Staffel 3: Resilienz - Unternehmen nachhaltig aufbauen

Jon Khoo Head of Sustainability (Europa und Asien) bei Interface

Werden auch Sie ein nachhaltiges Unternehmen

Unabhängig davon, welche Produkte oder Dienstleistungen Sie anbieten: Ich bin fest überzeugt, dass Sie in Ihrer Führungsrolle einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten können – und müssen. Mir ist jedoch bewusst, dass das oft leichter gesagt als getan ist, und einige von Ihnen denken jetzt vielleicht: „Nachhaltigkeit schön und gut. Aber womit fange ich am besten an?“

Meine Tipps zum Einstieg in die Nachhaltigkeit

Vielleicht hilft es Ihnen ja weiter, wenn ich kurz von meinen Erfahrungen bei Interface berichte und womit wir unsere Entwicklung zu einem nachhaltigen Unternehmen begonnen haben. Als Hersteller von Bodenbelägen arbeiten wir seit Jahrzehnten an unserer Nachhaltigkeit, sind heute als CO2-neutrales Unternehmen mit CO2-neutralen Produkten zertifiziert und bieten sogar seit kurzem CO2-negative Produkte an.

Alles begann in den 90er Jahren, als unserem Firmengründer Ray Anderson bewusst wurde, welchen Einfluss unser Unternehmen auf die Umwelt hat. Er wandte sich an Experten aus der Wissenschaft sowie aus den Bereichen Design und Nachhaltigkeit mit der Frage, wo unser Unternehmen die Schwerpunkte für mehr Nachhaltigkeit setzen sollte. Gemeinsam wurden dann sieben Hauptziele  erarbeitet:

  1. Abfallvermeidung: Vermeidung von Abfall in jeglicher Form in allen Bereichen unseres Unternehmens
  2. Emissionsreduzierung: Eliminierung der Abgabe toxischer Substanzen durch unsere Produkte, Fahrzeuge und Standorte
  3. Erneuerbare Energien: Betrieb unserer Standorte zu 100 Prozent mit regenerativen Energien
  4. Kreislaufwirtschaft: Einstieg in die zirkuläre Wirtschaft durch Entwicklung von Produkten aus Recycling- und biologischen Materialien
  5. Ressourceneffizientes Transportwesen: Transport von Mitarbeitenden und Produkten auf effiziente Weise, um Abfall und Emissionen zu vermeiden
  6. Aufklärung von Stakeholdern: Schaffung einer Kultur, bei der Nachhaltigkeit zur Verbesserung der Lebensqualität und Lebensgrundlage all unserer Stakeholder beiträgt – einschließlich unserer Belegschaft, Lieferanten, Investoren und der Gemeinden, in denen wir tätig sind
  7. Neugestaltung von Geschäftsbeziehungen: Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die den Wert einer nachhaltigen Wirtschaft demonstrieren und unterstützen

Diese sieben Hauptziele waren für uns in den 90er Jahren ein äußerst hilfreicher Ansatzpunkt, um nachhaltiger zu werden. Wenn Sie jetzt die Nachhaltigkeitsschwerpunkte für Ihr Unternehmen erarbeiten wollen, eines vorweg: Seit den 90er Jahren hat sich viel getan. Heute gibt es jede Menge differenzierte Ansätze, um die eigene CO2-Bilanz zu verbessern, auf die Kreislaufwirtschaft umzustellen sowie sich als Unternehmen für Menschenrechte einzusetzen und einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Realitäts-Check für Ihre Nachhaltigkeit

Sie können nur etwas verändern, wenn Sie die genauen Zahlen kennen – also wenn Sie etwas messen können. Das ist einer der Grundsätze der Nachhaltigkeit. Wenn Sie Ihr Unternehmen nachhaltiger gestalten wollen, müssen Sie sich immer wieder fragen: „Wie weit haben wir es gebracht? Wo geht es schnell voran? Wo gehören wir zu den Nachzüglern? Was können wir erreichen?“

Dann müssen Sie ein System mit Kennzahlen entwickeln, um Ihre Fortschritte bei Ihren Nachhaltigkeitszielen verfolgen zu können. Bei Interface nennen wir diese Kennzahlen unsere Ecometrics, also unsere „ökologischen Erfolgszahlen“. Der Schwerpunkt dieser Metriken liegt auf dem Material- und Energiebedarf unseres Unternehmens sowie darauf, wie viel Material und Energie unser Unternehmen verlassen. Unserer ökologischer Output sozusagen. Diese Öko-Kennzahlen zeigen uns, was wir verbrauchen (wie viel Material und Energie wir benötigen), und was wir erzeugen (in Form von Produkten, Abfall und CO2-Emissionen).

Ein CO2-neutrales Unternehmen

Bei Interface nutzen wir unsere Öko-Kennzahlen als „Barometer“, das uns zu Innovationen und Verbesserungen inspiriert. Und dank dieser Metriken konnten wir Interface zu einem CO2-neutralen Unternehmen mit CO2-neutralen Produkten entwickeln.

Nehmen wir z. B. unsere eigenen CO2-Emissionen und die unserer Lieferkette. Anhand unserer Öko-Kennzahlen konnten wir genau verfolgen, wo wir Energie verbrauchen, und herausfinden, wie wir die Effizienz steigern und stärker auf erneuerbare Energien umstellen können. Im Laufe der Zeit konnten wir uns so Ziele setzen und Verbesserungen erreichen. Heute arbeiten z. B. alle unsere Werke weltweit ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen.

Dieser konsequente Blick auf unsere Öko-Kennzahlen hat uns dabei geholfen, seit den 90er Jahren die Treibhausgasemissionen unserer Produktionsstandorte um 96 Prozent zu reduzieren.

Dekarbonisierung: Kohlenstofffreie Produkte und Werke

Bei unseren Produkten haben wir vor allem die CO2-Emissionen gemessen, die während des gesamten Produktlebenszyklus entstanden sind. Von der Materialerzeugung aus Rohstoffen und der Fertigung bis zur Nutzung und Entsorgung unserer Produkte legen wir das Greenhouse Gas Protocol (GHG) zugrunde. Das ist eine international anerkannte Standardreihe zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen. Außerdem messen wir unsere Produkte mithilfe der Lebenszyklus-Analyse, die ebenfalls vom GHG entwickelt wurde. Wenn Sie gute Englischkenntnisse haben, sind diese Standards äußerst hilfreich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.

Durch den Einsatz von Recyclingmaterialien und Abfallvermeidung „by Design“ (die Entwicklung von Produkten, die von vornherein keinen oder wenig Abfall erzeugen) haben wir den CO2-Fußabdruck unserer Teppichfliesen gegenüber dem Jahr 1994 um 76 Prozent reduzieren können. Durch unsere Bereitschaft zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks unserer Standorte und Produkte haben wir zudem einen Meilenstein bei der CO2-Neutralität erreicht: Wir sind jetzt wie gesagt ein CO2-neutrales Unternehmen mit CO2-neutralen Produkten. Unsere verbleibenden Treibhausgasemissionen kompensieren wir mit CO2-Ausgleichszertifikaten, um so die Wiederaufforstung von Wäldern, erneuerbare Energien und zahlreiche gesellschaftlich relevante Projekte zu unterstützen.

Climate Take Back: Wie unser Unternehmen zu positiven Entwicklungen beiträgt

Allerdings ist uns bewusst, dass wir noch mehr reduzieren müssen. Und genau das ist das Ziel der aktuellen Klima-Initiative bei Interface, die wir „Climate Take Back“ getauft haben. Dabei geht es darum, mit unseren Geschäftspraktiken einen positiven Einfluss auf die Umwelt und das Klima auszuüben. Wie der Name unserer Initiative schon sagt: Wir wollen etwas zurückgeben. Bis 2040 wollen wir ein CO2-negatives Unternehmen sein, das CO2-negative Produkte herstellt, ohne auf ohne Ausgleichszertifikate zurückgreifen zu müssen. Aber das bedeutet, dass wir noch mehr CO2 vermeiden müssen, und für dieses Ziel ist unsere CO2-Neutralität ist ein wichtiger Meilenstein.

Alles Einstellungssache: Regeneration als Mindset

Als Unternehmen einen positiven Einfluss auf die Umwelt und das Klima zu nehmen, kristallisiert sich zunehmend als wichtiger Trend bei Nachhaltigkeitsinitiativen in der Wirtschaft heraus. Man erkennt immer mehr, dass es bei der Nachhaltigkeit nicht genügt, umweltschädliche Praktiken zu unterlassen, sondern Unternehmen aktiv Beiträge zum Umweltschutz und gegen den Klimawandel leisten müssen, damit die Welt wieder in die Balance kommt. Dieser Anspruch wird als regeneratives Geschäft bezeichnet. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Fähigkeit von Unternehmen, Positives für die Umwelt und die Gesellschaft zu bewirken.

Wenn Sie nach diesem Ansatz Ihre CO2-Bilanz verbessern wollen, genügt es z. B. nicht, wenn lediglich Ihr Unternehmen allein CO2-Emissionen vermeidet. Sie müssen ebenfalls die Emissionsfrage mit Ihren Lieferanten und Kunden angehen und sich vielleicht sogar überlegen, wie Sie menschengerechte und natürliche Formen der CO2-Reduzierung unterstützen können. Bei Interface arbeiten wir deshalb mit Biomimicry 3.8 zusammen. Vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört, das Projekt heißt Factory as a Forest. Das Prinzip dahinter ist, dass ein Produktionsstandort sich nicht nur bei natürlichen Ressourcen bedient, sondern auch positive Effekte auf das Ökosystem hat. Eine Fabrik stellt dann z. B. etwas bereit, was den Eingriff in das lokale Ökosystem ausgleicht – wie saubere Luft, regenerative Energie, Trinkwasser, Kohlenstoffbindung oder Nährstoffkreisläufe.

Tipps: So finden Sie Ihren Einstieg in die Nachhaltigkeit

Kleineren und mittelständischen Unternehmen kann ich vor allem eines empfehlen: Nutzen Sie Angebote wie das Deutsche Klimaportal. Dort finden Sie viele interessante Informationen für Unternehmen in jeder Phase – ganz gleich, ob Sie erstmals Nachhaltigkeitsziele planen oder schon einige Klimaschutz-Initiativen umgesetzt haben. Eine ähnliche Website gibt es auch in Großbritannien mit dem SME Climate Hub, der von der We Mean Business Coalition und der United Nations Race to Zero Campaign ins Leben gerufen wurde. Wichtig ist, dass Sie den ersten Schritt machen und bei Ihren Nachhaltigkeitsbemühungen am Ball bleiben. Vielleicht gibt es in Ihrer Nähe oder online sogar kostenlose Schulungen zur CO2-Reduzierung in Unternehmen.

Wie weit auch immer Sie bei der Nachhaltigkeit sind oder ob Sie gerade damit anfangen: Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und gutes Gelingen! Die Umstellung auf ein nachhaltigeres Unternehmen ist zwar komplex, aber sie lohnt sich auf jeden Fall. Sie können sicher sein: Sie stellen damit die Weichen in die richtige Richtung.