Unternehmensnachfolge

Nachfolger dürfen nicht mehr verschwendet werden – Über das Konzept einer Unternehmensnachfolge im Verbund

Das Konzept Unifive, die Nachfolge im Verbund, will die Nachfolge in Deutschland effektivieren. Hierbei übernimmt ein Nachfolger statt eines Unternehmens bis zu fünf Unternehmen, die er im Rahmen einer Holding weiterführt.

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Unternehmensnachfolgen in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen, die nach neuen Konzepten verlangen. So gibt es auf Grund des demographischen Wandels einerseits eine immer älter werdende Unternehmerschaft, andererseits immer weniger jüngere Nachfolger. Daneben ist unsere Gesellschaft durch einen Wertewandel geprägt, der stärker auf Work-Life-Balance als auf Arbeit als alleinigen Lebensinhalt setzt. Traditionen und die Verpflichtung gegenüber der Familie und dem Familienunternehmen werden zunehmend kritischer und rationaler befragt, so dass Nachfolgen in der Familie heute nicht mehr selbstverständlich sind. Ein Zinstief seit 2009 führte zwar zu einem leichteren Zugang zu Fremdkapital, andererseits verstärkte es die Tendenz bei Investoren, nach immer größeren Anlagemöglichkeiten zu suchen, zum Nachteil für Nachfolger von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).

Unternehmensnachfolge heißt in Deutschland vor allem Nachfolge in KMU, denn diese stellen rund 99,5 Prozent aller Wirtschaftsunternehmen dar und sichern mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze. Zu den obengenannten Herausforderungen kommen bei vielen noch die Digitale Transformation und Nachhaltigkeit als zukunftsweisende Themen hinzu. Doch viele der KMU sind oft einfach zu klein, um diese Themen umfassend angehen zu können. Entsprechend schlechter sind ihre Chancen, einen der raren Nachfolger abzubekommen.

Unifive – ein Konzept, das die Unternehmensnachfolge effektivieren will

Aus dieser Situation heraus hat Holger Wassermann mit seinem Team das Konzept Unifive entwickelt, die Unternehmensnachfolge im Verbund. Mit Unifive will man sich all den Herausforderungen stellen und die Unternehmensnachfolge in Deutschland nachhaltig verändern. Wassermann ist Professor an der FOM Hochschule und dort seit 2015 auch Wissenschaftlicher Leiter des KCE KompetenzCentrum Entrepreneurship & Mittelstand. Er ist aber nicht nur Theoretiker, sondern begleitet mit seiner Beratungsfirma INTAGUS auch aktiv Unternehmen in ihren Nachfolgeprozessen. Für diesen Artikel konnten wir mit Professor Wassermann dankenswerterweise ein längeres Interview führen.

Holger Wassermann

Holger Wassermann

„Wir haben einfach zu wenige Nachfolger und gleichzeitig viele kleine Betriebe, die für Geldgeber selten interessant sind. Und dann sind da viele Geldgeber, die nicht wissen, wie sie ihr Geld investieren sollen. Die wollten wir zusammenbringen.“ Das, so Holger Wassermann, war die Ausgangslage für das Konzept Unifive. Es verbindet im Namen Unify und Five, wobei Unify für das Zusammenbringen der Genannten steht. Und Five, das sind die fünf Herausforderungen der Unternehmensnachfolge, die fünf Akteure und die fünf Schritte einer sogenannten Verbundnachfolge.

Die fünf Herausforderungen der Unternehmensnachfolge

  • Demographischer Wandel
  • Wertewandel
  • Digitale Transformation
  • Nachhaltigkeit
  • Zinstief

Die fünf Akteure einer Unternehmensnachfolge im Verbund

  • Koordinator
  • Initiator
  • Nachfolger
  • Übergebender
  • Investor

Die fünf Akteure bei einer Nachfolge im Verbund

Bei Unifive gibt es neben den „drei klassischen Rollen der Nachfolge, kurzgesagt dem Alten, dem Neuen und dem Geldgeber“ zwei weitere Akteure, nämlich den Initiator und den Koordinator. Der Initiator setzt den Nachfolgeprozess in Gang, eine Rolle, „die bisher häufig übersehen wurde“. Diese Rolle kann einer der drei klassischen Akteure übernehmen: Ein Unternehmer plant seine Nachfolge, ein Nachfolger sucht ein Unternehmen oder ein Geldgeber ein Investment. Doch auch ein Bürgermeister, dessen Infrastruktur in Gefahr ist, weil mehrere Unternehmen im Ort keinen Nachfolger finden, kann diese Rolle einnehmen. Ebenso können Wirtschaftskammern oder regionale Verbände nach Nachfolgelösungen für „ihre“ Unternehmen suchen.

Als fünften Akteur sieht Wassermanns Konzept einen Koordinator vor, der „den ganzen Prozess steuern muss, die Leute zusammenbringt und die Verhandlungen moderiert“. Diese Rolle werden Nachfolgeberater wie INTAGUS und andere besetzen.

Wie eine Unternehmensnachfolge im Verbund funktionieren könnte

Die fünf Schritte einer Unternehmensnachfolge im Verbund

  1. Vorbereitung
  2. Anstoß
  3. Suche
  4. Transaktionen
  5. Realisation

Im Unifive-Konzept bereitet der Koordinator ein Verbundnachfolgeprojekt vor. Dazu gehört zum Beispiel die Gründung einer Holding-GmbH, die Erarbeitung der Satzung für die Holding sowie die Gründung von Vorratsgesellschaften, mit denen man später Einzelunternehmen in andere Rechtsformen umwandeln kann. Die Holding-Satzung enthält bereits wichtige Teilkonzepte zu Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, HR, Datenschutz, Marketing sowie Controlling und sogar konkrete Vorschläge für die entsprechenden Dienstleister, die für die übernommenen Unternehmen tätig werden sollen.

In einem zweiten Schritt stößt der Initiator den gesamten Prozess an. Das kann ein Unternehmer tun, der seine Nachfolge regeln möchte, aber auch ein Entrepreneur, der sich für eine Nachfolge interessiert. Der eigentliche Nachfolgeprozess beginnt, wenn der Initiator den Koordinator mit der Suche beauftragt: nach geeigneten Nachfolgeunternehmern und Investoren oder aber nach Unternehmen und Geldgebern. Für Investoren ist es von großem Vorteil, statt angestellter Geschäftsführer engagierte Entrepreneure mit der Führung eines Unifive-Verbundes zu beauftragen. Das finanzielle Engagement eines Investors wird daher teilweise auch in dem Vorschuss oder sogar dem Geschenk von Eigenkapital für den Nachfolger bestehen.

Im dritten Schritt begibt sich der Koordinator auf die Suche, spricht interessierte Unternehmer, Nachfolger und Investoren an. Er organisiert die Kontaktaufnahme und moderiert die Gespräche. Hat er beispielsweise geeignete Investoren und Nachfolger gefunden, veräußert er die vorab gegründete Holding ganz oder teilweise an den Nachfolger und/oder den Investor.

Der vierte Schritt beinhaltet den Erwerb von passenden Unternehmen für die Holding durch Investor und Nachfolger. Sie wurden durch den Koordinator vorausgewählt. Er führt auch die konkreten Verhandlungen und kümmert sich um die Gestaltung von Verträgen und Vereinbarungen.

Hat sich der Nachfolger für zu ihm passende Unternehmen entschieden, will ihn das Konzept Unifive bei den M&A-spezifischen Schritten wie Kaufpreisfindung, Verhandlungen und Vertragsgestaltung entlasten. Er soll sich sofort nach Erwerb der ersten Firma für seine Holding mit den wesentlichen unternehmerischen Dingen beschäftigen. Er kann und soll sich „von Anfang an damit beschäftigen, wie er seine Unternehmensgruppe weiterentwickelt“. Er soll seine ganze Zeit und Kraft seinen Mitarbeitern und Kunden, neuen Produkten und Ideen widmen.

Die Vorteile einer Unternehmensnachfolge im Verbund

„Wir können es uns eigentlich nicht mehr leisten, die Menschen, die Unternehmer werden wollen, nur Firmen mit fünf oder zehn Arbeitsplätzen übernehmen zu lassen.“ So das Credo von Holger Wassermann, der in der Bündelung von kleinen, zur Nachfolge anstehenden Unternehmen in einer Unternehmensgruppe eine konkrete und realisierbare Lösung vieler Probleme der Unternehmensnachfolge sieht. Für die Beteiligten gibt es zahlreiche Vorteile.

Unternehmer, auch Inhaber von kleineren Unternehmen, können auf diese Weise ihr Lebenswerk sichern. Wenn sie selbst den Prozess initiieren und den Koordinator beauftragen, Nachfolger und Investor zu suchen, zahlen sie einen überschaubaren Einmalbetrag. Die weiteren Kosten übernimmt dann der Investor. Werden sie vom Koordinator angefragt, bleibt das Ganze für sie völlig kostenfrei. Kein unwichtiger Punkt, weil viele kleinere Unternehmer, so Holger Wassermann, ihre Nachfolge spät oder gar nicht angehen, da sie die Kosten abschrecken.

Weil die Unternehmen in der neuen Unternehmensgruppe bestehen bleiben und als eigenständige Einheiten fortgeführt werden können, „fühlt es sich für die Übergebenden wie eine eigenständige Nachfolge an“, obwohl sie sich den Nachfolger mit anderen „teilen müssen“. Altunternehmer können, wenn sie das möchten, in einem Beirat den Jungunternehmer noch für einen bestimmten Zeitraum beraten. Das ist grundsätzlich erwünscht und erleichtert dem Übergebenden außerdem die Ablösung.

Nachfolger profitieren von einem solchen Konzept ebenfalls mehrfach. Auch für sie ist der Prozess völlig kostenfrei, wenn sie anfänglich nicht als Initiator agieren. Selbst in diesem Fall sind die Kosten wie gesagt überschaubar. Dafür muss sich der Nachfolger weder um die Suche nach passenden Unternehmen und einen Investor kümmern noch um Fragen wie Unternehmensbewertung oder Kaufpreisfindung. Die Verhandlungen und die Gestaltung von Verträgen und Vereinbarungen fallen gleichfalls nicht in sein Ressort, sondern in das des Koordinators.

Stattdessen erhält er ein ganzes Paket an Unterstützungsmaßnahmen, von der Finanzierung, über eine vorbereitete Gesellschaftsform bis hin zu den einzelnen Konzepten für Nachhaltigkeit, Digitalisierung, HR, Datenschutz und Marketing. So kann er sich auf die Übernahme und Geschäftsführung seiner neuen Unternehmensgruppe konzentrieren.

Für Investoren ist eine Unternehmensnachfolge im Verbund gleichfalls mit zahlreichen Vorteilen verbunden. Sie werden nicht nur mit zu ihnen passenden Nachfolgekandidaten zusammengeführt, sondern das Kennenlernen wird vom Koordinator zudem professionell moderiert. Ist eine gemeinsame Vorgehensweise beschlossen, gehen Investor und Nachfolger in spe dann „auf Einkaufstour“. Auch die Gesellschaftsform ist bereits vorgegründet. So kann er sein Geld in ein umfassend vorbereitetes neues Unternehmen investieren, dessen Einzelunternehmen wirtschaftlich genau geprüft wurden und das auch von der Größe für ein Investment interessant ist. Durch die Holdingstruktur gibt es viele Synergieeffekte bei Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Eine übergeordnete HR und gemeinsames Marketing und Controlling zahlen ebenfalls auf die Zukunftsfähigkeit der Einzelunternehmen und damit der Holding insgesamt ein.

 

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