Digitale Transformation

Warum erfolgreiche Digitalisierung auch eine tragfähige Digitalkultur braucht

Digitalisierung wird oft rein auf Technik reduziert und vernachlässigt, dass solche Transformationsprozesse auch eine Kulturfrage sind. Wir haben mit Dr. Ralf Belusa, CDO bei Hapag-Lloyd, darüber gesprochen, warum Betriebe eine Digitalkultur brauchen.

Wie viele Traditionsunternehmen stand auch die Reederei Hapag-Lloyd mit ihrer 174jährigen Geschichte eines Tages vor der Herausforderung der digitalen Transformation. CDO Dr. Ralf Belusa hat nicht nur die Digitalisierung erfolgreich in dem Unternehmen gestaltet, sondern auch dafür gesorgt, dass heute ein digitales Mindset im Unternehmen verankert ist. Wir haben ihn gefragt, wie er das geschafft hat.

Dr. Belusa, warum ist eine Digitalkultur im Unternehmen so wichtig?

Digitalisierung funktioniert nicht, wenn der Mensch nicht mitzieht. Die Mitarbeiter sind eine nicht zu unterschätzende Herausforderung in der Transformation. Als Voraussetzung hilft eine positive Digital- und Innovationskultur im Unternehmen. Diese kann helfen, die Bereitschaft der Mitarbeiter für Veränderungen zu etablieren.

Was ist bei der Einführung eines digitalen Mindsets wichtig?

Eine generelle Offenheit und positive Einstellung gegenüber neuen Technologien, aber auch neuen Arbeitsmethoden und neuer Zusammenarbeit sind essenziell. Und man muss unbedingt auch diejenigen ins Boot holen, die digitalen Technologien skeptisch gegenüberstehen und deren Vorbehalte sehr ernst nehmen. Generell hat die Erfahrung in Unternehmen gezeigt: Sobald Veränderungen in einem Unternehmen ist damit zu rechnen, dass rund 25 Prozent dem eher zurückhaltend und wenig offen begegnen. Umso wichtiger ist es gerade bei dieser Gruppe, Blockaden abzubauen, um mit neuen Projekten unternehmensweit erfolgreich zu sein.

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Gilt die Digitalkultur nur für bestimmte Abteilungen, bzw. werden nur technische Abteilungen wie IT oder Marketing einbezogen?

Viele denken bei der Digitalisierung in Abteilungen, wie IT, Marketing, Sales oder Customer Service. Manche denken nur an bestimmte digitale Medien wie den Webauftritt oder eine App. Andere gehen die Transformation vorsichtig mit einem Pilotprojekt an. Der richtige Ansatz sieht aus meiner Sicht ganzheitlich aus: Halb gemacht geht nicht. Ob man es mit zwei oder fünf Mitarbeitern angeht, ist egal – halbherzig kann man Digitalisierung auch gleich bleiben lassen. Deshalb gilt: Richtig oder gar nicht. Das heißt die digitale Transformation und kontinuierliche Neuerfindung betreffen alle Abteilungen und alle Mitarbeiter – deshalb brauchen wir ein unternehmensweites, neues Mindset, was die kontinuierliche Neuerfindung überall ermöglicht und fördert.

Muss man mit der Digitalkultur bei null anfangen?

Mit einer offenen Einstellung kann man von anderen lernen. Und damit ist es eigentlich auch schon kein Hexenwerk mehr. Erfolgsmodelle gilt es zu analysieren und zu verstehen, die für das eigene Unternehmen sinnvollen Schritte zu identifizieren und dann heißt es: einfach machen.

Obwohl jede Branche und jedes Unternehmen verschieden sind, ähneln sie sich dann doch in vielen Punkten. Es gibt also viele Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten, vom E-Commerce oder der Automobilbranche zu lernen. Vieles lässt sich zwar nicht 1:1 übernehmen, aber es gibt in der Digitalisierung und im Change-Management bestimmte Methoden, die ähnlich sind. Sales, Marketing und Controlling gibt es zum Beispiel nahezu überall. Und moderne Methoden wie 90 Days OKRs (Objectives and Key Results, eine Methode zur Zielsetzung, bei der Mitarbeiter in die Formulierung der Unternehmensziele miteinbezogen werden, Anm. der Redaktion), Agile, AI, ReInvention Frameworks, Platform EcoSystems und so weiter kann man in vielen Unternehmen sehr gut einsetzen, um diese fit für die Zukunft zu machen.

Was war Ihre Erfolgsstrategie, um die Mitarbeiter bei HapagLloyd bei der digitalen Transformation mitzunehmen?

Wir haben mit einem Kernteam aus zehn Personen angefangen. Wichtig war uns, nicht Abteilung nach Abteilung umzukrempeln, sondern jedes Team von vornherein mit einzubeziehen. Deshalb kamen Mitglieder des Kernteams auch aus jeweils unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens. Nachdem die ersten zehn eingelernt und mit an Bord waren, hat jeder von ihnen sein Wissen an die nächsten zehn Mitarbeiter weitergegeben und so weiter.

Am Ende hatten wir es damit erreicht, dass jeder Mitarbeiter aktiv an diesem Change Prozess mitgewirkt hat. Dieses „Wir-Gefühl“ ist extrem wichtig für die Akzeptanz. Außerdem konnten wir so alle relevanten Technologien und Arbeitsprozesse, auf die sich die Veränderungen bezogen, sehr breit und schnell skalieren – und global erweitern. Das macht natürlich auch Spaß. Aber digitale Strukturen sind für uns kein Spielzeug, sondern eine absolute Notwendigkeit, um im globalen Handel erfolgreich zu sein.

Wie haben Sie es geschafft, Skeptiker zu überzeugen?

Ängste und Bedenken von skeptischen Mitarbeitern erweisen sich in der Praxis oft als unbegründet. Die Online-Welt ergänzt tatsächlich die Offline-Welt – und umgekehrt. Ein Sales Office vor Ort ist immer noch wichtig. Ich brauche immer noch eines in Mumbai und eines in Ulm. Das in Mumbai kann aber digital Kunden erreichen, die 800 Kilometer entfernt sind – dort wo kein Außendienstmitarbeiter hinfährt. Gleichzeitig ist die Informationsbeschaffung digital schneller und besser.

Wie gelingt es die Digitalkultur dauerhaft zu etablieren, zum Beispiel um Prozesse effizient zu gestalten?

Bei Hapag-Lloyd helfen agile Arbeitsmethoden dabei, die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit vorzugeben. Man muss einen klaren Plan vor Augen haben und seinen Rhythmus finden. Denn nur mit einer klaren Struktur lässt sich hektischem Aktionismus effektiv vorbeugen. Sinnvoll ist u.a. das Vorgehen „Build. Measure. Learn.“ – der Zyklus aus Gestalten, Messen und daraus Lernen ist in Marketing und Sales geläufig. Er wird eingesetzt, um Abläufe kontinuierlich zu verbessern – eignet sich aber auch für unternehmensweite Prozesse sehr gut.

Bedeutet Digitalkultur gleichzeitig auch Fehlerkultur? Darf es auch mal in die falsche Richtung laufen?

Damit es richtig laufen kann, müssen Fehler gemacht werden. Es müssen Dinge ausprobiert und Fehler gemacht werden dürfen. Nur dann kann ein Lernprozess einsetzen. Wenn man ein gutes Framework hat, womit alles integriert bearbeitet werden kann, wie z.B. 90 Days OKRs dann sind Fehler Teil des Systems, um sich in der gesamten Organisation schneller zu entwickeln.

Wie hat sich die Digitalkultur bei Hapag Lloyd in Corona-Zeiten bewährt – und wie wichtig wird sie für deutsche Unternehmen in Zukunft sein?

Corona hat sicherlich die Umsetzung von digitalen Schnittstellen in jedem Unternehmen beschleunigt. Auf der anderen Seite wurden durch diese Schnittstellen auch der Kundenkontakt online und offline besser und kundenzentrierter ausgebaut. Generell für alle Unternehmen wird sicherlich wichtig sein, die „Hausaufgaben“ der neuen modernen Zeit umzusetzen. Das bedeutet Online- und Offline-Prozesse in allen Unternehmensbereichen optimal und skalierbar aufzustellen und miteinander zu verbinden. Fünf Schritte für die kontinuierliche Reinvention (Rethink the Customer, Rebuild your Brand, ReImagine Creativity, Reshape Innovation, ReLearn forever) eines Unternehmens, sind hier ein hilfreiches Framework um für die kommende Zukunft bestens vorbereitet zu sein.