Datenbasiert entscheiden

Interview mit Dr. Kerstin Schäfer von Adobe über Datenaufbereitung

Datenaufbereitung ist ein Prozess, der Unternehmen vor Herausforderungen stellt. Dr. Kerstin Schäfer, Digital Strategist bei Adobe sagt dazu: Business drives IT – ich empfehle, in Tandem-Teams zu arbeiten. Wir haben sie gefragt, was sonst noch alles zu beachten ist.

Datenaufbereitung ist ein anspruchsvoller Prozess, der Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt, wie wir im Interview mit Hartmut König von Adobe schon beleuchtet haben.

„Business drives IT – ich empfehle, in Tandem-Teams zu arbeiten.“

Im einem weiteren Experteninterview blicken wir tiefer in den Prozess der Datenaufbereitung und sprechen dazu mit Dr. Kerstin Schäfer, die seit fünf Jahren bei Adobe als Digital Strategist tätig ist und Kunden bei Fragestellungen rund um den Einsatz der Software Adobe Experience Platform berät.

Frau Dr. Schäfer, welche unterschiedlichen Tätigkeiten gibt es innerhalb der Datenaufbereitung?

Eigentlich gibt es drei große Bereiche: Die Business-Stakeholder definieren zunächst eine Notwendigkeit. Das schränkt schon ein, welche Daten verwendet werden. Die zweite Position ist der klassische Data Engineer, der die Daten sammelt und aufbereitet.  Hieran trägt auch der Data Analyst seinen Anteil. Bei uns heißen die Rollen etwas anders. Ich bin als Data Strategist vorgelagert und entscheide zusammen mit dem Data-Architekten auf Basis der Daten, die von Kunden kommen, welche Daten wir für die entsprechenden Use Cases und die zugehörigen Analysen brauchen. Dann erst setzt der Data Engineer an, um die Daten in ein Format zu bringen.

Vorab gibt es immer ein Screening. Dabei wird geklärt, welche Daten wir benötigen. Im Marketing sind das klassisch CRM-Daten und Transaktionsdaten – das ist die alte Welt. Dazu kommt die neue Welt mit Verhaltens- und Einstellungsdaten – zum Beispiel wie stehe ich einer Brand gegenüber? Die Kombination dieser Welten ist sehr komplex. Vor allem, wenn es nicht nur um Bestandskunden, sondern um Prospects, also künftige Neukunden, geht. Eine der Hauptaufgaben ist es für uns, ein Datenhaus aufzubereiten. Dazu gehört ein Verständnis für die Grundlagen: Was ist die Foundation, wo kommen wir her und wo wollen wir hin? Welche Daten brauchen wir, um Erfolge messen zu können?

Sollte man auf eine Tätigkeit mehr Fokus legen wie auf eine andere?

Was oft vergessen wird, ist: „Business drives IT“. Data Scientists haben oft einen sehr starken Fokus auf Algorithmen. Wenn der Bezug vernachlässigt wird, endet das oft in „Feature-itis“, der Bezug zum „Why“ geht verloren. Schon in den 80ern gab es den Ansatz, im Data Mining ein möglichst simples Modell zu schaffen – und das ist eigentlich das Gegenteil. Wenn man im Marketing mit sehr vielen Kundendaten arbeitet, kann man mit einem ganz einfachen Modell – einer Korrelationsanalyse – wahnsinnig großen Impact erzeugen, etwa für zusammen besuchte Seiten und Produkte. Dahinter steckt eine simple statistische Analyse.

Daher wäre meine Empfehlung an Unternehmen, Personen zu finden, die Engineering-Erfahrung haben und den Business-Kontext verstehen. Die Welt der Data Scientists darf nicht losgelöst von den Business-Stakeholdern in der IT sitzen. Die Marketing-, HR- und Logistik-Abteilungen sprechen eine andere Sprache und haben andere Probleme. Dazwischen muss jemand übersetzen.

Wie sieht ein effektiver Datenaufbereitungsprozess aus? Zu welchem Zeitpunkt muss das Business eingebunden werden?

Wir betreiben agiles, datengetriebenes Marketing. Es gibt keine Wasserfall-Projekte mehr, sondern viel Kommunikation und schnelle 2-Wochen-Sprints. Am besten bildet man daher Tandem-Teams aus IT und Business-Stakeholdern. Wie beim Programmieren empfehle ich das Vier-Augen-Prinzip. Ein falsch gesetztes Komma kann bei Daten große Auswirkungen haben, viel Wirbel verursachen und zum Beispiel falsche Prognosen nach sich ziehen. Daher ist der ständiger Review-Prozess wichtig.

So geht es im Team iterativ nach dem Prinzip „Test & Learn“ voran. In Deutschland werden Fehler oft nur negativ gesehen – tatsächlich muss es Raum dafür geben. Fehler sind dabei nichts Negatives, sondern die Grundlage zum Lernen. Wir arbeiten dann im Tandem-Team eng zusammen und erstellen zum Beispiel Reportings zu Marketing-Aktivitäten.

Angenommen man startet bei null: was wären die einzelnen Schritte, um einen Datenaufbereitungsprozess im Unternehmen zu etablieren?

Der erste Schritt ist, eine datengetriebene Erfolgsmessung aufzusetzen. Ein KPI-Framework liefert eine Dreiecksstruktur. Dabei werden die Top-KPIs wie „grow revenue“ und „reduce cost“ auf die einzelnen Abteilungen heruntergebrochen. Nachher kann man den Erfolg messen, indem man zum Beispiel eine E-Mail-Kampagne an alle abschickt, die ein Produkt im Warenkorb vergessen haben. Damit weiß ich: Was hat das gebracht? Was hat es gekostet, diese Kampagne zu bauen? Und auch: Wann ist der beste Zeitpunkt, eine solche E-Mail abzuschicken? Hilft dabei eine Personalisierung? Die KPI-Erfolgsmessung liefert gute Erkenntnisse darüber, welche Daten ich überhaupt benötige.

Zweitens ist das Verständnis für die Kunden wichtig – und ihre Customer Journey. Dabei geht es um Kundenzentrierung. Wenn wir Marketing-Maßnahmen planen, müssen wir auch testen, ob die Kunden sie überhaupt benötigen. Nach einem Mapping der nötigen Datenquellen kommt dann eigentlich erst der Schritt, in dem wir uns mit den Daten beschäftigen. Dabei stellt sich immer die Frage: Wie reif sind wir in diesem Kontext? Der Weg zum datengetriebenen Unternehmen geht nicht von null auf hundert. Wichtig ist zu wissen, wen man dafür braucht, welche Skills nötig sind und ob das Unternehmen dabei mitziehen kann. Der Schritt zur datengestützten Entscheidungsfindung muss auch im Unternehmen etabliert sein. Da ich immer zwischen allen Stühlen sitze, sehe ich den Prozess eher ganzheitlich.