Unternehmensnachfolge

Sind Sie fit für die Unternehmensübernahme?

Ein gewachsenes Unternehmen zu übernehmen, bietet viele Chancen, aber natürlich auch Herausforderungen. Im Interview verrät die stellvertretende Geschäftsführerin der Handelskammer Hamburg und Leiterin des Gründungszentrums, Doreen Hotze, worauf junge Nachfolger achten sollten, bevor sie unterschreiben.

#SageNachfolgerPlaner: Alle sprechen immer von Startups, Frau Hotze, welche Vorteile hat es, ein bestehendes Unternehmen und laufendes Geschäftskonzept zu übernehmen, anstatt bei null anzufangen?

Doreen Hotze_#SageNachFolgePlaner_Fit für die UnternehmensübergabeDoreen Hotze: Die Übernahme hat den Vorteil, dass es ein bestehendes Produkt in einem bestehenden Markt gibt mit einer gewissen Marktposition. Sie haben Kunden und Aufträge, aber auch Lieferanten, einen Mitarbeiterstamm. Die Nachteile ergeben sich ebenfalls daraus: Sie müssen sich überlegen, ob das bestehende Produktsortiment noch zukunftsfähig ist, möglicherweise bedarf es einer Überarbeitung beziehungsweise Anpassung an die aktuelle Marktsituation.

Oha, was mache ich dann?

Sich mit dem Markt, den Kunden und den Mitbewerbern auseinandersetzen und gegebenenfalls Verbesserungen identifizieren oder einfach neue Ideen einbringen. Auch gibt es möglicherweise Investitionsstaus oder der Markt bricht weg oder die Kunden. Besonders, wenn bestehende Geschäftsbeziehungen eventuell stark an den früheren Inhaber gebunden sind. Wenn dann jemand Neues kommt, könnte dies möglicherweise zu Herausforderungen führen. In einem bestehenden, vielleicht schon 30 Jahre existierendem Unternehmen gibt es feste Strukturen und dann kommen Sie mit Ihrem jungen dynamischen Spirit, und wollen etwas verändern. Da denken erstmal viele: „Was will der denn jetzt?“ Also dauert es seine Zeit, um das Vertrauen zu gewinnen. Das heißt, Sie müssen in das Netzwerk des alten Unternehmers investieren oder eine gemeinsame Übergangszeit vereinbaren.

Was muss ich für Skills mitbringen, um mit so einer Change-Situation umzugehen?

Die gleichen wie bei einer Neugründung. Das sind zum einen Mut und Kreativität, und die Lust, sich mit diesen vielen Dingen zu beschäftigen. Auf einmal übernehmen Sie eine große Verantwortung für viele Mitarbeiter. Das können Sie bei einer Übernahme nicht langsam aufbauen, sondern werden direkt ins kalte Wasser geworfen. Sie müssen also in der Lage sein, das Risiko zu übernehmen und die Mitarbeiter, die Kunden, den Markt von Ihnen zu überzeugen und davon, dass Sie das Unternehmen mit der gleichen Leidenschaft und Energie weiterführen werden. Man braucht Durchhaltevermögen, Risikobereitschaft und eine visionäre Denkweise, um das Unternehmen nach vorne zu bringen und nachhaltig weiterzuentwickeln.

Wie erkenne ich, ob ich den Führungsaufgaben gewachsen bin?

Als Unternehmer brauchen Sie gewisse Führungs-, Sozial- und Vernetzungskompetenzen. Führungskompetenz bedeutet, dass man Risiken einschätzt und die Kommunikation mit den Mitarbeitern insofern beherrscht, dass sie sich abgeholt und nicht mitgeschoben fühlen. Sie müssen wissen, wo die persönlichen Skills oder Stärken der Mitarbeiter liegen, um diese für das Unternehmen am sinnvollsten einzusetzen. So haben beide Seiten Lust und Spaß an der Arbeit und es kommt ein gutes Ergebnis dabei rum.

In der Sozialkompetenz ist Kommunikation am wichtigsten, aber auch die Fähigkeit, die Menschen auf eine respektvolle Art und Weise zu motivieren und zu überzeugen, ohne dass man sie überrennt – Respekt und Empathie gegenüber jedem ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Wenn man sich zum Beispiel ein Unternehmen mit einem Seniorinhaber vorstellt, dessen Mitarbeiter teilweise schon 20 oder 30 Jahre in der Firma sind und dann kommt jemand neues, dann muss dieser jemand schon Überzeugungskraft leisten, damit die Menschen auch gerne weiterhin bleiben und nicht einfach noch bis zu ihrer Rente „abwarten“. Diese Dinge muss man bedenken, je nachdem wie die Personal- und die interne Struktur ist, wie viel näher der Vorgänger war und wie stark er die Mitarbeiter mitgenommen und bei Entscheidungen eingebunden hat. Vernetzungskompetenz bedeutet wie oben erläutert, sich in das gewachsene Netzwerk einzuleben und es weiterzuführen und zu bereichern.

Welche Key Indikatoren würden Sie abprüfen vor der Vertragsunterzeichnung?

Im Unternehmen müssen Sie als Abnehmer den Ist-Zustand prüfen: Gibt es Verträge, Patente, Lasten, Gewährleistungspflichten, Eigentumsvorbehalte, Garantien, steuerliche Verpflichtungen, für die Sie haften? – Da gibt es also eine Bandbreite an Themen, mit denen man sich intensiv beschäftigen muss. Die Handelskammer bietet eine umfangreiche Checkliste zu allen Themen, wie Personalstruktur, Innovationskraft, innere Beziehungen, Standort, Attraktivität des Produktportfolios, Ertragslage usw.

Was die eigene Persönlichkeit betrifft: Wer Unternehmer sein will, sollte ein Stück weit selbst in der Lage sein, festzustellen, wo seine Schwachstellen sind, das reflektiert wahrnehmen und entsprechend umsetzen. Die einzige Bedingung ist quasi, dass Sie auch wirklich Unternehmer sein wollen. Je nachdem, was für ein Unternehmen Sie übernehmen, kommt das Geld ja auch nicht von allein, sondern Sie müssen ein bisschen was dafür tun. Wer dieses Risiko nicht eingehen will und die Sicherheit auf ein festes Gehalt und 30 Urlaubstage bevorzugt, sollte lieber Angestellter bleiben.

Wer kann mich bei der Entscheidung zur Übernahme unterstützen?

Im ersten Step sollte man eigenständig denken und die umfangreiche Checkliste durchgehen: Was ist für mich wichtig? Muss ich es klären und wenn ja, mit wem? Da gibt es die verschiedensten Themen und somit auch Adressaten. Manches muss man mit sich selbst ausmachen, recherchieren oder das Netzwerk befragen. Viele Dinge kann ein Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer machen, der die Bilanz, das Potenzial und die Entwicklung des Unternehmens in den letzten Jahren einschätzen kann. Beim Thema Verträge kann ich mich an einen Rechtsanwalt wenden. Die entstehenden Kosten müssen natürlich Sie als Nachfolger tragen. Auf www.gruendungswerkstatt-deutschland.de können Sie einen interaktiven Businessplan erstellen und diesen auch kollaborativ, beispielsweise zusammen mit einem Steuerberater, bearbeiten. Außerdem kann man subventionierte Beratungsleistungen in Anspruch nehmen, z.B. das BAFA-Programm „Förderung unternehmerischen Know-Hows“.

Welches Wissen und Know-how brauche ich, um ein bestehendes Unternehmen zu leiten?

Definitiv brauchen Sie eine kaufmännische Allgemeinbildung. Auch wenn man meint, das macht der Steuerberater, bringt es nichts, wenn ich das lese und nicht verstehe. Man sollte aus meiner Sicht auch ein entsprechendes markt- und branchenspezifisches Wissen und berufliche Erfahrungen mitbringen. Sonst wird man vom Kunden nicht als Fachmann wahrgenommen. Entsprechend wäre auch schon ein bestehendes Netzwerk sinnvoll.

Ist es ein No-Go, wenn ich eine dieser Qualifikationen nicht habe?

Aus meiner Sicht gibt es nichts, was man unbedingt haben muss. Jeder kann alles lernen, wenn er will.

Wie komme ich mir selbst auf die Schliche, wenn mir unklar ist, wo ich Lücken habe?

Ich würde empfehlen, mit anderen Unternehmern zu sprechen, am besten auf Netzwerkveranstaltungen oder Branchentreffen. Also einfach in den Austausch treten mit Menschen, die mich vielleicht auch kennen und die sich in der Branche auskennen. Es gibt in vielen Städten auch Mentoring-Programme, bei denen man sich einen Sparringspartner oder Coach zur Seite nimmt, der hilft, Kompetenzen und Strukturen aufzubauen. Der erste Schritt ist aber, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Wenn man ein gutes Verhältnis zum Seniorunternehmer hat, wird dieser einem das vielleicht auch sagen. Solche Beziehungen sind wichtig, um eigene Lücken im Know-how aufzudecken.

Top oder Flop? In unserem Entscheidungsbaum erfahren Sie auf einen Blick, welche Qualifikationen und Skills Sie für eine erfolgreiche Unternehmensübernahme benötigen. Hier geht’s zum Entscheidungsbaum:

#SageNachfolgeplaner_Fit fuer die Unternehmenuebergabe

*Foto Credit: Rieka Anscheit