Industrie 4.0: ERP-Systeme bekommen richtig zu tun

Sage Redaktion
Kapsch Österreich

Die Produktivität steigt und mit ihr auch die Anforderungen an ERP-Software. Quelle: Pixelio.de/lichtkunst.73

Die Produktivität steigt und mit ihr auch die Anforderungen an ERP-Software. Quelle: Pixelio.de/lichtkunst.73

Die Erwartungen an Industrie 4.0 oder die vierte industrielle Revolution, so der IT-Branchenverband Bitkom, sind nicht nur hoch, sondern geradezu euphorisch. In sechs volkswirtschaftlich wichtigen Branchen seien dadurch bis zum Jahr 2025 Produktivitätssteigerungen in Höhe von insgesamt rund 78 Milliarden Euro möglich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Zusammenarbeit mit dem Bitkom.

Aber nicht nur die deutsche Wirtschaft soll durch das Zusammenwachsen von Produktion und Internet beflügelt werden. Roland Berger Strategy Consultants sieht in Industrie 4.0 die Möglichkeit, eine neue Ära der europäischen Industrie einzuläuten, einer Industrie, die in den vergangenen Jahren vor allem durch die Konkurrenz aus Asien schwer gebeutelt wurde.

Business Software muss neuen Anforderungen begegnen

Im Produktionsbereich wird das Schnittstellenthema künftig noch wichtiger. Quelle: Pixelio.de/CFalk

Industrie 4.0, das bedeutet laut dem Beratungsunternehmen Techconsult hochflexible Produktionsprozesse, die in Echtzeit überprüft und gesteuert werden können. Sie sind das Ergebnis einer informationstechnologischen Vernetzung von Maschinen, Produktionsanlagen und ERP-Systemen. Auf diese unternehmensweiten Anwendungen, ebenso wie auf andere beteiligte Business Software, zum Beispiel Business Intelligence-Lösungen (BI), kommen ganz neue Anforderungen zu. Welche das im Grundsatz sind, erklärt Professor Norbert Gronau, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government sowie Projektleiter des Anwendungszentrums Industrie 4.0 an der Universität Potsdam (www.industrie40-live.de): „Das Datenvolumen steigt erheblich an, Echtzeitanforderungen werden härter und Planungsverfahren müssen dezentrale Teilplanungen – Maschine und Werkstück handeln selbst eine Reihenfolge aus – integrieren können.“

Schnittstellen werden noch wichtiger

Sensible Produktdaten schützen: Eine wirksame Sicherheitsstrategie ist Dreh- und Angelpunkt von Industrie 4.0. Quelle: Pixelio.de/lichtkunst.73

Für Rüdiger Spies, Independent Vice President Software Markets beim Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC), kommt es entscheidend auf die Zusammenarbeit von ERP-Software und den Systemen zur Produktionssteuerung (Manufacturing Execution Systems, MES) an. Dazu seien entsprechende Schnittstellen unabdingbar. „Die neuen Datenmengen von Shop Floor müssen direkt Einfluss nehmen können auf Produktionsplanung und Supply Chain Simulationen.“

Aus Sicht von Gronau ist es allerdings fraglich, ob mit einem ERP-System, das auch die Fertigung integriert, alle Anforderungen von Industrie 4.0 abgedeckt werden können. „Wir brauchen offene, auf Middleware-Architekturen basierende Systeme mit Selbstauskunfts- und Selbstorganisationsfähigkeit.“ Und: „Die gigantischen Datenvolumina müssen sicher gespeichert, aber auch mit Bezug zu den Geschäftsprozessen ausgewertet werden können.“

Sicherheit als Bewährungsprobe

Hans-Thomas Hengl ist IT-Journalist und Gast-Blogger im Sage Mittelstandsblog. Quelle: Hengl

Auf die an Industrie 4.0 beteiligten ERP-Systeme kommen also erhebliche Herausforderungen zu. Eine wirkliche Bewährungsprobe jedoch stellt die Bewältigung des Themas Sicherheit dar. So kann etwa ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen auf Steuerungsanlagen zugegriffen werden, was eigentlich nur einem bestimmten Kreis von Personen vorbehalten ist. Eine wirksame Sicherheitsstrategie ist also Dreh- und Angelpunkt von Industrie 4.0. Diese sollte bereits bei der Planung und Anschaffung der IT-Infrastruktur ansetzen. Security by Design lautet in diesem Zusammenhang ein oft zitiertes Stichwort.

Ob allerdings hier die ERP-Software einen durchgreifenden Beitrag leisten kann, betrachtet Gronau skeptisch: „Es wäre schon hilfreich, wenn ERP und BI nicht zu höherer Unsicherheit führen würden, weil durch die direkte Anbindung der Maschinen über das Internet neue ‚Scheunentore‘ geschaffen werden.“

Von Hans-Thomas Hengl

Lesen Sie auch den Beitrag „Internet der Dinge: ERP-Systeme als Wegbereiter neuer Geschäftsmodelle“ von Hans-Thomas Hengl.

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