Perspektivenwechsel in der Unternehmensnachfolge: das Search-Fund-Modell

Heino Erdmann
Heino Erdmann war bis 2021 als Vice President Finance & Operations bei Sage für die kaufmännische Steuerung der Region Zentraleuropa (Deutschland, Schweiz, Österreich und Polen) verantwortlich.  

Im Zuge der Nachfolgeregelung bei Unternehmen erhält das Search-Fund-Modell immer mehr Aufmerksamkeit. Was ist das Besondere daran und eignet es sich für unser Nachfolgeproblem im deutschen Mittelstand?

Vor allem aus der Perspektive scheidender Unternehmensleiter und gleichzeitig Firmeninhaber bietet das Übernahmemodell Management-Buy-Out (MBO) viele attraktive Anreize. Dazu zählt, dass der neue Käufer aus dem eigenen Hause eine besondere Motivation hat, das Unternehmen zu erhalten und ggf. zu expandieren.

Doch wer sich als Inhaber nur darauf konzentriert, dass Kandidaten seinen Vorstellungen eines Nachfolgers entsprechen, läuft Gefahr, einige potenzielle Interessenten von vorne herein auszuschließen. Und genau hier setzt das Search-Fund-Modell an.

Man findet nur den Nachfolger, den man sucht

Wer das eigene Unternehmen in neue Hände legt, wird sehr kritisch und sehr sorgfältig auf potenzielle Nachfolger schauen. In Familienunternehmen geht es dabei nicht selten um die Arbeit von Generationen, die erhalten und weitergeführt werden soll. Dennoch sollte man immer wieder auch einen Perspektivwechsel vollziehen. Es ist das Prinzip jedes „Verkäufers“: Nicht nur „was will und kann ich verkaufen?“ ist relevant, sondern auch die Frage „welchen Bedürfnissen kann ich mit welchen Angeboten entgegenkommen?“ Oder in diesem Kontext: „Was muss mein Unternehmen jemandem bieten, der es erfolgreich weiterführen soll?“

Entstehung des Search-Fund-Modells

Ein wichtiges Indiz für diesen notwendigen Perspektivenwechsel findet sich in der Entstehung des Search-Fund-Modells. Es entstand in den 80er Jahren an der US Elite-Universität Stanford als Antwort auf Nachfolger-Frage: Auf der einen Seite gibt es Unternehmen, die Nachfolger in der Führung suchen. Auf der anderen Seite stehen hochqualifizierte Experten, die bereits Berufserfahrung haben. Experten, die sich als Inhaber und Leiter beweisen, aber selbst kein eigenes Unternehmen neu aufbauen wollen. Wie bringen wir beide Seiten zusammen?

Das Search-Fund-Prinzip und seine Zielgruppen

Search Fund bedeutet praktisch übersetzt: Gelder für einen Menschen, der sich als potenzieller neuer Inhaber bei Unternehmen ins Spiel bringen will. Man investiert also nicht nur in eine Anlage, sondern auch in jemanden, der nach einer passenden Anlage sucht und sie leiten will.

Das Search Fund-Modell gliedert sich in drei Phasen:

  1. Ein Experte mit Übernahme-Wunsch (Searcher) sucht sich Investoren. Diese sponsern den Searcher über den gesamten Such-Zeitraum hinweg. Das bedeutet in der Regel 2-3 Jahre. Das gemeinsame Ziel ist, ein passendes Unternehmen für Übernahme und die zukünftige Leitung durch diesen Experten zu finden. Zusätzlich zum persönlichen Sponsoring halten die Investoren Kapital für eine Übernahme des Betriebs bereit.
  2. Der Suchende macht sich auf, ein Unternehmen für eine Übernahme zu finden.
  3. Sobald er fündig geworden ist, tritt er mit dem entsprechenden Unternehmen sowie seinen Investoren in Verhandlung.

Es wird deutlich, dass der Searcher über eine exzellente bis herausragende Expertise verfügen muss, um Geldgeber zu finden, die allein auf Basis seiner Fähigkeiten in ihn investieren. Auch die Ansprache an den scheidenden Unternehmensinhaber muss überzeugend sein.  Vom Prinzip her gleicht dieses Modell dem Management-Buy-In (MBI). Im Unterschied dazu finanzieren Investoren aber nicht nur den Kauf eines Unternehmens. Sie übernehmen schon vorher zusätzlich den Unterhalt desjenigen, der überhaupt erst nach einem passenden Betrieb sucht, um ihn selbst später zu führen.

Profil: Searcher beim Search-Fund-Modell

Aus den notwendigen Kompetenzen ergibt sich ein Profil für den Searcher, das relativ spitz zugeschnitten ist. Berufspraxis allein wird kaum ausreichen, um Investoren zusätzlich als Sponsoren über Jahre für sich zu gewinnen, ohne die Gewissheit, fündig zu werden.
Hier dürften ausschließlich Uni Absolventen mit herausragenden Leistungen in Frage kommen, die zusätzlich

  • über eine anschließende berufliche Vita,
  • ausgezeichnete Management-Kompetenzen,
  • sowie die Fähigkeit und Neigung zur voll verantwortlichen Leitung eines eigenen Unternehmens zu erkennen sind.

Er sollte langfristig denken und strategisch handeln

Dazu kommt die Frage nach dem Motiv: Wenn jemand über so ein exzellentes berufliches Profil verfügt, was könnte ihn dazu veranlassen, diesen mehrstufigen Weg zu gehen, der weder einfach ist noch Investoren kurzfristige Renditen verspricht? Warum nicht selbst ein Unternehmen zu gründen?

Auf der Hand liegt, dass ein solcher Searcher eben nicht als Start-up anfangen möchte, sondern sich zutraut oder den Ehrgeiz hat, bereits bestehende Unternehmen und Marken auszubauen und größere Visionen zu entwickeln. Der Aufbau eines Unternehmens von Grund auf erfordert andere Skills, die – unabhängig von fachlichen Kompetenzen – nicht jedem liegen.

Fachexpertise, hoher Bildungsgrad und Management-Erfahrung sind notwendig

Das wiederum lässt auch vor dem Hintergrund gängiger HR-Planungen in Unternehmen auf ein relativ enges Altersfenster des Searchers schließen. Egal wie herausragend oder einzigartig ein oder mehrere Ausbildungsabschlüsse des Suchenden sind – ohne berufliche Praxis scheint so ein Unterfangen unmöglich. Wer sich eine Unternehmensleitung zum persönlichen Ziel macht, muss in der Regel zumindest über Management-Erfahrungen verfügen. Und scheint aber auch jemand zu sein, dem das Managen von Unternehmen allein nicht reicht, denn das erklärte Ziel ist ein eigenes Unternehmen. Ein Searcher zwischen Dreißig und Vierzig sollte erfahren genug sein, um auf dem Top-Level in der entsprechenden Branche ein Unternehmen zu führen, und jung genug, um sich dem zu erwartenden Stress solcher Ambitionen auszusetzen.

Profil: Investor beim Search-Fund-Modell

Normalerweise rechnet man in der Praxis des Search-Fund-Modells mit 2-3 Jahren für die Suche nach einem passenden Unternehmen, das eine Nachfolge sucht. Dazu kommen eine Übergangszeit für letztlich ergebnisoffene Verhandlungen sowie eine Einarbeitungsphase. Es vergehen also mehrere Jahre, bevor die Übernahme eines Unternehmens vollzogen ist. Das hierfür entsprechend nötige Engagement geht deutlich über das aus der Start-up-Szene bekannte Maß von Business Angels hinaus. Der oder die Investoren eines Search Funds planen über lange Zeiträume mit Priorität auf langfristigen, dann aber dauerhaften Profit.

Quantitative Einordnung des Search-Fund-Modells

An diesem Punkt könnte die Schlussfolgerung lauten: Jeder scheidende Unternehmensinhaber und -leiter sollte sich glücklich schätzen, wenn ein Searcher mit so engagierten Investoren im Gepäck auf ihn zutritt. Und manche Artikel zu diesem Thema erwecken beinahe den Eindruck, dass hier plötzlich eine „neue Hoffnung“ für den deutschen Mittelstand auf der Bildfläche erschienen ist. Was theoretisch überzeugend anmutet, erfährt aber erst mal eine drastische Ernüchterung angesichts aktueller Fallzahlen.

Eine jährliche Studie der IESE EIC Business School der Universität von Navarra (Spanien) begann 1992 diese zu ermitteln. Aktueller Stand: 2018. Wir sprechen also von einem Zeitraum von jetzt 26 Jahren und einem weltweiten Einzugsgebiet – wobei die Studie Länder wie die USA, Kanada, Russland oder Australien nicht berücksichtigt. Für den Rest der Welt werden für das Jahr 2017 ganze 21 existierende Search Funds ausgewiesen. Letzter Stand der erfolgreichen Abschlüsse: 9.

Search-Fund-Modell bietet neue Denkanstöße und Perspektiven

Ganz so einfach, wie es vielleicht manchmal bei Impulsvorträgen auf Kongressveranstaltungen verkauft wird, scheint das Search-Fund-Modell also nicht zu realisieren zu sein. Die Ursachenforschung steckt noch in Anfängen.

Interessant scheinen hier unter anderem Einschätzungen etwa von Thomas Bühler, Manager von Private-Equity-Fonds und seit 2016 Investor in Search Funds. Es wird deutlich, dass bei diesem Modell stärker als etwa bei MBO und MBI Unterschiede in Unternehmenskulturen eine Rolle spielen. Gerade auch im Vergleich zwischen den USA und Deutschland. „Amerikaner sagen bei einem Blick auf die Statistiken: Wow – 75 Prozent der Searcher schaffen einen Deal. Das gelingt mir auch. Die Deutschen sagen: Um Gottes willen, 25 Prozent finden kein Unternehmen. Was mache ich denn dann? “

Umgekehrt sieht er Chancen, wenn sich deutsche Unternehmer, die ihre Firma abgeben möchten/müssen, mehr mit den Vorteilen auseinandersetzen, die sich z. B. aus der Struktur des Search Fund-Modells ergeben. Wenn ein Searcher auf ein solches Unternehmen zugeht, gibt es schon eine Vorlaufzeit, in der er und seine Investoren ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Sie haben schon Gelder nur in seine Person investiert – nur mit der Aussicht, später in ein Unternehmen investieren zu können. Eine glaubwürdige Expertise.

Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung dieses Modells in Deutschland.

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