So weit ist Human Resources Management in der Datenanalyse
Im Human Resources Management schreitet die Digitalisierung voran, jedoch hinkt der Einsatz von Daten noch hinterher. Wir zeigen Gründe und Potenziale.
„Jemandem einen Dashboard-Link zu senden, reicht nicht.“ Wo stehen Unternehmen bei der HR-Datenanalyse – und werden Daten in Handlungsempfehlungen übersetzt?
Im Human Resources Management schreitet die Digitalisierung voran – wie in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft. Wie eine Studie von Springer Professional aus 2020 zeigt, ist aber der digitale Reifegrad noch ausbaufähig, ganz besonders im Bereich Human Resources. Für Druck sorgt hier laut der Studie die Corona-Krise: „Durch die Corona-Krise ist deutlicher geworden denn je: Der HR-Bereich kann – und muss – einen wesentlichen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leisten. 37 Prozent sehen sich bereits auf einem guten Weg. Und mehr als der Hälfte (51 Prozent) ist es immerhin gelungen, ein Bewusstsein für die Digitalisierung von HR zu schaffen – während bei der Umsetzung noch Verbesserungspotenzial besteht“, beschreibt die Studie.
Wie sieht es nun ein Jahr später aus? Hat der Druck für eine Beschleunigung der Digitalisierung gesorgt? Wir fragen bei Yannik M. Leusch nach, der als People Analytics Lead bei Kienbaum Unternehmen berät.
Herr Leusch, wo stehen Ihrer Erfahrung nach Unternehmen bei der strategischen Nutzung von Personaldaten?
Unternehmen erhoffen sich von der Nutzung und Analyse von Personaldaten eine bessere Entscheidungsgrundlage für HR-Prozesse. In vielen Bereichen des Personalwesens sind Entscheidungen oft mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet. Der Faktor Mensch als zentrales Element des Personalwesens lässt sich natürlich nicht so einfach kalkulieren oder in seinen Präferenzen vorhersagen, wie es zum Beispiel bei einer Fertigungsanlage in der Produktion der Fall wäre. Daher basieren viele HR-Prozesse in ihrem Design und ihrer Entscheidungsarchitektur auf Intuition, Theorien und Erfahrungswerten.
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Gerade in diesen unsicherheitsbehafteten Umgebungen können Daten dennoch eine wichtige zusätzliche Informationsgrundlage sein. Wenn Organisationen zum Beispiel beginnen, regelmäßig das Engagement ihrer Belegschaft durch Pulschecks messen, ergibt sich daraus eine bedeutsame Datenquelle für ein HR-Projekt zur Verbesserung der Mitarbeiterbindung.
Viele Unternehmen haben dieses Potenzial erkannt – in unserer Studie zum Stand von People Analytics unter 500 Unternehmen aus DAX und Mittelstand im DACH-Raum haben 74% People Analytics als hohe Priorität für die Zukunft der HR-Funktion eingeschätzt, und weit über die Hälfte der Unternehmen haben die bessere Nutzung von Daten in ihrer HR-Strategie verankert. Dennoch nutzen bisher nur 13 Prozent der Organisationen People Analytics als festen Bestandteil ihrer HR-Arbeit.
Woran liegt es, dass viele immer noch nicht die Vorteile nutzen?
Ich glaube, dass die Herausforderung, denen viele HR-Bereiche aktuell in der Nutzung ihrer Daten gegenüberstehen, in vielen Punkten vergleichbar sind mit anderen Unternehmensbereichen: Fehlende Datenintegration durch eine fragmentierte Softwarelandschaft mit Datensilos sind nur ein Beispiel.
Zudem fehlt es leider oft an qualifizierten HR-Mitarbeitern, die in der Lage sind, strategische Herausforderungen in quantitative Datenprobleme zu übersetzen. Ein paar Data Scientists einzustellen, löst oft nicht das Problem: HR braucht Hybridprofile, die sowohl eine Datenaffinität als auch strategische HR-Kompetenzen mitbringen und die Rolle der Übersetzerin oder des Übersetzers für beide Welten einnehmen können.
Zudem herrscht gerade im deutschen Raum noch eine große Unsicherheit in Fragen der datenschutzkonformen Nutzung von Personaldaten. Die DSGVO setzt einen sinnvollen und wichtigen Rahmen, der die Nutzung von HR-Analytics mit klaren Regeln versieht. Im Wesentlichen umfasst die DSGVO eine Reihe von technischen Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. Eine Herausforderung ist dabei, alle Beteiligten, allen voran die Mitarbeitenden in den Prozess von People Analytics miteinzubeziehen. Hier geht es vor allem darum, Transparenz und Vertrauen zu schaffen. Nur zu sagen: „wir verhalten uns DSGVO-compliant“, reicht hier nicht.
Wie kann HR mit Datenanalyse den nächsten Schritt gehen? Wie gehen Sie vor, wenn Sie Unternehmen dabei unterstützen?
Am Anfang eines Projektes oder Datenprojektes im Bereich HR sollte immer die Frage nach der strategischen oder unternehmerischen Relevanz stehen. In welcher aktuellen strategischen Herausforderung können mir Daten helfen? Durch Daten können HR-Organisationen die Validität ihrer Entscheidungen erhöhen und die quantitative Sprache des Business sprechen, allerdings nur, wenn HR Analytics, d. h. die Analyse und Optimierung von HR-Prozessen, oder People Analytics (datengetriebene Personalarbeit) sich in ihrer Arbeit konsequent an strategischen Herausforderungen orientieren.
Ein häufiger Fehler, den wir bei Organisationen sehen, ist die reine Fokussierung auf sogenannte „Lagging KPI“, also auf Metriken, die am Ende einer Wirkkette stehen, wie zum Beispiel EBIDTA oder Fluktuationen im Personalbereich. Zum Messen der Wirksamkeit von Maßnahmen lassen sich diese Werte nutzen, jedoch kann People Analytics vor allem dann einen Mehrwert liefern, wenn sich aus den Daten konkrete Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Nur weil ich weiß, wie hoch meine Fluktuationsquote ist, weiß ich noch lange nicht, wie ich sie wieder senken kann. In der Arbeit mit unseren Kunden versuchen wir deshalb immer handlungsorientierte Daten in den Vordergrund zu stellen.
Wie kann Automatisierung bei HR-Prozessen helfen – wie viele Unternehmen setzen sie schon ein und wo sind hier die Grenzen?
Ich würde generell zwischen datenbasierter Personalarbeit und der Digitalisierung sowie Automatisierung von HR-Prozessen unterscheiden. In beiden Fällen werden digitale Technologien und Data Science genutzt, allerdings zu unterschiedlichen Zwecken. Während Automatisierung bereits viele administrative oder repetitive Prozesse ersetzen kann, geht es bei datenbasierter Personalarbeit vielmehr darum, bestehende strategische Prozesse durch den Einsatz von Daten zu erweitern oder anzureichern.
Wie können Leader die Erkenntnisse bereitstellen und strategisch nutzen?
Selbst die beste Analyse führt nicht zum Ziel, wenn sie nicht konsequent dafür genutzt wird, eine bessere Datengrundlage für das Treffen von Entscheidungen zu schaffen. Gerade in Data Analytics unterliegen Manager, aber auch Experten oft dem Confirmation Bias: Bestätigt die Analyse die eigene, subjektive Einschätzung, ist sie sehr willkommen und wird genutzt – und tut sie das nicht, landet sie auch mal schnell im digitalen Papierkorb oder wird in ihrer Methodik oder Validität kritisiert.
Zu einer guten HR-Analytics gehört deshalb auch, die Ergebnisse in Handlungsempfehlungen zu übersetzen. Jemandem einen Dashboard-Link zu senden, reicht da nicht. Menschen müssen befähigt werden, datenbasiert zu arbeiten und zu entscheiden. Dazu gehört statistisches Grundwissen, genauso wie die Fähigkeit, die eigenen kognitiven Urteilsfehler, wie den Confirmation Bias, zu verstehen und anzuerkennen.
Wird Datenanalyse in HR in Zukunft noch wichtiger?
Ja absolut: Wir befinden uns gerade in einer Adaptionsphase von People Analytics und Datennutzung in HR. Unternehmen beginnen die Vorteile von datenbasierten Entscheidungsgrundlagen bereits für einige HR-Prozesse zu nutzen und werden auch für weitere HR-Prozesse Use Cases entwickeln.
Wir sehen bei vielen unserer Kunden zudem auch erste strukturelle Auswirkungen: Viele beginnen mit dem Aufbau von HR Analytics oder People Analytics Abteilungen, die sich mit verschiedenen Anwendungsfällen beschäftigen. Oft steht allerdings immer noch die Optimierung des HR-Controllings und der Datenqualität im Fokus. Dabei ist HR-Analytics nicht die nächste Evolutionsstufe des HR-Controllings, sondern eine neue Dimension der Nutzung von HR-Daten.