Industrie 4.0 und Supply Chain Management: Wie KI und Blockchain die Lieferkette revolutionieren
Die Globalisierung hat die Wirtschaftsentwicklung in den letzten Jahrzehnten erheblich beeinflusst – und im Bereich der Fertigung hat sie sicherlich zu Ihrem unternehmerischen Erfolg beigetragen. So haben Sie beispielsweise beim Einkauf von Bauteilen und Einzelkomponenten, die Sie für die Herstellung Ihrer Produkte benötigen, sicherlich auch schon von preisgünstigen Angeboten aus dem Ausland profitiert.
Lieferketten werden immer internationaler
Als produzierender Betrieb wissen Sie deshalb auch, dass Lieferketten in Zeiten der Globalisierung zunehmend international werden. Eine Vielzahl Ihrer Lieferanten dürfte vor diesem Hintergrund nicht mehr aus demselben Land kommen, in dem Sie Ihre Waren fertigen. Schauen wir uns zum Beispiel einen US-amerikanischen Fahrzeughersteller an. Nicht weniger als 70 % bis 80 % der Einzelkomponenten, die für die Fertigung eines Autos erforderlich sind, werden extern hergestellt – häufig in unterschiedlichen Teilen der Welt wie China und Europa.
Covid-19 als Herausforderung für die Supply Chain
Ein globales Ereignis wie etwa die Corona-Pandemie kann die Prozesse eines Herstellers, der in derart komplexe Lieferketten eingebunden ist, deshalb erheblich beeinträchtigen. Materialengpässe, Personalknappheit, fehlende Beschaffungsmöglichkeiten und logistische Herausforderungen sind hier nur einige wenige Beispiele für mögliche Folgen. Doch bereits vor Covid-19 beeinflussten internationale Krisen globale Lieferketten – wie etwa der Handelskrieg zwischen den USA und China. US-Unternehmen waren vor diesem Hintergrund gezwungen, ihre Lieferketten umzustrukturieren, um nicht zu stark von China abhängig zu sein.
Komplexe Lieferketten als Risikofaktor
Jeremy Goodwin ist CEO und Gründer von SyncFab, einem Unternehmen, das Blockchain-Anwendungen für Supply Chain Management-Systeme entwickelt. Laut Goodwin hat das Coronavirus aufgezeigt, welche Probleme auftreten, wenn die Fertigung von komplexen und weit verzweigten Lieferketten abhängig ist – vor allem, wenn schnelle Reaktionen nötig sind.
„Corona hat einen Engpass bei Komponenten aus China hervorgerufen.“
„Schauen Sie sich die Herstellung von Medizinprodukten an, zum Beispiel die Produktion von Beatmungsgeräten“, so Goodwin. „Ein Beatmungsgerät besteht aus etwa 3.000 meist elektronischen Komponenten. In den letzten zehn bis 20 Jahren hat sich China zu einem führenden Lieferanten elektronischer Bauteile entwickelt, mit der Folge, dass ein beträchtlicher Teil der weltweit verbauten Elektro-Komponenten aus diesem Land exportiert wird. Die Covid-19-Pandemie hat in der Folge bei Bauteilen, die für die Herstellung von Beatmungsgeräten vorgesehen waren, zu signifikanten Lieferengpässen aus China geführt. In der Konsequenz ergab sich dadurch eine vollständige Restrukturierung der Beschaffungswege für die nötigen Komponenten. Regelmäßige Qualitätskontrollen und jährliche Inspektionen, die zum Branchenstandard gehören, erhöhen die Komplexität der Lieferkette – angefangen vom Bauteilproduzenten am Beginn, über den Zwischenhändler in der Mitte bis hin zum OEM am Ende der Supply Chain – zusätzlich.“
Zunehmende Sorge bei Lieferkettenverantwortlichen
Bereits vor der Corona-Pandemie und den aufflammenden Handelskriegen schauten zahlreiche Einkaufleiter mit Sorge auf ihre Lieferketten, da sie zunehmende Beschaffungsrisiken sahen, die durch den sich abzeichnenden Konjunkturabschwung noch verstärkt würden. Dies ergab der Global Chief Procurement Office Survey 2019 der Unternehmensberatung Deloitte. Die Zahl deren, die ihre Supply Chain unter wachsendem Druck sehen, dürfte binnen Jahresfrist und angesichts der unterdessen aufgetretenen Herausforderungen kaum kleiner geworden sein. Die Studie ergab darüber hinaus, dass sich die Einkaufsleiter im letzten Jahr darauf konzentrierten, Angebote von neuen Lieferanten einzuholen und die Verträge mit bestehenden Lieferanten neu zu verhandeln, um Kostensenkungen zu erzielen und das finanzielle Risiko zu reduzieren.
Neubewertung und Neugestaltung Ihrer Lieferkette
Die großen, komplexen und damit sehr schwerfällig zu steuernden Lieferketten von heute stellen viele Unternehmen vor Herausforderungen. Dies zeigt nicht erst durch Corona. Sondern dieses Thema ist im Grunde schon seit dem Beginn der vierten industriellen Revolution, die sich vor allem durch digitale Transformationsprozesse und kürzere Markteinführungszeiten kennzeichnet, virulent. Eine der Kernfragen vieler Supply Chain Verantwortlichen ist deshalb, wie sie ihre Lieferkette verkürzen und durch Zugriff auf transparente Lieferantendaten reaktionsfähiger machen können.
Lieferketten lokaler gestalten
Eine Möglichkeit liegt in der Suche nach lokalen Lieferanten, auf die sie im Notfall und zur Überbrückung von Engpässen zurückgreifen könnten, insbesondere wenn sie in ihren bestehenden Lieferantenbeziehungen Lücken erkennen. Sie könnten nach Beschaffungswegen für Komponenten suchen, die näher an den eigenen Design-, Produktions- und Montagestätten liegen, was Herstellungs- und Vertriebszeit verkürzt. Das würde auch die Zusammenarbeit zwischen Fertigungstechnikern und Lieferanten, vor allem bei Störungen, verbessern. Insgesamt reduziert sich damit das Risiko, wenn die eigenen Produktionsstätten über lokale Bezugsquellen für ihre Komponenten und Bauteile verfügen. Auch die Transportkosten dürften sinken. Gleichzeitig ist aber anzunehmen, dass die Stückkosten steigen, wenn günstigere Zulieferer, etwa aus Asien, nicht mehr berücksichtigt werden.
Digitale Transformation der Lieferkette
Neben der lokaleren Gestaltung von Lieferketten kann aber auch die digitale Transformation entscheidende Impulse für mehr Effizienz in der Supply Chain liefern, weil dadurch die Interaktion zwischen den Beschaffungsabteilungen von Lieferanten und Herstellern an Dynamik gewinnt. Wenn Sie sich für diesen Weg entscheiden, ist es empfehlenswert die implementierten ERP-Systeme auf den Prüfstand zu stellen und zu analysieren, ob sie Ihren Anforderungen optimal entsprechen und zum Budgetrahmen der Beschaffungsabteilungen mit ihren engen Produktionsplänen und Terminen sowie Qualitätsanforderungen passen. Spätestens seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist es sicherlich an der Zeit, die digitale Transformation und Industrie 4.0 in Betracht zu ziehen, um dafür zu sorgen, dass Ihr Unternehmen wettbewerbsfähig, effizient und produktiv bleibt. Die Wunschvorstellung wäre letztendlich eine vernetzte Lieferkette, mit der Sie jederzeit Ihren Produktionsstatus in Echtzeit einsehen können.
KI und Blockchain als Option
Sie sollten auch die Möglichkeit erwägen, mit künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen, die Beziehungen zu Ihren Lieferanten auf eine komplett neue Ebene zu heben – angefangen beim Bestellprozesse bis hin zur Zahlungsabwicklung. Denn diese Technologien haben das Potential für einen optimalen Datenabgleich zwischen Lieferanten und Herstellern zu sorgen. Eine weitere Technologie, die möglicherweise für Sie in Frage kommt, ist Blockchain. Mit der Blockchain-Technologie können Ökosysteme – etwa die in einer Supply Chain organisierten Allianzen zwischen Lieferanten und Herstellern – ohne zwischengeschaltete Unternehmen, wie zum Beispiel Banken oder sonstige Zahlungsdienstleister, wichtige Informationen austauschen, verwalten und diese gemeinsam nutzen. Blockchains synchronisieren alle Daten und Transaktionen in einem Netzwerk, wobei die beteiligten Parteien die Arbeit und Berechnungen der jeweils anderen Partei prüfen. Viele Beobachter attestieren Blockchain höhere Sicherheitsstandards als herkömmlichen IT-Lösungen wie offenen Firewalls oder der Multi-Faktor-Authentifizierung.
Mehr Sicherheit und Datentransparenz durch Blockchain
Dem stimmt Jeremy Goodwin zu: „Während KI den Datenabgleich in der Lieferkette unterstützen kann, geht es bei der Blockchain um Sicherheit, Formatierung und Architektur bei der Datenerfassung – es geht um die sichere Verbindung zwischen den Endpunkten, wenn Sie so wollen.“ Die Blockchain kann die Datentransparenz erhöhen. So können Lieferanten den Herstellern zeigen, dass sie die richtigen Zertifizierungen haben, die Qualitätsanforderungen erfüllen sowie über die Kapazitäten und Kompetenzen für die Produktion einer bestimmten Komponente verfügen. Im Grunde geht es um Lieferantenprüfung und Produktauthentifizierung. Es geht darum, den Lebenszyklus von Komponenten nachzuverfolgen – von der Konstruktion bis hin zu Produktion, Inspektion, Versand und Montage.