Staffel 2: Produktivität - Potenziale freisetzen
Warum wir Produktivität weitergefasst definieren müssen
Überall erhalten wir unzählige Tipps und Tricks, wie wir unsere Produktivität steigern, intelligenter arbeiten und mehr erledigen können. Die Botschaft dahinter: Wir sind nur dann ein wertvoller Mensch, wenn wir etwas leisten – und je mehr wir erreichen, desto mehr steigt unser Wert als Mensch. Aber was macht das mit uns?
Wir arbeiten uns an endlosen To-do-Listen ab und suchen ständig nach besseren Lösungen, um noch effizienter zu sein. Und obwohl wir uns so bemühen, fühlen wir uns oft unzulänglich, überfordert, ausgebrannt und allein gelassen.
Oft geben wir dann uns selbst oder anderen die Schuld: Wir hätten uns einfach mehr anstrengen müssen oder niemand hat uns richtig unterstützt. Wir alle kennen diese schuldzuweisenden Vorwürfe. Doch dabei vergessen wir eines: Jeder Tag ist anders – und wir sind es auch.
Nach dem Produktivitäts-Mantra ist erst A, dann B, dann C dran. Wir sollen „sequentiell leben“. Aber unsere Tage verlaufen selten in der idealen Reihenfolge. Jeder Tag hat seine guten und schlechten Momente. Und das gilt auch für uns: Wir sind nicht den Tag hindurch immer im selben Zustand. Unser Befinden ändert sich ständig. Um all die verschiedenen Aspekte unseres Tages wirklich anzunehmen, müssen wir meiner Meinung nach kreativer sein – nicht produktiver.
Mehr Kreativität im Alltag wagen
Bei meinen vielen Interviews mit Künstlern, Designern, Musikern und Intellektuellen in den letzten zehn Jahren ist mir klar geworden, dass wir alle von ihren Erkenntnissen über den kreativen Prozess lernen können. Tatsächlich lässt sich vieles auf unser Arbeitsleben übertragen.
Die Illustratorin Mari Andrew hat mir zum Beispiel beigebracht, Ziele daran auszurichten, wie man sich fühlen möchte, und nicht danach, was man erreichen will.
Oder der Künstler und Autor Austin Kleon verriet mir, dass er zum konzentrierten Schreiben einen aufgeräumten Schreibtisch hat und für seine künstlerische Arbeit an einen unordentlichen analogen Schreibtisch wechselt.
Meistens beginnen wir zu erkennen, was wir brauchen, um unser Bestes zu geben, wenn wir das Auf und Ab unserer verfügbaren Energie, unserer Aufmerksamkeit und unserer Konzentrationsfähigkeit akzeptieren und dafür Raum schaffen.
Raus aus der Routine
Manchmal merken wir nicht, dass wir uns Vorgehensweisen angewöhnt haben, die eigentlich gar nicht gut für uns oder unser Team funktionieren. Schlimmstenfalls fällt uns das erst auf, wenn wir völlig erschöpft und ausgebrannt sind.
Was dagegen hilft, ist unsere angeborene Kreativität durch Experimentieren einzusetzen. Wir können zum Beispiel im großen oder kleinen Umfang neue Arbeitsmethoden für uns oder unser Team ausprobieren. Oder wir bitten um mehr Zeit, arbeiten mal im Homeoffice oder bewerten unsere To-do-Liste, unseren Kalender und unsere Prioritäten regelmäßig und oft neu.
Wir werden dabei nicht immer alles richtig machen. Aber wenn wir offen für neue Ansätze sind, können wir vielleicht andere dazu bewegen, auch einmal eingefahrene Routinen in Frage zu stellen.
Machen Sie es auf Ihre Weise
Wenn wir aufhören, uns und unser Handeln mit anderen zu vergleichen oder Erwartungen unbedingt erfüllen zu wollen, wie „man es richtig macht“, hören wir auf, uns selbst im Weg zu stehen. Wir können dann unsere ganz eigene Art, wie wir etwas tun, leichter annehmen.
Es gibt viele Gründe, warum wir eigene Messkriterien brauchen, was für uns ein gelungener Tag ist. Aber der Hauptgrund ist: Wir sind alle anders, individuell. Wir können nicht alle nach dem gleichen Rezept vorgehen, wenn jeder von uns unterschiedliche Zutaten mitbringt. Besser ist es, wenn wir mit unseren eigenen Stärken und Schwächen kreativ umgehen und uns erlauben, selbst herauszufinden, was für uns gut funktioniert.
Wenn uns unsere Vorstellung von Produktivität erdrückt, ist Kreativität die Lösung. Sie erweitert unseren Horizont, weil wir dann das tägliche Auf und Ab besser annehmen, experimentieren und unseren eigenen Weg finden können.