Unternehmensnachfolge

Warum Digitalisierung und Nachfolge die richtige Antwort auf mangelnde Innovationskultur ist

Im letzten Jahr gab es eine besorgniserregende Entwicklung im deutschen Mittelstand: Insgesamt hat sich der Anteil innovativer Mittelständler gegenüber dem Höchststand in den Jahren 2004 und 2006 mehr als halbiert und ist um 125.000 auf rund 725.000 Unternehmen gesunken. Als wäre diese Zahl nicht verwunderlich genug, alarmiert erst recht einer der genannten Gründe für diese Entwicklung:

Im letzten Jahr gab es eine besorgniserregende Entwicklung im deutschen Mittelstand: Insgesamt hat sich der Anteil innovativer Mittelständler gegenüber dem Höchststand in den Jahren 2004 und 2006 mehr als halbiert und ist um 125.000 auf rund 725.000 Unternehmen gesunken. Als wäre diese Zahl nicht verwunderlich genug, alarmiert erst recht einer der genannten Gründe für diese Entwicklung: Neben der Konjunktur-Eintrübung soll die Konzentration der Mittelständler auf die Durchführung von Digitalisierungsmaßnahmen dazu geführt haben, dass weniger Unternehmen sich auf eine ihrer weltweit geschätzten Stärken, die Produktinnovation, konzentriert haben.

Innovation heißt Zukunftssicherung

Viele deutsche Mittelständler sind nicht sehr bekannt, aber Weltmarktführer, so genannte „Hidden Champions“. Innovation ist ein Eckpfeiler dieses Erfolgs und des weltweit guten Rufs, auf dem sich die Unternehmen jedoch nicht lange ausruhen können. „’Made in Germany‘ könnte sich vom Verkaufsschlager in einen Ladenhüter verwandeln. Zu viele Unternehmen stolpern in die Zukunft, anstatt mit einer offenen Innovationskultur voranzugehen“, sagt Armando Garcia Schmidt, Wirtschaftsexperte und Studienleiter der Bertelsmann Stiftung in der Studie „Tradition statt Disruption: Deutsche Unternehmen investieren nicht genug in die Zukunft“ der Bertelsmann Stiftung. Laut der Studie sind nur 25 Prozent der deutschen Unternehmen so genannte „Technologieführer“, der Rest ordnet sich bei „Passive Umsetzer“ oder „Unternehmen ohne Innovationsfokus“ ein.

Die Sorge ist nicht unbegründet. Innovation sichert das Unternehmen, damit es nicht von der Konkurrenz überholt wird, sie eröffnet neue Absatzpotenziale, verbessert Einsatz von Ressourcen und treibt so das Wachstum sowie die Produktivität wesentlich nach vorne. Das belegt das Resümee der Bertelsmann-Studie: Je innovativer ein Unternehmen, desto größer ist der wirtschaftliche Erfolg und desto dynamischer wachsen die Mitarbeiterzahlen. Und so wie sich in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage gerade Vorreiter in der Digitalisierung als krisensicher erweisen, weil ihr Business unverändert oder nur mit wenigen Abstrichen weiterlaufen kann, ist Innovation ebenfalls eine Versicherung, nicht abgehängt zu werden. Innovation bedeutet nicht experimentieren, sondern Flexibilität und Stabilität.

Erfindergeist mit Traditionsbewusstsein in Deutschland

Deutschland ist weltweit für seine Ingenieurskunst und als Land der Erfinder bekannt. Noch, denn die Frage nach der letzten großen Innovation aus Deutschland beantwortet Rafael Laguna de la Vera, der im Auftrag der Deutschen Regierung eine Bundesagentur für Sprunginnovationen aufbaut, knapp gegenüber dem Spiegel mit: „Das Auto“. Ob das Auto oder das ebenfalls in Deutschland erfundene Kompressionsformat MP3: In beiden Fällen ist die Erfindung nicht nur betagt, es lassen sich die Innovatoren aus Deutschland inzwischen international den Schneid abkaufen – Stichwort Tesla bei der E-Mobilität oder Spotify bei der Wertschöpfung mit digitaler Musik.

Eine Tugend des Mittelstands ist die Besinnung auf die gewachsene Firmenkultur, Tradition und oft Verwurzelung in einer Region. Mittelständler sind oft Firmeneigner und Geschäftsführer zugleich, viele Unternehmen sind im Familienbetrieb entstanden und arbeiten traditionell mit schlanker, gewachsener Belegschaft. Da ist es verständlich, dass Mittelständler – vor allem die kleinen und mittelgroßen – nicht im ausufernden Stil eines Weltkonzerns in Forschung und Entwicklung investieren können. Und es ist auch nachvollziehbar, dass kleine Unternehmen nicht über die IT-Abteilungen der großen Firmen verfügen.

Es fehlt die Innovationskultur

Tatsächlich fehlt es laut der Bertelsmann-Stiftung gerade in kleinen und mittleren (KMU) häufig an Innovationskultur, die Technologie-Führer kommen hingegen häufig aus den Großstädten. Die Besinnung auf ausgetretene Pfade oder die Belastung der IT mit der Digitalisierung als Ausrede für fehlende Innovationsbereitschaft sei aber laut der Studie genau der falsche Rückschluss und der falsche Lösungsansatz, vor dem sogar gewarnt werden muss. „Unsere Studie zeigt, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen gezielt in ihre Innovationsfähigkeit und die digitale Transformation investieren müssen. Bleibt dies aus, könnten hunderte Unternehmen und tausende Arbeitnehmer ins Abseits rutschen, wenn sich die Wettbewerbsbedingungen durch fortschreitende Digitalisierung und neue Wettbewerber verändern“, so Armando Garcia Schmidt.

Digitalisierung und Nachfolge als Chance

Digitalisierung wird in vielen Köpfen mit Disruption, großen IT-Projekten und unternehmensweiter Veränderung gleichgesetzt. Aus Angst vor Veränderung wird die Digitalisierung dann oft nur halbherzig oder in einem wenig riskanten Pilotprojekt getestet. Tatsächlich kann Digitalisierung, richtig angegangen und umgesetzt, entlasten, anstatt zum Beispiel Mitarbeiter der IT-Abteilung zu belasten und sich in vielen Vorteilen wie mehr Umsatz bezahlt machen. Wichtig ist dabei aber der Start im Kerngeschäft – oder wichtigstem Produkt. „Die Digitalisierung leistet einen eigenen Wertschöpfungsbeitrag und sollte deshalb in die Unternehmensstrategie mittelständischer Unternehmen eingebettet sein“, schreibt Deloitte in seiner Studie „Digitalisierung im Mittelstand“.

Innovationskultur fängt aber im Kopf an – und hier kann die Unternehmensnachfolge helfen, wenn zum Beispiel mit einem Nachfolger ein „digital denkender“ Geschäftsführer ins Unternehmen kommt, der die Transformation strategisch richtig angeht – aber dennoch die Tradition und das Kerngeschäft des Unternehmens versteht und digital verbessern will:

  • Digitalisierung kann im Kerngeschäft Prozesse verschlanken und effizienter werden lassen. Wenn sich die Abteilungen Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb zum Beispiel per Cloud-Software oder Messenger besser austauschen kann und enger zusammenrückt, werden viele zeitaufwändige Abläufe direkter, schneller und besser.
  • Die IT kann die Digitalisierung nutzen, um sich von Altlasten wie über Jahrzehnte in verschiedenen Abteilungen und teils Eigenentwicklung gewachsene Systeme trennen – oft ein Gewinn in Sachen Effizienz und eine große Modernisierung. Komplexe Eigenentwicklungen lassen sich in vielen Fällen durch gebrauchsfertige Cloud-Software ablösen, die vieles besser und schneller können. Veraltete Webauftritte, Shops, Intranets werden schneller und besser pflegbar, stabiler und sicherer. Server im Unternehmen können abgeschaltet und an Rechenzentren ausgelagert werden, die sich um Sicherheitsupdates und die Infrastruktur kümmern.
  • Mit aufeinander abgestimmten Systemen läuft der Austausch zwischen den Abteilungen dann besser als zuvor. Künstliche Intelligenz springt bei vielen Lösungen als Helfer ein und hilft zum Beispiel Kundendaten tiefer und schneller zu analysieren. Marketing und Vertrieb können besser mit Kunden kommunizieren oder neue Kunden finden.

Schrittweise Richtung mehr Innovation

Mit der richtigen Strategie ist Umsetzung der Digitalisierung nicht so radikal oder riskant, wie viele Mittelständler fürchten. Sie kann an einer Stelle im Unternehmen, mit ein paar Mitarbeitern und dem Umbau einiger, weniger Prozesse beginnen und dann nach und nach ausgebaut werden. So praktizieren es die meisten Unternehmen: „Mehr als zwei Drittel der deutschen Führungskräfte beschreiben den Digitalisierungsprozess in ihrem Unternehmen eher als inkrementell, also durch aufeinanderfolgende Schritte geprägt. Weniger als ein Drittel spricht von Disruption, also der schlagartigen Abkehr von bisherigen Geschäftsmodellen oder Produkten, um mit dem „next big thing“ richtig abzuräumen“, zeigte eine Befragung der HypoVereinsbank.

Diese Strategie passt zur Stärke „Tradition“ des Mittelstandes, der sich und seine Produkte und Dienstleistungen oft seit Jahrzehnten immer wieder schrittweise verbessert. Bei der Umsetzung kommt es auf die richtige Technologie und Software an: Sie soll Freiräume schaffen, statt zu belasten, das Tagesgeschäft verschlanken und schneller machen, statt neue Probleme zu schaffen. So wird die Digitalisierung zum Innovations-Förderer statt zum Hemmschuh, weil mehr Ressourcen wie Zeit und Budget für die Innovation frei werden, Abteilungen zusammenrücken und Produkte verbessert werden – und letztlich Wachstum durch neue Produktideen oder bisher ungenutzte Marktchancen möglich wird. Und dabei gilt: Je kleiner das Unternehmen, desto deutlicher fallen die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf, da auch mit kleinen Teams mehr erreicht werden kann.