auch nutzen, um Vorurteile abzubauen – denn der Mittelstand gilt bei vielen immer noch als traditionell, analog und konservativ in den Strukturen.
Interessierte können auf der Website, einem Blog, in einem Imagefilm oder auf sozialen Netzwerken einen Einblick in die Arbeitskultur, die digitalen Prozesse und die Innovationen des Unternehmens erhalten. Dadurch wächst ihr Vertrauen in die Firma als Arbeitgeber und damit die Chance auf eine Bewerbung.
Aufwind für die Digitalisierung
Bei allen Herausforderungen und Schwierigkeiten ist auch eine sehr positive Entwicklung erkennbar: Während die Digitalisierung im Mittelstand laut einer XING Studie 2017 noch von Selbstüberschätzung und Innovationsbremsen geprägt war, hat sie jetzt wohl an Fahrt gewonnen. Aus dem aktuellen Digitalisierungsindex geht hervor, dass rund die Hälfte der kleinen und mittelständischen Unternehmen die Geschäftsmodelle digitalisiert hat. Das zeigt, wie der Mittelstand auch in Krisenzeiten in der Lage ist, schnell und flexibel zu reagieren.
Fahrplan in Richtung Zukunft
Jetzt heißt es also: Dranbleiben. Wer die neu gewonnenen Erkenntnisse und digitalen Kompetenzen im Unternehmen auch nach der Pandemie nutzt, macht sich fit für die Zukunft. Klar ist, dass Corona ein kurzfristiger Beschleuniger der Digitalisierung im Mittelstand war – und dass sie spätestens ab jetzt zur festen, langfristigen Strategie gehört.
Nur so können sich mittelständische Betriebe auch gegen große Konzerne behaupten und beim Wandel der Arbeitswelt mithalten. Die HR-Abteilung kann auf die Daten zugreifen, die für einen Digitalisierungs-Fahrplan des Unternehmens so wichtig sind: Sie wissen, wo und wie die Mitarbeiter am produktivsten arbeiten, mit welchen Prozessen sie zufrieden sind und welche Tools auf die Geschäftsziele einzahlen.