Digitale Transformation

Unklare Dokumentationspflicht bei psychischen Gefährdungsbeurteilungen

Estee Lauder

In Sachen Gesetzgebung gibt es immer wieder Änderungen. Online-Lösungen berücksichtigen sie automatisch, während sie Nutzer fest-installierter Software selbst Updates einspielen müssen. Quelle: Pixelio.de/Tim Reckmann

Eine neue Ziffer im Paragraph 5 des Arbeitsschutzgesetzes macht es Unternehmern schwer. Quelle: Pixelio.de/Tim Reckmann

Von den meisten unbemerkt, wurde im Herbst 2013 der Paragraph 5 des Arbeitsschutzgesetzes um die Ziffer 6 erweitert. Demnach hat jeder Arbeitgeber neben der physischen Gefährdungsbeurteilung von Arbeiten und Arbeitsplätzen künftig auch eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Hinterlegt ist diese Gesetzesänderung mit einer lückenlosen Dokumentationspflicht. Wie diese auszusehen hat, darüber gibt es keine Informationen, nicht einmal Mindestanforderungen werden benannt.

Die Dokumentationspflicht zu überwachen, obliegt den Berufsgenossenschaften (BG). Immerhin haben einige BG’s bereits reagiert und bieten Schulungen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung an. Die kleinen Betriebe des Handwerks stöhnen allerdings auf angesichts dieser neuen bürokratischen Belastung, sofern sie überhaupt schon Kenntnis von dieser haben.

Familienbetriebe leben Fürsorgepflicht

Margit Niedermaier, Vorsitzende des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Bayern e. V. Quelle: UFH

Margit Niedermaier, Vorsitzende des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Bayern e. V. Quelle: UFH

Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter sind in jedem kleineren Betrieb von Natur aus ein zentraler Faktor. Die Struktur der Familienbetriebe lässt ohnehin nichts anderes zu, als dass Chef und Chefin ständig im intensiven Austausch mit ihren Mitarbeitern stehen. In Notsituationen sind wir Ansprechpartner und helfen, soweit es uns möglich ist. Wir erfüllen unsere Fürsorgepflicht. Meist geht die Verantwortung für unsere Mitarbeiter weit über betriebliche Belange hinaus. Wenn große Unternehmen mit großem Trara Work-Life-Balance-Projekte entwickeln, lächeln wir im Handwerk nur milde: der Familienbetrieb lebt diese Work-Life-Balance gemeinsam mit seinen Mitarbeitern schon immer.

Aber wir verlangen dafür auch Eigenverantwortung von unseren Mitarbeitern. Es muss deshalb die Frage erlaubt sein, wo die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers beginnt und wo sie endet. Wie in aller Welt soll ich als Laie eine psychische Belastung beurteilen? Und welche psychische Belastung rührt tatsächlich von der beruflichen Tätigkeit her? Werde ich im Sinne einer Mitschuld dafür verantwortlich gemacht – oder sogar haftbar – wenn einer meiner Mitarbeiter eine psychische Erkrankung entwickelt?

Zeitaufwand wächst

Und wer kümmert sich eigentlich um die psychische Gefährdung der Betriebsinhaber/innen? Der Zeitaufwand durch immer mehr Bürokratie wächst. Wer beurteilt unsere Arbeitsbedingungen, die durch solche Verordnungen immer unzumutbarer werden? Der Zeitaufwand für Verwaltung und Dokumentation von Sicherheit, Gefährdungspotenzialen, Mindestlohn u.v.m. verhindert die Anwesenheit des Chefs dort, wo er wirklich gebraucht wird: vor Ort bei seinen Leuten, auf der Baustelle oder in der Werkstatt. Ist es nicht auch für die Mitarbeiter von Interesse, dass ihr Chef ausgeglichen ist? Sorgt er doch für Arbeit und zahlt die Löhne.

Fakt ist: wenn die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht stimmt, hilft auch die ausgefeilteste Dokumentation nichts. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die psychische Gefährdungsbeurteilung ein Einstieg für nicht ganz so kommunikationsstarke Chefs ist, Zugang zu ihren Mitarbeitern zu finden. Ob ein jährlicher Fragebogen dafür aber der richtige Weg ist?

Sinn und Zweck dieser neuen Vorschrift führen sich selbst ad absurdum: zumindest im Kleinbetrieb schützt Sie weder den Mitarbeiter, noch erhält sie ihn gesünder.

Von Margit Niedermaier

Vorsitzende des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Bayern e. V.