„Compliance“ ist ein breit gefächertes Themengebiet und stellt für viele deutsche Unternehmen eine große Herausforderung dar. Im Zuge der EU-DSGVO, die im Mai 2018 in Kraft tritt, setzen sich jedoch immer mehr Firmen und auch Mittelständler mit der Materie auseinander. Eines der Ziele von Compliance-Regeln ist die Prävention von Bestechung sowie Bestechlichkeit. Im Folgenden werden Korruption und Korruptionsprävention sowie deren Relevanz insbesondere für KMU skizziert. Zur Durchführung regelmäßiger Self-Audits wird eine ausführliche Checkliste zum freien Download zur Verfügung gestellt.
Ein Fallbeispiel aus der realen Geschäftswelt beweist, dass Korruption nicht – wie so oft angenommen – nur in Großkonzernen im alltäglichen Geschäftsleben eine Rolle spielt: Der neue Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens ahnt nichts Böses, als ihn die Beschwerde eines wichtigen Kunden über einen Niederlassungsleiter der Firma erreicht.
Nachdem sich der Geschäftsführer des Unternehmens nach dieser Beschwerde gezwungenermaßen mit den betreffenden Geschäftsunterlagen befasst, ist er schockiert: Der Niederlassungsleiter erhöhte den vom Geschäftsführer festgesetzten Preis um das Doppelte und teilte sich das überschüssige Geld mit einem Manager des Kunden. Nach Aufdeckung dieser Machenschaften folgten Bußgelder und Strafen, die einen enormen Verlust für das Unternehmen bedeuteten.
Dieses Beispiel stellt nur einen Fall von vielen dar, jedoch verdeutlicht es, welche verheerenden Auswirkungen Korruptionsdelikte für KMU haben können. Im Folgenden wird das Thema Korruption aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, um Missstände aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen insbesondere für KMU zu vermitteln.
Nach wie vor stellt Korruption in deutschen Unternehmen keineswegs ein unwesentliches Problem dar. In den vergangenen Jahren häuften sich öffentlich bekannt gemachte Wirtschaftsskandale. Zu den schwerwiegendsten Korruptionsaffären zählen beispielsweise die Schmiergeldauszahlungen des Münchner Maschinenbaukonzerns MAN. Es flossen Schmiergelder in Höhe von etwa 50 Millionen Euro; über 250 Millionen Euro Schaden trug das Unternehmen letztendlich davon. Verglichen mit dem größten Schmiergeldskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte, den 2006 die Firma Siemens verantwortete, scheint dieser Schaden fast harmlos: Ganze 2,9 Milliarden Euro zahlte Siemens an Strafen, Steuernachzahlungen und Anwaltskosten.[1]
Den eigentlichen Skandal stellt die Tatsache dar, dass Korruption in den wenigsten Fällen aufgedeckt wird. Laut einer Studie von PWC gelangen gerade einmal 20 Prozent aller Korruptionsdelikte an die Öffentlichkeit.[2] Erschreckend ist, dass allein diese 20 Prozent bereits einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Im Jahr 2007 verbuchten deutsche Unternehmen zusammen rund 0,43 Millionen Euro infolge von Korruptionsdelikten.
Zwei Jahre darauf stieg diese Zahl auf 1,56 Millionen Euro an. Hinzu kommen 1,71 Millionen Euro, die in das Managen von Korruption investiert wurden.[3] Aus diesen Zahlen geht deutlich hervor, dass Korruption ein erhebliches Problem für deutsche Unternehmen und die Wirtschaft allgemein darstellt.
Leiter der Betrugsaufklärung und -vorbeugung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY Stefan Heißner stellte vergangenes Jahr die Auswertungen einer neuen Untersuchung zum Thema Korruption vor: „Es sind erschreckende Zahlen“[4], kommentierte Heißner.
Insgesamt befragte man im Rahmen der Untersuchung 41 Länder in Europa, im Mittleren Osten, Indien und Afrika hinsichtlich der Korruption in Unternehmen. Ganze 43 Prozent der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen gaben an, dass Bestechung und Korruption im Geschäftsleben weit verbreitet seien. Dieser Wert verdoppelte sich beinahe seit der letzten Befragung zwei Jahre zuvor und liegt sogar deutlich über dem Durchschnittswert für Westeuropa (33 Prozent), der über die vergangenen Jahre kontinuierlich sank.
Was Regulierungsmaßnahmen anbelangt, nehmen die meisten befragten deutschen Unternehmen (55 Prozent) wahr, dass der Regulierungsgrad von Ethikstandards in ihren Branchen wächst, jedoch halten wiederum 53 Prozent diese für eine Wachstumsbremse. An den positiven Einfluss von Regulierungen glauben gerade einmal 19 Prozent.
In der Wahrnehmung der Befragten scheinen sich also Korruption und Wachstum nicht auszuschließen – sogar im Gegenteil: Weit verbreitet ist die Annahme, dass Korruption sogar zum Wachstum der gesamten Volkswirtschaft beiträgt, da sie die Durchführung von Investitionen und Projekten in Gang setzt.
Zahlreiche Untersuchungen beweisen jedoch, dass Korruption die Entwicklung einer Volkswirtschaft hemmt und darüber hinaus die Bekämpfung von Armut behindert. Korruption ist nicht nur ein Problem, das infolge von Armut zustande kommt. Die Verarmung wohlhabender Länder kann ebenso die Folge von Korruption sein. [5]
Wie eingangs erwähnt, werden laut einer Untersuchung von PWC gerade einmal 20 Prozent aller Korruptionsdelikte aufgedeckt und aufgeklärt. Dementsprechend ist schwer zu messen, wie korrupt oder nicht korrupt ein Land ist und inwiefern Korruption in Unternehmen begünstigt wird. Johann Graf Lambsdorff ist deutscher Professor für Wirtschaftstheorie, Volkswirt und der Begründer des „Corruption Perceptions Index“, kurz CPI. Auch wenn Korruption nicht genau gemessen werden kann, so gibt dieser Index doch Aufschluss über die Wahrnehmung von Korruption in den einzelnen Ländern. Dabei wird nicht nur Korruption in der Wirtschaft, sondern auch in Politik und Verwaltung berücksichtigt. Die Grundlage bilden Untersuchungen und Befragungen von Geschäftsleuten und Analysten, durchgeführt von über zehn unabhängigen Institutionen. In diesem Rahmen wurden die Experten gefragt, wie sie den Korruptionsbestand im öffentlichen Sektor für 2017 in 180 Ländern beurteilen.[6]
Auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) erreichte Deutschland sowohl 2016 als auch 2017 81 Punkte.
Trotz derselben Punktzahl rutscht Deutschland im Vergleich zum Vorjahr jedoch um zwei Positionen im Ranking herunter und belegt im internationalen Vergleich somit die 12. Position.
„Der Korruptionswahrnehmungsindex macht deutlich: Wer nur verwaltet und keine neuen Initiativen ergreift, läuft Gefahr, international abgehängt zu werden“[7], so Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland. Anhand dieser Aussage wird deutlich, wie wichtig aktives Handeln in Bezug auf die Bekämpfung von Korruption ist. Dies gilt ebenfalls für die Politik in einer Volkswirtschaft. Bestechungszahlungen konnten in Deutschland bis Mitte der 1990er als „nützliche Zahlungen“ von der Steuer abgesetzt werden. Erst im Jahr 1996 wurden die Gesetze verschärft.
Gerade bei KMU kann die Aufdeckung von Korruption die gesamte Existenz der Firma bedrohen. Zusätzlich zu den anfallenden Bußgeldern können hohe Gewinnabschöpfungen und Steuerstrafzahlungen anfallen. Solche finanziellen Konsequenzen können bei KMU aufgrund geringer Ressourcen einen viel schwerwiegenderen Schaden anrichten, als es bei Großunternehmen der Fall wäre. Aufdeckung von Korruption bedeutet aber nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden. Ein Überblick mit ausgewählten Beispielen verdeutlicht die Konsequenzen von korruptem Verhalten:
Um genannte Konsequenzen zu vermeiden und die Firma vor Korruption und daraus folgenden Strafen zu schützen, muss präventiv dagegen vorgegangen werden. Im Mittelpunkt der Korruptionsprävention steht die Risikoanalyse. Diese ist in vier Phasen zu unterteilen und als dauerhafter Prozess zu betrachten:
Neben der Risikoanalyse, die Sie regelmäßig durchführen sollten, sowie den gesetzlichen Regelungen gibt es zahlreiche speziell auf jedes Unternehmen zugeschnittene Compliance-Richtlinien. Diese verfolgen das Ziel, ein solides Antikorruptionsprogramm sowie eine ethisch angemessene Unternehmenskultur zu entwickeln und somit die Firma vor möglichen Delikten zu schützen. Regelmäßige Self-Audits können existenzbedrohende Schadensfälle verhindern, bevor sie entstehen. Außerdem können sich so Geschäftsführer schützen, deren Mitarbeiter in Korruptionsfälle verwickelt sind – denn auch mangelnde Compliance-Organisation ist haftbar. Folgende Checkliste bietet neben Handlungsempfehlungen zur Prävention auch Empfehlungen im Falle der Aufdeckung eines Korruptionsdelikts. Sie dienen unter anderem dazu, das eigene Verhalten bzw. den Status quo des Unternehmens hinsichtlich Korruptionsprävention zu hinterfragen, neu zu überdenken und eine unternehmenseigene Präventionsstrategie zu entwickeln. Sie können sich die Checkliste kostenlos herunterladen und als Leitfaden für die Erstellung eines individuellen Antikorruptionsprogramms verwenden.
Feedback