Neue Regelung zur Verjährung und dem Verfall von Urlaubsanspruch
Der BAG hat entschieden. Die neue Regelung zur Verjährung und dem Verfall von Urlaubsanspruch kann für Sie als Arbeitgeber zu deutlichen Nachteilen führen. Es besteht Handlungsbedarf.
Der Verfall sowie die Verjährung von Urlaubsanspruch können für Sie, als Arbeitgeber, finanziell erhebliche Auswirkungen haben. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20. Dezember 2022 zwei Grundsatzurteile erlassen, die möglicherweise auch für Arbeitgeber einen dringenden Handlungsbedarf erfordern.
Rechtslage davor „Verfall von Urlaubsanspruch“ – der Grundsatz
Beginnen wir am Anfang: Um irgendwann einen Rechtsabschluss und eine Rechtssicherheit zu gewährleisten, gibt es im Recht das Prinzip der Verjährung. Die Verjährung folgt dem Prinzip: „Irgendwann muss einmal Ruhe herrschen“. Insbesondere bei Ansprüchen muss irgendwann feststehen, dass diese nicht mehr geltend gemacht werden können.
Verfällt jedoch ein Anspruch, hilft auch die Verjährung nichts mehr. Ein Verfallen oder auch Erlöschen des Anspruchs entsteht durch verschiedene Gründe, man spricht in diesem Fall von der Einrede der Verjährung. Ein Erlöschen kann beispielsweise dadurch eintreten, dass:
- der Anspruch erfüllt wird,
- der Schuldner nicht imstande ist, den Anspruch zu erfüllen (Unmöglichkeit),
- im Gesetz eine Regelung zutrifft usw.
Das Arbeitsrecht, bedient sich bekanntlich unterschiedlicher Gesetze. Aus diesem Grund sind auch die allgemeinen Regelungen der Verjährung aus dem BGB nach § 214 (1), § 195 und § 194 (1) für den Urlaubsanspruch maßgebend. Die Verjährungsfrist von Urlaubsanspruch für den Mindesturlaub beträgt demnach drei Jahre. Der Beginn der Verjährungsfrist regelt sich in § 199 (1) BGB.
In § 7 (3) BurlG wird wiederum das Erlöschen von Urlaubsanspruch geregelt. Dieser erlischt durch:
- Erfüllung durch Inanspruchnahme des Urlaubs im laufenden Kalenderjahr,
- Abgeltung,
- Ende der Befristung, bis wann der Urlaub in Anspruch genommen werden muss.
Diese Frist beträgt bis zu drei Monate des folgenden Kalenderjahres, in dem der Urlaub gewährt wurde. Der späteste Verfallstag für Urlaubsanspruch ist daher der 31. März. Es gibt jedoch eine große Ausnahme. Das Ganze gilt nur ab dem Zeitpunkt, ab dem Sie, als Arbeitgeber, den Arbeitnehmer deutlich und rechtzeitig darüber informieren, dass der Urlaub verfallen wird, sofern er ihn nicht nimmt gemäß BAG Urteil vom 19.2.2019 – Az. 9 AZR 541/1.
Ist der Arbeitnehmer gesundheitlich an der Wahrnehmung seines Urlaubs gehindert, erlischt der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach dem Urlaubsjahr gemäß BAG-Urteil vom 7.8.2012 – Az. 9 AZR 343/10.
Urteile zum Urlaubsanspruch
Nach dieser Einleitung sind Sie nun fit für die beiden aktuellen Urteile des BAG:
Wann erlöscht der Urlaubsanspruch?
Urteil vom 22. Dezember 2022, Az.9 AZR 245/19
Der beklagte Arbeitgeber hatte einen anerkannten schwerbehinderten Frachtfahrer in seiner Flughafengesellschaft beschäftigt. Von Dezember 2014 bis mindestens August 2019 konnte der Frachtfahrer wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen. In der Folge konnte er somit auch seinen Urlaub nicht nehmen. Der Frachtfahrer wollte mit seiner Klage den Resturlaub aus 2014 geltend machen.
Spätestens seit dem vorherigen Absatz wissen wir, dass aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers eine 15-monatige Frist gilt, bis der Urlaub in diesem Fall verfallen würde. Der Resturlaub aus dem Jahre 2014 wäre daher erloschen gewesen.
In seiner Urteilsfindung hat das BAG die Rechtsprechung der angesprochenen 15-monatigen Frist jedoch weiterentwickelt. Es unterschied dabei, ob der Arbeitnehmer entweder seit Beginn des Urlaubsjahres 2014 bis zum zweiten auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahr 2016 durchgängig aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten, oder nicht.
Glück für den Arbeitnehmer, denn er hatte noch bis November 2014 seine Arbeit verrichtet, bevor er erwerbsgemindert arbeitsunfähig geworden war. So blieb ihm sein Urlaubsanspruch erhalten.
Wichtig für den Arbeitgeber:
Das BAG begründet sein Urteil mit der Mitwirkungsobliegenheit. In diesem Fall ist es die Mitwirkung, die Ihnen als Arbeitgeber obliegt, den Arbeitnehmer ausreichend über seinen Urlaubsanspruch und den Verfall zu informieren. Die entscheidende Frage ist damit: Wann begründet sich diese Pflicht für Sie als Arbeitgeber und wann nicht?
Das BAG sagt dazu Folgendes:
Als Arbeitgeber müssen Sie den Arbeitnehmer im Urlaubsjahr über seinen Urlaubsanspruch und dessen Verfall informieren. Erst dann läuft die Frist zum Verfall des Urlaubs.
Ist Ihr Arbeitnehmer jedoch von Beginn an im Urlaubsjahr krank, können Sie dieser Pflicht nicht nachkommen – und diese kann auch nicht gegen Sie gelten. Warum? Weil es Ihnen dann nicht möglich ist, diese Obliegenheit zu erfüllen.
Wann verjährt Urlaubsanspruch?
Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 266/20
In diesem Urteil war die Klägerin von November 1996 bis einschließlich Juli 2017 eine Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin des beklagten Arbeitgebers gewesen. Der Arbeitgeber zahlte ihr zur Abgeltung des Resturlaubs am Ende ihres Arbeitsverhältnisses 14 Tage Urlaub aus. Die Klägerin hatte jedoch eine Auszahlung des Resturlaubs von 101 Tagen zur Abgeltung gefordert, da sie den Urlaub aufgrund des Arbeitsaufkommens nicht nehmen konnte und dementsprechend die Verjährung der Urlaubsjahre nicht anerkannte.
Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung des BAG ist also die 3-jährige Verjährung des Urlaubsanspruchs der Klägerin gewesen. Noch bedeutender in diesem Fall war die Frage, wann die Verjährungsfrist begann.
Wichtig für Sie, als Arbeitgeber bei Urlaubsanspruch:
Das BAG entschied, dass die Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und seine Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer trotz Belehrung aus freien Stücken seinen Urlaub nicht genommen hat. Das alles in Auslegung des oben erwähnten §199 (1) BGB, der den Beginn der Verjährung regelt.
Dreimal dürfen Sie jetzt raten, was passierte. Richtig! – Der Arbeitgeber hatte versäumt, seine Angestellte darüber zu informieren. De facto konnte der größte Teil des Urlaubs nicht verjähren, und die Klägerin konnte ihren Anspruch somit erheben. Ihr wurden noch weitere 76 Tage Urlaubsanspruch zugesprochen.
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Das BAG spricht von der Erfüllung von Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten. Sind diese nicht erfüllt, kann der Arbeitnehmer gar nicht in die Lage versetzt werden, seinen Urlaub zu nehmen, mangels Kenntnis des Arbeitnehmers.
Orientierungspunkt für diese Entscheidung ist der EuGH. Ziel des EuGH ist es, dass Rechtssicherheit für den Arbeitnehmer gewährleistet werden muss. Denn die Gesundheit des Arbeitnehmers gilt es durch die Inanspruchnahme seines Urlaubs zu schützen. Damit liegt die Plicht bei Ihnen, als Arbeitgeber! Diese Sicherheit steht vor der eigentlichen Regelung der Verjährung im BGB.
Bei der für Sie als Arbeitgeber nachteiligen Entscheidung, gibt es jedoch zwei abmildernde Punkte, die Sie auf jeden Fall beachten sollten:
- Die Frist können Sie jederzeit in Gang setzen, da Sie die Belehrung an Ihren Arbeitnehmer nachholen können.
- Endet das Arbeitsverhältnis, beginnt die Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen am Ende des Kalenderjahres nach dem Ausscheiden automatisch.
Die Rechtsprechung richtet sich mittlerweile nach der des EuGH Daher ist es nicht verwunderlich, dass nun auch dieses Grundsatzurteil so gesprochen wurde.
Handeln Sie kurzfristig!
Diese Urteile des BAG haben den Verfall und die Verjährung von Urlaubsansprüchen nun verschärft, zu Lasten der Arbeitgeber. Urlaubsansprüche können sich somit unbegrenzt ansammeln, wenn Arbeitgeber nicht handeln.
Da jeder Arbeitnehmer nun rechtzeitig und eindeutig informiert werden muss, damit Sie Ihre Obliegenheitspflichten erfüllen, sind folgende Handlungen zu empfehlen:
- Infomieren Sie jetzt Ihre Arbeitnehmer einzeln für 2023 und am Anfang eines jeden Urlaubsjahres über:
- den konkreten Urlaubsanspruch,
- die Verfallsfristen und
- die Verjährung.
- Fordern Sie Ihre Arbeitnehmer individuell dazu auf, ihren Urlaub rechtzeitig zu beantragen und zu nehmen, und wiederholen Sie den Vorgang spätestens zum dritten Quartal eines Jahres.
- Informieren Sie sie unbedingt schriftlich bzw. in Textform, um einen Nachweis zu führen.
- Prüfen Sie, ob Sie Fristversäumnisse der Vorjahre nachholen müssen und ob Beschäftigte einen verbliebenen Urlaubsanspruch aus ihrer vorigen Beschäftigung geltend machen könnten.
Haben Sie eine gute Personalsoftware, können Sie sich alle Angaben zum Resturlaub schnell und problemlos aus dem System holen.
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