Unternehmensnachfolge

Teil 2 | Sind Unternehmensnachfolgen nachhaltiger als Neugründungen?

Nachhaltigkeit: Unternehmensnachfolge vs. Gründung. Nachfolgen sind ressourcenschonend und wichtig für den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Regionen.

Unternehmensnachfolge Nachhaltigkeit

Im ersten Teil habe ich die Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland für Wirtschaft und Gesellschaft beschrieben und den Begriff der Nachhaltigkeit eingeführt. Nun möchte ich einige Aspekte der Nachhaltigkeit in Bezug auf Unternehmensnachfolgen genauer betrachten.

Unternehmensnachfolgen sind ökonomisch nachhaltig

Den 260.000 Unternehmen, die in den kommenden zwei Jahren einen Nachfolger suchen, stehen schon seit längerem maximal 70.000 an Nachfolge interessierte Existenzgründer pro Jahr gegenüber. Viele Unternehmer werden also weiterarbeiten und länger auf einen Nachfolger warten müssen – oder ihr Unternehmen ganz schließen: Während im Jahr 2020 33 Prozent der KMU eine Nachfolge ins Auge gefasst hatten, planten laut KfW immerhin 12 Prozent der Unternehmer eine definitive Stilllegung und 4 Prozent erwogen sie als ernsthafte Option. Die ökonomischen Folgen sind fatal, einerseits für den Unternehmer, der sein Lebenswerk aufgeben muss und dabei seine bisher wesentlichste Ertrags- und Vermögensquelle verliert, andererseits mit Blick auf zerstörte Ressourcen was Betriebsausstattung, Maschinen- und Fahrzeugpark sowie andere Güter betrifft.

Auf der anderen Seite gehen auch bei Neugründungen Ressourcen verloren. Laut dem KfW-Gründungsmonitor geben fast ein Drittel der Gründer in den ersten drei Jahren wieder auf. Bei denen, die mehr als 25.000 Euro investieren, sind es immerhin noch 14 Prozent. Fünf Jahre später existiert nur noch gut die Hälfte der neu gegründeten Unternehmen.

Übernahmegründungen haben dagegen eine sehr viel bessere Überlebensrate, wie eine Evaluierung des Programms „ERP-Kapital für Gründung“ von 2018 aufgezeigt hat.

Unternehmensnachfolgen sind sozial nachhaltig

Abgebrochene Neugründungen, selbst wenn viele von ihnen als Sologründungen starten, vernichten neben wirtschaftlichen Ressourcen dennoch Arbeitsplätze, die der gescheiterten Gründer und ihrer Mitarbeiter. Leider gibt es keine Erhebungen darüber, wie viele zum Beispiel von den 2019 durch Neugründer geschaffenen 454.000 Arbeitsplätzen bisher wieder verloren gegangen sind.

Arbeitsplätze werden auch bei etlichen jener Unternehmen verlorengehen, in denen in den kommenden zwei Jahren die Nachfolge ansteht, die jedoch keinen Nachfolger finden und deshalb von ihren Eigentümern geschlossen werden. Sicher finden viele der Mitarbeiter bedingt durch den Fachkräftemangel schneller als früher eine neue Anstellung, doch nur selten in der Region.

Unternehmensnachfolgen sind regional nachhaltig

Ein grundlegendes Problem unserer Zeit ist die Urbanisierung und die damit einhergehende Abwanderung der jüngeren Bevölkerung in die Großstädte und Ballungsräume. Gescheiterte Nachfolgen und stillgelegte Unternehmen verstärken diese Entwicklungen, denn deren Mitarbeiter finden selten am Ort eine entsprechende neue Arbeit.  Doch Folgen gibt es auch für das soziale und kulturelle Leben in der Region.

Viele kleine und mittlere Unternehmen sind stark auf die sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Ressourcen ihres regionalen Umfelds bezogen. Eine Entwicklung, die gegenläufig zur Globalisierung immer wichtiger geworden ist, denn es stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Nähe, Vertrauen, Identität und Nachhaltigkeit.

Statt auf austauschbare und beliebige globale Marken sowie unübersichtliche, weltweit verfügbare Angebote setzen diese Unternehmen auf die Bedürfnisse der Kunden in der Region und unterstützen nachhaltige Produktions- und Vermarktungsprozesse. Diese Angebote fehlen, wenn Nachfolge in den Regionen nicht gelingt.

Fazit: Neugründungen, als Start-ups sehr oft im urbanen Flair angesiedelt, können Leerstellen durch stillgelegte Unternehmen in den Regionen nur bedingt wieder auffüllen. Oft über Generationen erarbeitete ökonomische und soziale Ressourcen wandern ab oder gehen verloren, wenn Unternehmen keinen Nachfolger finden.  Dabei könnten viele Gründer mit eher traditionellen Geschäftsideen diese sehr gut als Nachfolger umsetzen und sich damit eine selbstständige und zukunftsreiche Existenz aufbauen. Hier muss also noch viel Wissen vermittelt werden, damit die Übernahme eines Unternehmens einmal genauso im Trend sein wird wie heutzutage die Gründung eines Start-ups.

Lesen Sie hier mehr zur aktuellen Nachfolge-Situation in Deutschland: Unternehmensnachfolge 2021: Entwicklungen und Trends