Unternehmensnachfolge-Geschichten: Generationswechsel beim Skateboard-Pionier Titus
Skateboarding und Unternehmertum haben viel gemeinsam. Es braucht viel Übung – man scheitert häufig.... Julius Dittmann ist Skateboarder, Unternehmer und führt das Familienunternehmen Titus. In Europa gilt Titus Dittmann als der bekannteste Pionier im Skateboarding.
„Skateboarding und Unternehmertum haben viel gemeinsam. Es braucht viel Übung – man scheitert häufig.”
Julius Dittmann führt das von seinen Eltern gegründete Familienunternehmen Titus. In Europa gilt Titus Dittmann als der bekannteste Pionier im Skateboarding.
Ende der 70er Jahre war Skateboarding in Deutschland längst nicht so bekannt wie heute. Damals gründete Titus Dittmann mit ein paar Freunden eine kleine Garagenfirma. Zu der Zeit war es noch schwierig, in Europa überhaupt an Skateboards und Zubehör zu kommen. Der Gründer flog nach Kalifornien und kaufte für sich und seine Freunde ein. Heute ist Titus mit 25 Läden in Deutschland und dem zugehörigen Online Shop die führende Marke für Skateboards, Zubehör, Skateschuhe und Streetwear.
Im Jahr 2010 übernahm Julius Dittmann als Nachfolger die Geschäftsführung. Dabei trat der Sohn in große Fußstapfen: Vater Titus hat Legenden-Status in der Skateboard-Szene in Deutschland. Mit dem Ziel, das Unternehmen zu modernisieren und zu internationalisieren, fokussierte sich Julius Dittmann auf die die Bereiche Marketing, IT und E-Commerce. Die Skateboard-Kultur steht bei der Modernisierung weiterhin im Mittelpunkt – als leidenschaftlicher Skateboarder lebt Julius dieses Motto selbst.
Julius Dittmann, wann wurde die Unternehmensnachfolge zum ersten Mal ein Thema für Sie?
Irgendwie schwingt das Thema Generationswechsel regelmäßig mit. Man fragt sich oft: „Habe ich da Bock drauf?“ Anfangs war ich wenig motiviert. 2005, die Firmengruppe meiner Eltern war gerade mitten in einer Krise, habe ich mich dann entschieden, die Chance zu nutzen. Meine Eltern hatten Investoren im Unternehmen, die nun einzelne Dinge abstoßen wollten. Mit 21 Jahren habe ich die laufende Ausbildung abgebrochen, die Idee des Studiums Kommunikationswissenschaften beiseite gelegt, die erste GmbH gegründet und mit voller Energie eine Truppe an Menschen zusammengebracht; alle mit Skateboarding im Herzen und dem Ziel, die vertriebenen Marken bestmöglich zu platzieren. Der Skateboard-Großhandel 24/7 Distribution war damit geboren
Das waren für mich gute Jahre mit viel Entwicklung, insbesondere auf der menschlichen Ebene sowie auch der Führungsebene. Wenn ich zurückblicke, denke ich oft wie engstirnig ich mich anfangs verhalten habe. Die Lockerheit kommt zum Glück mit der Zeit.
Sie treten in große Fußstapfen, da Ihr Vater gleichzeitig als Pionier der deutschen Skateboard-Szene gilt. Wie ist die Nachfolge bei euch gelungen und haben Sie Tipps für Nachfolger im Familienumfeld?
Ja, das ist eine Herausforderung mit einem Vater, der in der Szene dermaßen bekannt ist. Der Stempel “Sohn von…” kann schon mal nervig sein, gerade wenn man anfängt. Man möchte auf eigenen Beinen stehen. Ein gemachtes Nest ist da langweilig. Mir hat es aber am Ende zusätzliche Motivation gegeben, das Beste daraus zu machen. Mit voller Kraft voraus.
Ich hatte es etwas einfacher mit der Unternehmensnachfolge, da ich mich zunächst 2005 mit meinem Skateboard-Großhandel selbstständig gemacht habe. Da lernte ich eine Menge. Erst als ich die Führung im Familienunternehmen übernommen habe, übergab ich die Geschäftsführung des Großhandels. Wer schon mal in einer solchen Situation war, weiß, dass es durchaus eine Herausforderung sein kann, von seinem Baby loszulassen. Aber weil ich im Familienunternehmen eine so motivierte Führung und Crew habe, bin ich heute sehr happy damit.
Es ist also extrem wichtig, dass man als Nachfolger ins richtige Umfeld kommt – das gemeinsame Thema Skateboarding war die richtige Basis. Daher würde ich Nachfolgern, besonders im Familienumfeld, raten, sich vorher genau zu überlegen, ob die Leidenschaft und Begeisterung für das Thema und das Umfeld des Unternehmens vorhanden ist. Bei mir ist das der Fall.
Sie haben als Nachfolger viele Teile des Geschäfts digital neu aufgestellt. Was haben Sie verändert?
Als Kind der 80er habe ich die zunehmende Vernetzung der Welt durchs Internet miterlebt. 1998 habe ich meine erste Homepage in HTML programmiert und 2000 dann auf das damals hippe Flash gesetzt. Zack, zehn Jahre fast forward: Generationswechsel in der Führung bei Titus. Als erstes haben wir den kompletten Online Shop www.titus.de erneuert. Endlich gab es Filterfunktionen für die Besucher, beispielsweise um Produkte nach Größen und Farben aus dem Sortiment zu filtern. Der Check-out-Prozess wurde einfacher, die Ladezeiten schneller. Es war ein riesiger Sprung und alle sind glücklich damit.
2017 folgte ein weiterer Relaunch – der ordentlich schief ging: Der Shop machte Probleme, es gab lange Ladezeiten, wenn er überhaupt verfügbar war, und endlos viele abgebrochene Sessions. Wir haben die Ärmel hochgekrempelt, alle Probleme gelöst und viel gelernt. Dabei ist unser E-Commerce Team noch enger mit unseren Partnern zusammengewachsen.
Skateboarding und Unternehmertum haben viel gemeinsam. Es braucht viel Übung – man scheitert häufig. Und das ist wichtig, weil wir jedes Mal daraus lernen. Wichtig ist dabei; optimistisch zu bleiben. Das vermittelt auch mein Lieblings-Hashtag #keeppushingandsmile, den ich auf Instagram verwende.
In der Pandemie 2020 hat sich Ihre Digitalstrategie sicher bewährt. Konnte der Online Shop das Problem der geschlossenen Shops abmildern?
So eine verrückte Situation wie derzeit bringt Bewegung rein. Dabei lässt sich so viel Neues lernen. Erst steht man vor einem riesigen Berg, dann eröffnen sich die Chancen. Wir haben alle Büro-Mitarbeiter ins Home Office geschickt, die Stempeluhr pausiert und auf Vertrauensarbeitszeit umgestellt. Die gemachten Erfahrungen: Alle geben Vollgas und sind dabei. Das ist alles nur möglich, da der Zusammenhalt in unserer Titus Family so enorm ist – und dadurch ist er noch stärker geworden. Nebenbei ist die Krankenquote auch um 34 Prozent gesunken.
Sie haben auch die Internationalisierung vorangetrieben – wie läuft es damit?
Das lief „freestyle“. Ein französischer Skateboarder und Fotograf lebte zwischenzeitlich bei uns in Münster. Er hatte Lust, bei uns zu arbeiten, zack, gingen wir mit Frankreich den ersten weiteren Markt an. Es gab viel zu lernen. Zum Beispiel, wie wichtig Zahlungsmöglichkeiten wie „Card Bleue“, Retouren und Kundenservice auf französisch sind. Heute achten wir auf Standardisierung und Skalierbarkeit, arbeiten dabei bewusst mit Menschen aus unserer Szene und haben Native-Speaker im Kundenservice der Länder. Heute sind wir in fünf Sprachen in 39 Ländern präsent – letzten Monat kamen trotz Krise Japan, Singapur und Thailand dazu.
Welche Rolle hat Ihr Vater Titus Dittmann heute?
Er bezeichnet sich als Anstifter, und das lebt er auch. Mit seiner Marke und Stiftung Skate-Aid verfolgt er mit voller Energie wohltätigen Projekte. Er reist dafür immer noch viel, zum Beispiel zu Projekten nach Afghanistan und Kenia. Seine Stiftung sieht Skateboarden ganzheitlich, es soll eine bewegungsorientierte Jugendkultur und nicht nur rein sportliche Aspekte schaffen. Durch seine Stiftung kann er seine Energie voll darauf konzentrieren und ich mich praktisch ungestört voll um das Unternehmen Titus kümmern.
Was ich von ihm gelernt habe – wenn mir etwas wichtig ist, wenn ich etwas bewegen möchte, dann kremple ich die Ärmel hoch und bringe mich voll ein. Aktuell engagiere ich mich für einen Skatepark an einem Kinder- und Jugendheim in meinem Geburtsort Münster. Wir bauen gemeinsam mit den Locals einen Skatepark.
Was planen Sie in naher Zukunft?
Seit gut zwei Jahren arbeiten wir daran, unsere Strategiearbeit voranzutreiben – jeder aus dem Unternehmen hat die Möglichkeit, an der Geschichte von Titus mitzuschreiben. Es gibt viele tolle Strategiepapiere in den Unternehmen da draußen, doch aus meiner Sicht sind diese nur etwas wert, wenn die Menschen des Unternehmens dabei mitgestalten.
Was hat sich durch die Unternehmensnachfolge im Unternehmen geändert?
„Die Aufgabe, Menschen für Skateboarding begeistern bleibt, die Umsetzung erfordert Flexibilität. Wir leben unser Motto „Keep Pushing“!“
Wir danken für das Gespräch!
Erfolgreiche Familiennachfolge: Tradition weiterführen, ständig modernisieren
Julius Dittmann hat verstanden, worauf es ankommt. Mit dem Aufbau des eigenen Großhandels sammelt Julius Dittmann unternehmerische Erfahrungen und kann in Kombination mit digitalem Know-how die überfällige Erneuerung im E-Commerce-Zeitalter vorantreiben. Die von ihm geförderte offene und dynamische Unternehmenskultur hat sich als robust und krisensicher erwiesen. Die motivierten und flexiblen Mitarbeiter danken es. Bei der Internationalisierung des Unternehmens heißt es nicht, „wachsen um jeden Preis“, sondern die Verankerung in der jeweiligen lokalen Skateboard-Szene steht im Mittelpunkt. Vater Titus Dittmann hat durch seine wohltätige Stiftung einen neuen Fokus, der beim Loslassen des Tagesgeschäfts hilft und ihm dennoch Präsenz und die Fortführung seiner Lebensaufgabe als Skateboard-Missionar ermöglicht. Die wichtige gemeinsame Basis der beiden Generationen: die Begeisterung für das Thema Skateboarding.