Wenn die Einkommensteuersätze einer Preissteigerung (Inflation) nicht angepasst werden, spricht man von der kalten Progression. Es handelt sich um die aus diesem Umstand entstehende Steuermehrbelastung. Wer in Deutschland Geld verdient, muss grundsätzlich Einkommensteuer zahlen. Die Einkommensteuer ist wie in den meisten Ländern progressiv gestaltet, und die Erhebung erfolgt nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit: Wer mehr verdient, muss mehr Steuern zahlen – er oder sie ist leistungsfähiger.
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Der progressive Einkommensteuertarif
In Deutschland gilt ab 2017 ein Grundfreibetrag in Höhe von 8.822 Euro, wobei der Grundfreibetrag jährlich angepasst wird. Einkommen bis zu diesem Betrag sind steuerfrei, für Einkommen darüber hinaus beginnt der Grenzsteuersatz bei 14 Prozent und steigt stetig bis auf maximal 45 Prozent an. Wenn jemand 8.830 Euro verdient, beträgt der Steuersatz zwar 14 Prozent, für die Gesamtsumme ergibt sich jedoch ein Durchschnittssteuersatz von fast 0 Prozent.
Beispiel für die Steigerung des effektiven Steuersatzes
Angenommen, ein Angestellter verdient 20.000 Euro im Jahr und muss 3.000 Euro Einkommensteuer zahlen. Im nächsten Jahr kommt es dann zu einer allgemeinen Preissteigerung in Höhe von 10 Prozent, und das Gehalt wird um 10 Prozent auf 22.000 Euro angehoben. In der Folge steigt die Einkommensteuer progressiv auf 3.600 Euro, das entspricht einer Steigerung von 20 Prozent.
Das Ergebnis: Die Gehaltssteigerung spiegelt nur die Inflation wider und die Steuerbelastung ist wesentlich stärker gestiegen. Der Arbeitnehmer verdient also nicht wirklich mehr als zuvor. Trotz unveränderter Leistungsfähigkeit kommt es zu einem Anstieg der Durchschnittsbesteuerung. Die kalte Progression ist die Bezeichnung für den Umstand, dass durch die Teuerung die Steuerprogression laufend zunimmt. Der Arbeitnehmer erzielt nominal ein höheres Einkommen, dadurch steigt aufgrund des progressiven Tarifs die Durchschnittssteuerbelastung, wodurch die Kaufkraft im Vergleich zum Vorjahr sinkt.
Zusammenhang von Nominal- und Realeinkommen
Zum besseren Verständnis der kalten Progression sind zwei Begriffe wichtig. Das Nominaleinkommen ist das Einkommen ohne Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Kaufkraft. Das Realeinkommen entspricht den Dienstleistungen und Waren, die jemand aufgrund der aktuellen Preise kaufen kann. Die kalte Progression verringert also das Realeinkommen, wenn die Steigerung des Einkommens nach Abzug von Steuern nicht höher als die Inflationsrate ist. Wenn ein Staat auf die Kompensation der kalten Progression verzichtet, führt dies bei steigenden Einkommen zu einer „heimlichen Steuererhöhung“.
Normale Progression und kalte Progression
Die normale Progression ist die progressive Einkommensbesteuerung und zielt auf Einkommensunterschiede ab. Die stärkere Belastung höherer Einkommen führt zu einer Umverteilung. Im Gegensatz dazu führt die kalte Progression besonders bei unteren und mittleren Einkommensklassen zu einer relativ höheren Belastung – vor allem über längere Zeiträume betrachtet.