Chefin gesucht: 5 gute Gründe, warum sich Frauen als Nachfolgerinnen positionieren sollten
Beim Thema Unternehmensnachfolge herrscht in vielen Fällen immer noch altmodisch geprägtes, geschlechtsspezifisches Denken. Wir zeigen, warum Frauen viel Führungspotenzial mitbringen.
Töchter haben es besonders in Familienunternehmen am schwersten, in die Geschäftsleitung zu gelangen. So wünschen sich laut einer Studie zur Unternehmensnachfolge der bga fast 90 Prozent der Unternehmer, dass im Rahmen einer familieninternen Übergabe der älteste männliche Sprössling die Firma übernimmt.
Dabei würde weniger darauf geachtet, ob der Junior überhaupt die Fähigkeiten und das Interesse für so eine Position mitbrächte. „Es ist schon erstaunlich, der ansonsten kühl und nüchtern kalkulierende […] Unternehmer fällt bei dieser Grundsatzentscheidung in ein nicht mehr zeitgemäßes Patriarchdenken zurück“, wird im Report Hannspeter Riedel aus seinem Buch „Unternehmensnachfolge regeln“ zitiert.
Nachfolgerinnen nur als Notlösung?
Nach verschiedenen untersuchten Fällen aus der Studie haftet Töchtern oft das Image einer Notlösung an. Nur wenn es zum Beispiel keinen männlichen Nachfolger in der Familie gibt, der Sohn die Nachfolge nicht antreten kann oder ein starker Vater-Sohn Konflikt existiert, hätten Töchter überhaupt eine Chance. Selbst gegenüber Schwiegersöhnen würden sie benachteiligt. Reelle Chancen bestünden nur in maroden Unternehmen, die der Tradition halber weitergeführt werden sollen.
Nachfolgerinnen mit besonderen Qualitäten
Ob Familienunternehmen oder nicht: Jedes Unternehmen, das über eine Nachfolge nachdenkt, sollte nicht nur potenzielle Chefs, sondern auch Chefinnen in Betracht ziehen – und den weiblichen Kandidatinnen nicht nur Chancengleichheit geben. Es gilt auch, die besonderen Qualitäten, die weibliche Geschäftsführerinnen mitbringen, zu kennen.
1. Umsätze sprechen für weibliche Führungskräfte
Diese Liste fängt gleich mit einem starken Argument an: Zwar sind unter den 500 großen Unternehmen laut Weber Shandwicks Gender Forward Pioneer Index nur 10,9 Prozent der Führungskräfte Frauen. Ein bedeutender Anteil der Unternehmen, 37 Prozent, verfügt über rein männliche Führungsteams, während weitere 21 Prozent nur eine Frau im Team haben. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht ungenutztes Potenzial, denn es gibt substanzielle Hinweise darauf, dass die Geschlechterdiversität auf der Führungsebene die Leistung eines Unternehmens verbessert.
Die genauen Gründe dafür werden immer noch erforscht, doch es scheint, dass ein Top-Management mit Frauen die Innovation stark fördert. Das belegt eine Untersuchung der Fortune 500 Firmen durch die Universität von Arizona. Prominentes Beispiel: Tech-Gigant und Rekordumsatz-Garant Apple hat 107 Führungskräfte. 20 darunter sind Frauen (Stand: 2017).
2. Frauen bringen bessere Führungsqualitäten mit
Frauen haben in Führungspositionen einen anderen, weniger Ego-geprägten Ansatz als Männer. Das zeigte eine Studie von Saba Software, die Männern eine karrierezentrierte Motivation bescheinigt, während Frauen zu einem ganzheitlichen, selbstkritischen Ansatz neigen. Zum Beispiel gaben 65 Prozent der Frauen (gegenüber 56 Prozent der Männer) an, dass sie Führungsqualitäten darin sehen, ihr Wissen zu teilen, mit Kollegen in Kontakt zu treten und dem Unternehmen zu helfen. Frauen als Führungskräfte sind unter anderem Team-Player, empathisch, gute Zuhörer, flexibel und Naturtalente im Multi-Tasking.
Das bestätigt auch eine Studie von Harvard Business Review, die in 30 Jahren die Führungsqualitäten von Männern und Frauen anhand von 16 Kompetenzen verglich. Ergebnis: Frauen sind besser darin Beziehungen aufzubauen, andere zu inspirieren und zu motivieren und sich selbst weiterzuentwickeln.
3. Frauen sind hochqualifiziert und leistungsstark
Unternehmen, die offene Stellen wie etwa bei der Nachfolge besetzen müssen, kommen künftig nicht mehr am Potenzial der Frauen vorbei. Junge Frauen stellen über die Hälfte der Hochschulabsolventen und sind damit die Mehrheit des Fach- und Führungskräfte-Nachwuchses.
„Wenn wir nicht das Talentreservoir von Frauen öffnen und wertschätzen, werden wir massivste Probleme bekommen. Es werden nicht nur Experten fehlen, sondern auch Führungskräfte,“ sagt Thomas Sattelberger, Personalvorstand bei der Telekom.
4. Frauen sind offener für flexible Zeiteinteilung
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben gibt es erfreuliche Trends: Durch die Frauenquote ist in den Aufsichtsräten der Anteil weiblicher Führungskräfte in den von einer festen Quote betroffenen Unternehmen erst über den vorgeschriebenen Prozentsatz auf 27,3 gestiegen, dieses Jahr sitzen bei den DAX-Konzernen sogar mehr als 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten.
Nachholbedarf gibt es dagegen noch in Sachen flexibler Zeitmodelle: Unternehmen besetzen derzeit nur wenige Spitzenpositionen mit Teilzeitkräften. Auch hier wird Potenzial verschenkt: Arbeitgeber können enorm von Teilzeitkonzepten profitieren, weil Teilzeitkräfte oft mehr leisten als Vollzeitbeschäftigte. Fehlzeiten sind geringer, dafür Motivation der Arbeitnehmer und damit ihre Produktivität höher. Zu Unrecht sind Teilzeitkonzepte aber oft noch im Bereich der geringwertigen Tätigkeiten angesiedelt.
Ob Teilzeitkonzepte funktionierten, stehe und falle mit der Kommunikation, sagte die ehemalige Bundesfrauenministerin Katarina Barley gegenüber dem Tagesspiegel. „Es braucht gute Absprachen.“ Als Beispiel nannte die Ministerin den öffentlichen Dienst. Fast 90 Prozent der in der Branche beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit.
5. Von Kompetenz profitieren, statt sich selbst einzuschränken
Wenn Frauen erwiesene Kompetenzen im Management mitbringen, warum sind die Management-Ebenen dann immer noch eine Männerdomäne? Tomas Chamorro-Premuzic stellt in seinem Buch über Leadership zu ‚Why Do So Many Incompetent Men Become Leaders?‘ die richtigen Fragen: „Warum ist es so einfach für inkompetente Männer, Geschäftsführer zu werden? Und warum ist es so schwer für kompetente Menschen – besonders für kompetente Frauen – aufzusteigen?“. Der Professor für Wirtschaftspsychologie erklärt, dass selbstbewusstes Auftreten häufig als Zeichen von Kompetenz falsch interpretiert wird. Wir werden getäuscht, weil wir glauben, dass Männer bessere Führungskräfte sind als Frauen.
Chancengleichheit: Mehr Frauen in der Geschäftsführung
Unbewusste Stereotypen halten sich leider oft lange und hartnäckig. Es gilt also bei der Unternehmensnachfolge das unsichtbare „Glasdach“, das es Frauen schwerer macht, in die Geschäftsführung aufzusteigen, aus den Köpfen zu entfernen. Fragen Sie sich, was der Förderung von Frauen in Ihren Unternehmen im Wege steht. „Es ist unerlässlich, dass Unternehmen die Art und Weise, wie sie Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen treffen, ändern und sicherstellen, dass qualifizierte Frauen ernst genommen werden. Diejenigen, die diese Entscheidungen treffen, müssen innehalten und fragen: Erliegen wir einer unbewussten Verzerrung? Nicken wir automatisch einem Mann zu, wenn es eine ebenso kompetente Frau gibt?“, rät Jack Zenger, CEO seiner Leadership-Beraterfirma bei Harward Business Review.
Gleichzeitig ist es eine Frage des Selbstbewusstseins: Wenn Frauen entsprechend auftreten und sich als Führungs-Kandidatinnen positionieren, gibt es auch bei ihnen selbst kein unbewusstes Glasdach. Das Unternehmen profitiert mehrfach: Von der Kompetenz, von mehr Auswahl bei den Talenten, flexibler Gestaltung und nicht zuletzt einer modernen Wirkung nach außen.