7 Tipps für kleine und mittlere Unternehmen in Sachen Rechtsberatung
[Gastbeitrag von Stefan Hermle] „Wenn da mal was ist, frag‘ ich Dr. Mustermann, den kenn‘ ich schon ewig. Außerdem ist bisher bei uns noch nichts angebrannt. Ich kenne mein Geschäft und die Branche seit Jahrzehnten.“ Zugegeben, diese Position ist nicht repräsentativ für den deutschen Mittelstand. Und ein ordentlicher Kaufmann, wie ihn das Handelsgesetzbuch kennt, erkennt viele Probleme und handelt entsprechend verantwortungsvoll. Jedoch ist die regelmäßige Zusammenarbeit mit einem Anwalt, entweder im Unternehmen oder in einer Kanzlei, auch für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU), häufig eine echte Herausforderung. Dabei spielen nicht nur die immer wieder diskutierten Kosten eine Rolle. Auch die Kommunikation zwischen den KMU und den Rechtsberatern stellt häufig eine Herausforderung dar.
Stefan Hermle, Rechtsanwalt aus Heidelberg und seit 1998 in verschiedenen Positionen als Firmenjurist, Chefsyndikus, Prokurist, Handlungsbevollmächtigter und Mitglied der Geschäftsleitung in diversen Unternehmen tätig, gibt sieben Tipps, worauf mittelständische Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten achten sollten.
1. Nicht erst wenn’s brennt juristischen Rat suchen
Eigentlich braucht man einen Juristen ja nur, wenn es irgendwo brennt. Liegt eine Klageschrift vor, so ist der Jurist schnell Gesprächspartner. Im Ergebnis kann diese Situation aber kostenintensiver sein, als eine kontinuierliche Zusammenarbeit. Denn wenn Dr. Mustermann dringend gebraucht wird, dann ist seine Neigung, das günstig zu machen, eher gering. Kanzleien sind, vor allem bei komplexen Sachverhalten und Rechtsgebieten nicht unbedingt bereit in Kostenverhandlungen einzutreten. Sinnvoller kann es daher sein, eine Kanzlei des Vertrauens auszuwählen, mit der eine langfristige Zusammenarbeit eingegangen wird. Hierbei sollten nicht große Namen eine Rolle spielen, sondern das Verständnis für das eigene Geschäft, die Verfügbarkeit (auch am Freitag um 18.30 Uhr) etc. Ganz entscheidend ist: Verstehen Sie was Ihnen der Jurist als Rat gibt, können Sie diesen als Grundlage Ihrer Entscheidung nutzen? Gibt er Ihnen sogar einen Entscheidungsvorschlag mit?
2. Achten Sie bei der Rechnung auf Scheinkosten
Viele Anwälte werben mit besonderen Kenntnissen, etwa der Fachanwaltschaft. Sicherlich wird man dann erwarten dürfen, dass diese Expertise auch verfügbar ist. Wenn allerdings ein Experte für ein bestimmtes Rechtsgebiet in der Kostennote neben seiner Arbeit noch einige Stunden für Recherche des Kanzleikollegen abrechnet, wird man sicherlich nachfragen müssen, warum er auf seinem Spezialgebiet so viel noch nachschlagen muss. Entweder ist er auf seinem Gebiet doch nicht Experte oder er arbeitet hier nicht oft genug, um die erforderliche Erfahrung für Ihr Geschäft zu haben. Die Rechercheposition auf der Kostennote sollte also hinterfragt werden.
3. Groß ist oft nicht besser
Große Kanzleien haben oft sehr hohe Stundensätze, warum? Häufig muss ein teurer Personalapparat, Kosten für ein repräsentatives Gebäude etc. bezahlt werden. Meine Erfahrung zeigt, dass sogenannte Boutiquen mit etwa 10 – 20 Anwälten mit Spezialisierungen auf bestimmte Rechtsgebiete deutlich geringere Sätze verlangen. Stundenhonorare unter 300 Euro oder geringer sind keine Seltenheit. Manche Anwälte, die auch Erfahrung in Rechtsabteilungen von Unternehmen gemacht haben, kennen von dort die Kosten für Firmenanwälte. Sie berechnen also die Kosten pro Stunde, die ein solcher Anwalt das Unternehmen für Gehalt und Sozialabgaben kostet. Sie orientieren danach ihre Stundensätze, liegen teilweise unter 200 Euro. Dadurch sind sie aus Kostensicht für viele kleine und mittelständische Unternehmen eine wirkliche Alternative zum Aufbau einer eigenen Rechtsabteilung. Und durch eine dauerhafte Zusammenarbeit mit den Unternehmen wird auch die Kanzlei zum Gewinner dieser Preispolitik.
In den meisten Bereichen des Unternehmens werden Kennzahlen und Kosten für die Rechtsberatung (intern als auch durch Kanzleien) in Beziehung zu Firmenumsatz und Gesamtausgaben gesetzt. Zwei Drittel aller US-Rechtsabteilungen tun das, in Deutschland ist das immer noch unüblich (JUVE Rechtsmarkt, 05/13, Seite 50). Warum eigentlich?
4. Vertragsrechtswissen auch im Vertrieb und Einkauf nutzen
Suchen Unternehmen einen Juristen, so wird häufig nach Kenntnissen im Vertragsrecht gefragt. In der Tat ist der Entwurf, die Überprüfung und Verhandlung von Verträgen eine Haupttätigkeit von Juristen. Dieser kann aber auch die bestehenden Verträge nach Risiken durchforsten, diese aufzeigen und Lösungen entwickeln, wie diese in künftigen Verhandlungen vermieden werden. Häufiges Gegenargument ist hier, dass man gegenüber stärkeren Partnern oder Lieferanten die eigenen Vertragsvorschläge nicht durchsetzen kann. Erfahrungsgemäß hat ein guter Vertragsjurist ein breites Argumentationspotential, um solche Situationen günstig für das Unternehmen zu lösen. Er kann die Verhandlungsergebnisse aber auch in einer Datenbank zusammenfassen, um sie etwa den Vertriebs- oder Einkaufsmitarbeitern für ihre Verhandlungen nutzbar zu machen. In den USA sehen 64% aller Rechtsabteilungen, dass dies die Effizienz ihrer Teams steigert und stellen IT-Spezialisten hierfür zur Verfügung. Und noch ein Hinweis: Viel wichtiger für das Unternehmen ist natürlich die Erfahrung mit gefährlichen Verträgen, die ein nicht juristisch geschulter Kaufmann nicht erkennt.
5. Nutzen Sie juristisches Wissen auch zu Ihrem Schutz: z.B. bei Compliance Themen
Im Vertrieb ist die Auswahl der richtigen juristischen Beratung unter Umständen existenzrelevant. Kleine und mittlere Unternehmen sind darauf angewiesen, ihre Vertriebsorganisation schlank zu halten und auf Handelsvertreter in den von ihnen zu bearbeitenden Märkten zu setzen. Gerade auch KMU, die sich auf eine „ausgelagerte Vertriebsabteilung“ verlassen, müssen sicherstellen, dass diese Vertriebspartner „sauber“, d. h. compliant arbeiten. US-, englische, aber auch deutsche Gesetze sehen drastische Strafen vor. Existenzbedrohend wirken dabei insbesondere die Abschöpfungsregelungen, welche alle wirtschaftlichen Vorteile, die ein Unternehmen durch einen Rechtsverstoß erlangt hat, als Geldstrafe fordern. Erfahrungsgemäß ist in diesen Themenbereichen die Schaffung des Risikobewusstseins wichtige Aufgabe des juristischen Beraters.
6. Nutzen Sie juristisches Wissen, um Ihr Geschäfts-Know-how zu schützen
In kleineren und mittleren Unternehmen mögen viele Geschäftsvorfälle mit Standardbedingungen (AGB, Allgemeine Einkaufsbedingungen) durchführbar sein. Bei komplexeren Projekten, wie z.B. im Bereich Forschung und Entwicklung in der Baubranche oder der Hochtechnologie-Industrie ist Teamarbeit innerhalb eines Unternehmens oder sogar zwischen mehreren Unternehmen erforderlich. Hier können Juristen, wenn sie rechtzeitig einbezogen werden, wichtige strategische Weichenstellungen des Managements unterstützen und Unternehmensinteressen (z.B. den Schutz der Firmengeheimnisse) vertreten.
7. Projektjuristen helfen im Projektgeschäft
Erfahrungsgemäß können speziell im Projektgeschäft erfahrene Juristen helfen. Sie sind es gewohnt, wichtige Fragen rechtzeitig zu stellen. Zudem wissen sie, wie wichtig das Festhalten an Entscheidungen zu Meilensteinen ist und haben Erfahrungen in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Immerhin greifen 40% aller US-Rechtsteams auf solche Projektjuristen zu. Konkretes Beispiel: ein Unternehmen will mit kleinen, aber innovativen Partner bestimmte Apps für mobile Endgeräte in sein Produkt-Portfolio integrieren. Der Projektjurist kann hier wichtige Vorfragen im Team klären, wie z.B. „Wer hat die Rechte an den zu vermarktenden Produkten?“, „Unter welchem Namen wird vermarktet?“ und „Wer haftet nach außen?“ etc.
Von Stefan Hermle
Stefan Hermle ist Rechtsanwalt in Heidelberg, seit 1998 als Firmenjurist, Chefsyndikus, Prokurist, Handlungsbevollmächtigter, Mitglied der Geschäftsleitung tätig. Er berät Unternehmen beim Aufbau und der Gestaltung ihrer internen und/oder externen Rechtsberatung. Mehr unter www.iurisplus.de