Welche Chancen sich in Krisenzeiten für das Baugewerbe bieten
Seit Jahren sind Handwerker in Deutschland Mangelware. Neben fehlenden Fachkräften belasten zudem seit Monaten Lieferengpässe und Materialmangel vor allem die Baubranche. Die Verzögerungen beim Nachschub sorgen für starke Preisanstiege - diese mindern wiederum die Umsätze der Betriebe.
Seit Jahren sind Handwerker in Deutschland Mangelware. Neben fehlenden Fachkräften belasten zudem seit Monaten Lieferengpässe und Materialmangel vor allem die Baubranche. Die Verzögerungen beim Nachschub sorgen für starke Preisanstiege – diese mindern wiederum die Umsätze der Betriebe.
Vor zwei Jahren habe ich zum Thema Nachfolge das Familien-Unternehmen Holzbau Stocksiefen vorgestellt, das Holzhäuser, -anbauten und -aufstockungen für seine Kunden realisiert. Die Firma wurde in vierter Generation von Benjamin Stocksiefen übernommen. Von ihm, der in Sachen Unternehmensnachfolge inzwischen eine Art Mentor geworden ist, möchte ich wissen: Wie sind seine Einschätzungen zur aktuellen Situation der Bauwirtschaft? Und wie steht es in der Branche um die Nachfolge – ist es momentan sinnvoll, eine Handwerksfirma zu übernehmen?
Es ist wichtig, dass jeder seine Stärken im Unternehmen ausspielen darf
Die Nachfolge im Hause Stocksiefen gestaltete sich zunächst nicht so einfach. Im damaligen Podcast sprach Benjamin Stocksiefen von einem äußerst emotionalen Prozess, der bereits acht oder neun Jahre andauerte und damit viel länger, als er es sich vorgestellt hatte.
Inzwischen ist er jedoch voll und ganz in die Rolle des Geschäftsführers hineingewachsen. Seinen Vater bezeichnet er als sehr guten Mitarbeiter, der nicht mehr an allen Arbeitsabläufen teilhat, aber insgesamt die Qualität sicherstellt.
Neben seinem Vater ist auch sein Onkel in das Unternehmen involviert – er ist verantwortlich für Buchhaltung und Marketing, während Herr Stocksiefen Senior das Controlling macht und sich der Junior um den kompletten Verkauf kümmert. Er sagt: „Wir drei mussten in den letzten Jahren lernen, dass jeder seine Stärken ausspielen darf – was am Ende das Beste für das Unternehmen ist.“
Mit zunehmender Reife erkennen die Nachfolger den Wert des elterlichen Betriebs
Benjamin Stocksiefen nimmt auch wahr, dass in Handwerksbetrieben generell die interne Nachfolge besser funktioniert, als dies von außen den Anschein haben mag: „Viele Söhne und Töchter wollen auf jeden Fall die Tradition fortsetzen. Selbst wenn sie in sehr jungen Jahren die Übernahme abgelehnt haben. Mit Anfang oder Mitte zwanzig, nachdem sie für einige Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet haben, kommen sie zurück. Weil sie erkennen, dass das familieneigene Unternehmen etwas sehr Wertvolles ist.“
Er erzählt von einem jungen Mann, der bereits in einer höheren Position bei einem internationalen Autokonzern tätig gewesen war und plötzlich merkte, dass es ihn in die Zimmerei der Eltern zurückzog. Gemeinsam mit dem Bruder übernahm er den Handwerksbetrieb. „Da spielt vielleicht auch das gestiegene Bewusstsein für Nachhaltigkeit mit hinein. Den eigenen Kindern will man irgendwann sagen, dass man etwas Sinnstiftendes getan und nicht in einem Bereich gearbeitet hat, der zur Zerstörung der Umwelt beiträgt,“ meint Benjamin Stocksiefen.
Kleinere, regionale Betriebe haben die besten Chancen zu überleben
In seinen Augen sei gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für den Einstieg oder die Gründung eines Handwerksbetriebes im Baugewerbe. Schließlich gebe es beim Bau zu jeder Zeit eine hohe Nachfrage.
Nach Meinung des Unternehmers ist aber abzuwägen, um was für eine Art von Betrieb es sich handelt: „Der Bereich Sanitär und Heizung beispielsweise hat immer noch mit Problemen zu kämpfen, während es beim Holz kaum noch Lieferengpässe gibt.“
Sein Rat: In kleinen Schritten wachsen und sich auf die eigene Region konzentrieren. Es würden von Kunden mehr und mehr regionale Firmen und Produkte favorisiert. Der Einbruch der Baubranche beträfe vor allem die Big Player: „Riesige Probleme haben die Konzerne, die mit bis zu tausend Häusern pro Jahr eine hohe Stückzahl produzieren. Die haben einen großen Fixkostenapparat, den sie nicht so schnell reduzieren können.
Wir machen mit einem überschaubaren Team von fünfzehn Leuten rund 15 bis 20 Großprojekte jährlich. Kleinere Betriebe haben den Vorteil, dass man sich in schwierigen Zeiten flexibel auf die Anfragen einstellen kann.“
Ein Erfolgsfaktor: Offenheit für neue Entwicklungen
Ein entscheidender Faktor für erfolgreiches Unternehmertum ist auch, sich den raschen Entwicklungen des Marktes anzupassen und neue Dinge auszuprobieren. Alteingesessene Handwerksbetriebe sollten sich etwa die Möglichkeiten der Neuen Medien zunutze machen und darauf aufbauen.
Benjamin Stocksiefen erzählt, wie er vor zwei Jahren gegen die Einwände seines Vaters beschlossen habe, einen eigenen YouTube-Kanal zu erstellen. In den selbstgedrehten Videos erklärt er alle Einzelheiten rund um den Holzbau – mit der Folge, dass die Kunden nun mit einem Basiswissen zu ihm kommen und die Gespräche mit ihnen sehr viel effizienter geführt werden können. Die Durchführung der Projekte könne so schneller geschehen und Termine eingehalten werden. Sein Vater habe inzwischen eingesehen, dass die Videos wirklich etwas bewirken.