Staffel 2: Produktivität - Potenziale freisetzen

Robert Poynton Autor und Associate Fellow der Oxford University

Sie wollen produktiver sein?  Machen Sie Pausen!

Immer erreichbar, überall arbeiten und dabei E-Mails und Messages rund um die Uhr im Blick – für viele von uns ist das mittlerweile normal. Aber wussten Sie, dass ständige Verfügbarkeit für Ihren geschäftlichen Erfolg überhaupt nicht entscheidend ist? Sondern eher kontraproduktiv? Wenn Sie nämlich immer härter und noch mehr Stunden arbeiten, werden Sie nicht produktiver. Im Gegenteil: Wahrscheinlich werden Sie sich nur erschöpfen, irgendwann fix und alle sein und kurz vor dem Burnout stehen. Wir Menschen sind nämlich keine Maschinen. Maschinen können konstant mit hoher Geschwindigkeit arbeiten. Wir nicht.

Wenn Sie wirklich produktiver werden wollen, probieren Sie es einmal mit dieser simplen, aber überaus wirkungsvollen Methode: Denken Sie über den Abstand zwischen Ihren Aufgaben nach – über die Pausen. Bewusst zu reflektieren, wann, wie und wo Sie innehalten könnten, verändert Ihre Einstellung zur Zeit auf produktive und wirklich lohnende Weise.

Sie übernehmen dadurch wieder die Kontrolle und werden Ihre Zeit effektiver nutzen können. Pausen sind nicht das Gegenteil von „aktiv sein“, sondern gehören untrennbar zum Handeln dazu. Und selbst wenn Ihre Pause nur einen kurzen Moment dauert, hat das entscheidenden Einfluss auf Ihre Leistungsfähigkeit.

Volle Terminkalender sind Produktivitäts-Killer

Permanent stehen wir unter dem Druck, etwas zu leisten. Beschäftigt zu sein ist heute definitiv leichter, als sich Freiräume zu schaffen. Das liegt zum einen an den heutigen Technologien, zum anderen aber auch am sozialen Druck. Wie soll man da dem „Zwang zur Dauerbeschäftigung“ entkommen? Wenn wir aber ständig beschäftigt sind, verlieren wir den Blick für das, was am wichtigsten ist. Unser Alltag wird zur Tretmühle, bei der eine Aufgabe nach der anderen erledigt werden muss. Wir sind gefangen in einer hektischen Geschäftigkeit und müssen uns so nicht den wirklich wichtigen Fragen und Entscheidungen stellen. Insofern ist es eine Form von Faulheit. 

Aber produktiv ist diese „Beschäftigungstherapie“ nicht. Wir befinden uns dann in einem Zustand, in dem wir nicht mehr unsere volle Aufmerksamkeit aufbringen können. Wir werden ständig unterbrochen oder unterbrechen uns selbst, indem wir rastlos von einer Aufgabe zur anderen springen. Und so kommen wir gar nicht mehr dazu, gründlich über Entscheidungen oder Alternativen nachzudenken. Wir können dann weder neue Ideen entwickeln noch Wichtiges vom Unwichtigen unterscheiden oder einfach den Moment genießen. Und oft kommen unsere Mitmenschen dabei zu kurz. Letztlich führt dieses schnelle Erledigen möglichst vieler Aufgaben zwangsläufig dazu, dass die Qualität unserer Arbeit darunter leidet.

Wer das erst einmal begriffen hat, wird seine Zeit besser nutzen – und Pausen machen. Das verbessert nicht nur die eigene Leistungsfähigkeit, sondern gibt uns auch die Chance, uns intensiver mit etwas zu befassen.

Vor einigen Jahren habe ich ein internationales Unternehmen bei der Vorbereitung einer Konferenz für Führungskräfte beraten. Dabei planten wir am Ende der Konferenz einen freien Tag ein, bei dem nichts auf der Tagesordnung stand. Von allen Seiten wurden wir gedrängt, diesen Tag mit Aktivitäten zu füllen. Schließlich sollten alle Teilnehmer „das Beste aus der gemeinsam verbrachten Zeit machen“. Aber wir setzten den freien Tag trotzdem durch. Weil wir nämlich überzeugt waren, dass einfach noch mehr Aktivitäten nicht der beste Weg sind, um wirklich von dieser gemeinsamen Zeit zu profitieren.

Das führte zu einiger Verunsicherung. Allein die Vorstellung fühlte sich „gefährlich“ an. Alle waren so daran gewöhnt, jede Minute des Tages mit Terminen zu verplanen – und selbst wenn es nur eine Kaffeepause war. Aber wie sich herausstellte, war der Gedanke, gar nichts vorzuhaben, überaus befreiend und stellte sich als enorm wichtig heraus. An diesem freien Tag zwischen dem Seminar und der Rückkehr in den beruflichen Alltag hatten die Teilnehmer Zeit, das Gelernte zu verarbeiten und darüber zu reflektieren. Und diese „Pflichtpause“ erwies sich als äußerst wertvoll.

Das gleiche Prinzip können Sie auch auf Ihren Arbeitstag, auf eine Woche oder auf ein ganzes Jahr anwenden. Mein Tipp: Planen Sie bewusst Pausen ein, um effektiver zu werden. Das mag Ihnen zuerst widerstreben. Der Druck, jeden Moment für etwas „Sinnvolles“ zu nutzen, ist enorm. Aber so paradox es klingen mag: Damit uns etwas richtig gut gelingt, müssen wir manchmal einfach gar nichts machen.

Eine meiner Klientinnen hat gerade mit ihrem Team eine zweitägige Auszeit gemacht, bei der Arbeitsthemen tabu waren. Diese Pause vom Arbeitsalltag diente dazu, dass sich dieses virtuelle Team mit Mitgliedern aus drei Ländern näher kennenlernen konnte. Sie weiß, dass Teams durch eine solche Pause wesentlich produktiver werden, weil man sich danach besser kennt und sich gegenseitig stärker verpflichtet fühlt.

Mit Pausen gewinnen Sie Abstand

Was genau ist eine Pause? Und was bringt Ihnen das, wenn Sie Ihr Arbeitsleben umgestalten wollen? Eine Pause kann alles sein, von einem flüchtigen Moment bis hin zu Sekunden, Minuten oder Stunden – oder je nach Kontext sogar Tage oder Monate. Es ist ein Innehalten, mit dem Sie Abstand zu dem gewinnen, was Sie gerade beschäftigt. In einer Pause lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas vollkommen anderes. Pausen sind keine Verzögerung, keine Zeit der Inaktivität und sie bremsen Sie auch nicht aus.

Die radikale Idee dahinter ist, dass etwas in oder wegen einer Pause passiert. Sie überlassen damit Ihrem Unterbewusstsein die Kontrolle und werden offen für neue Optionen, neue Ideen und Ihre Kreativität. Und das ist etwas, das in unserer heutigen Arbeitswelt immer wichtiger wird. Unerwartete und unvorhergesehene Situationen verlangen von uns neue Denkansätze und neue Lösungen. Eine Pause ist etwas anderes, als einfach nur alles stehen und liegen zu lassen. Pausen sind der Schlüssel, wie wir bei unserer Arbeit viel produktiver werden. Eine Pause ist regenerativ. Erholung ist ein Teil davon, aber Regeneration ist viel weitreichender und wichtiger.

Wie Sie eine produktive Pause einlegen

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Sie Pausen in Ihren Arbeitsalltag einbauen können. Eine davon nenne ich „Deep Work“ – ein intensives Arbeiten, das ich beim Schreiben praktiziere. Dabei stelle ich mir einen Timer auf 90 Minuten und arbeite in dieser Zeit hochkonzentriert. Mit dieser Methode eliminieren Sie Ablenkungen, die Sie im Denkprozess stören. Entscheidend ist, dass Sie wirklich nach 90 Minuten aufhören – auch wenn es gerade richtig gut läuft – und etwas anderes machen, bevor Sie die nächsten ungestörten 90 Minuten beginnen.

Auf diese Weise trennen Sie intensive Phasen konzentrierter Arbeit von kleineren Aufgaben oder Unterbrechungen, die so häufig vorkommen. Die Idee stammt übrigens von jemandem, der selbst recht produktiv war: Charles Darwin.

Ein räumlicher Abstand ist ebenfalls eine effektive Pause, besonders, wenn Sie im Homeoffice arbeiten. Sie könnten z. B. einfach kurz aus dem Haus gehen oder eine Runde um den Block machen, bevor Sie wieder zu Ihrer Arbeit zurückkehren. Oder Sie gehen so lange spazieren oder fahren mit dem Fahrrad, wie Sie sonst morgens in die Firma brauchen.

Ganz gleich, ob Sie tatsächlich ins Büro fahren oder vor Ihrem Tag im Homeoffice kurz an die frische Luft gehen: Sie gewinnen dadurch Zeit zum Innehalten, Nachdenken, Reflektieren und einen geistigen Freiraum, bevor Sie loslegen. Sie werden feststellen, dass Sie dann während der Arbeit viel produktiver sind. Sie können jeden Situationswechsel – wie ins Auto ein- oder aussteigen, nach Hause kommen, das Büro verlassen – als Anlass für eine kurze Pause nutzen. So können Sie leichter Abstand gewinnen und das Meiste aus beidem machen: was Sie in dem Moment hinter sich lassen und dem, dem Sie sich nun zuwenden.

Wir Menschen brauchen Pausen – auch Sie

Nehmen Sie sich (etwas) Zeit zum Innehalten und nutzen Sie so Ihre Zeit effektiver. Selbst eine kleine Pause hin und wieder kann einen großen Unterschied mit „Langzeitwirkung“ ausmachen. Zu begreifen, dass eine noch so kurze Pause ein echter Gewinn ist, kann für Sie alles verändern. Und denken Sie daran: Schon mit kleinen Schritten werden Sie viel erreichen.