Handelsverbünde: Gemeinsam stark für die digitale Zukunft
Einzel- und Großhandel leisten mit 2,19 Billionen Euro und 6,4 Millionen Beschäftigten einen wesentlichen Beitrag zur deutschen Wirtschaft: Laut EHI Retail Institute lag der Anteil am Bruttoinlandsprodukt 2019 bei 15,8 Prozent. Die Corona-bedingten Lockdowns haben jedoch weite Teile der Branche schwer getroffen. Im Einzelhandel sind die Umsätze zwar 2020 nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) real, also preisbereinigt, um 3,9 Prozent gegenüber 2019 gestiegen. Profitiert haben aber vor allem der Lebensmitteleinzelhandel und Drogerien sowie Händler in den Bereichen Pharma und Medizintechnik sowie IT.
Covid-19-Krise: Konsumklima verschlechtert sich
In anderen Branchen – etwa der Textilindustrie – ist die Lage dagegen eine andere, und der Großhandel leidet zusätzlich unter den Schließungen im Hotel- und Gastgewerbe. Darüber hinaus schlägt der zweite Lockdown verstärkt auf die Verbraucherstimmung. Laut HDE-Konsumbarometer hat sich das Konsumklima in den letzten Monaten insgesamt verschlechtert.
Zweigeteilte Situation des Handels
Auch die Unternehmensberatung Kearney beobachtet die zweigeteilte Situation des Handels: „Viele stationäre Händler leiden, während die großen börsennotierten Supermarktketten und Onlineplayer in der Krise sogar profitieren“, heißt es in ihrer aktuellen Studie. Dafür hat Kearney mehr als 7200 börsennotierte Unternehmen aus 93 Ländern nach Umsatz- und Gewinnentwicklung, Verschuldung sowie Marktkapitalisierung analysiert und daraus einen „Restructuring Score“ errechnet. Der Handel liegt hier Mittelfeld – allerdings nur, weil Marktgrößen wie Amazon den Wert nach oben treiben.
Auch im B2B-Bereich liegt E-Commerce im Trend
Der Trend zum Online-Handel hatte sich schon vor Corona deutlich abgezeichnet. Die Pandemie wirkt jetzt wie ein Beschleuniger. Laut ibi research könnte der Anteil der Online-Umsätze im Einzelhandel bis zum Jahr 2026 auf 19 Prozent ansteigen. 2019 betrug er noch 11,2 Prozent. Auch im B2B-Bereich liegt E-Commerce im Trend. Und auch hier hat die Corona-Pandemie die Nutzung digitaler Vertriebswege laut ibi research weiter beschleunigt.
Dennoch: Nachholbedarf bei Online-Vertriebskanälen
Dem Online-Handel gehört demnach die Zukunft. Schätzungen der Nasdaq Inc. zufolge könnten bis 2040 sogar rund 95 Prozent aller Einkäufe online stattfinden. Groß- und Einzelhändler haben also gar keine andere Wahl, als ihr Geschäft ins World Wide Web zu verlagern. Allerdings müssen hier viele noch deutlich aufholen: Einer Kurzumfrage von ibi zufolge waren 40 Prozent der Handelsbetriebe in Deutschland vor Beginn der Corona-Krise rein stationär aufgestellt, besaßen also keinen Online-Vertriebskanal. Die Hälfte von ihnen will mit dem online-basierten Verkauf starten, davon 28 Prozent in Kürze.
Handelsverbundgruppen: Gemeinsam stark
Die Digitalisierung stellt Groß- und Einzelhändler aber auch vor Herausforderungen – etwa die Erfüllung der Datenschutzrichtlinien oder strukturelle Veränderungen wie die Automatisierung von Abrechnungsprozessen. Unterstützung finden sie bei Verbundgruppen wie Handels- und Fachhandelsverbünden oder Einkaufsgenossenschaften. Ursprünglich gegründet, damit kleine und mittelständische Händler oder Handwerker mit der Konkurrenz aus Großunternehmen und Filialisten mithalten können, helfen sie ihren Mitgliedern heute vor allem, auf den Trend zum Online-Handel und aktuell auch auf die Auswirkungen der Pandemie zu reagieren.
Unterstützung bei Digitalisierung und Automatisierung
So kämpfen in der Sportbranche große Verbünde wie Intersport und Sport 2000 mit einer Digital-Offensive gegen die Vorherrschaft von Amazon an und greifen ihren Mitgliedern bei der Kombination aus stationärem Geschäft und Online-basiertem Business unter die Arme. Im Elektronik-Bereich bündelt die Einkaufsgenossenschaft EURONICS mehr als 1600 Groß- und Einzelhändler unter ihrem Dach. Und im Industrie- und Werkstattbedarf unterstützen Verbundgruppen wie NORDWEST angeschlossene Fachhändler bei der Warenbeschaffung, Lagerhaltung und Logistik, aber auch in Marketing und IT sowie bei der digitalen Kommunikation mit Kunden und Partnern. Vor allem die Aufgaben rund um die Einführung digitaler und damit effizienterer Unternehmensabläufe – etwa die Automatisierung von Bestellwesen und Rechnungsstellung – kann ein einzelner Handelsbetrieb vielfach kaum aus eigener Kraft oder nur mit hohem Aufwand erbringen.
Integrierte und anpassbare Business-Lösungen
Verbundgruppen arbeiten bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten wie der Implementierung eines neuen ERP-Systems eng mit den Software-Herstellern zusammen, um die IT-Lösungen für ihre Mitgliedsbetriebe so passgenau wie möglich zu gestalten. Die Business-Software sollte daher um Einzelmodule und Partnerlösungen erweiterbar sein, sich aber auch nahtlos in die bestehende IT-Landschaft der Verbundgruppe integrieren lassen. Dadurch entfallen Systembrüche und die manuelle Pflege von Artikeln, Preisen oder Bestelldaten, was den Arbeitsaufwand minimiert und die Prozesseffizienz erhöht. Der Händler ist über eine gemeinsame IT-Infrastruktur Teil der Verbundgruppe, kann sich aber Kunden und Besuchern gegenüber als eigenständiges Unternehmen präsentieren. Der Endkunde kauft somit bei einem „bekannten Gesicht“.
EDI-Schnittstelle als Voraussetzung
Voraussetzung für die nahtlose Integration der Business-Software sind entsprechende APIs und hier vor allem die EDI-Schnittstelle (Electronic Data Interface). Sie ermöglicht den elektronischen Datenaustausch gemäß festgelegten Standards wie EDIFACT, ODETTE, VDA und XML-EDI, ohne dass die Daten vorher manuell erfasst werden müssen. Damit lassen sich alle Lieferscheine und Rechnungen automatisch in die Warenwirtschaft übernehmen. Wareneingänge werden direkt verbucht beziehungsweise vorgebucht. Rechnungen werden eingelesen und bei Stimmigkeit ebenfalls verbucht.
Automatisierte Prozesse
Solche automatisierten Abläufe minimieren die Fehlerquote, da die manuelle Prüfung der Buchungen entfällt. Und sie sparen wertvolle Zeit ein. Selbst wenn ein Kunde im Online-Shop ordert, ist der Aufwand auf Seiten des Anbieters geringer, da die Bestellung direkt bei der Verbundgruppe eingeht und vom Zentrallager versandt wird – im Namen und unter Verwendung der Corporate Identity des Händlers auf Lieferschein und Rechnung. Aufgrund der digitalisierten Prozesse können Aufträge zudem schneller bearbeitet werden und treffen oft schon am nächsten Tag beim Kunden ein.
Mehr Zeit für die Kunden
Handelsverbünde helfen ihren Mitgliedern, die Digitalisierung voranzutreiben, die erforderliche Verzahnung von Online- und stationärem Geschäft zu bewältigen und ihre Kunden stärker ins Zentrum zu rücken. Denn dank IT-gestützter, effizienter Prozesse können sie Bestellungen schneller abarbeiten und haben mehr Zeit, sich um ihre Kunden zu kümmern.