Unternehmensnachfolge

Eine Belegschaft sichert ihr Unternehmen für die Zukunft

Eine partizipative Unternehmenskultur zeichnete die von Klaus Eberhardt und Mark Goerke 1996 gegründete iteratec GmbH schon lange aus. Doch minutenlange Standing Ovations für die beiden geschäftsführenden Gesellschafter kommen auch hier nicht jeden Tag vor. Den Beifall erhielten die zwei Eigentümer im März 2018 für ihren Vorschlag, eine Mitarbeiter-Genossenschaft zu gründen, die perspektivisch ihre Anteile am Unternehmen übernimmt und damit die Nachfolge der beiden Gründer antritt.

„Einen größeren Beweis für Partizipation und Vertrauen, als tatsächlich ein Unternehmen an die Mitarbeiter zu übergeben, kann man nicht liefern.“

Eine partizipative Unternehmenskultur zeichnete die von Klaus Eberhardt und Mark Goerke 1996 gegründete iteratec GmbH schon lange aus. Doch minutenlange Standing Ovations für die beiden geschäftsführenden Gesellschafter kommen auch hier nicht jeden Tag vor. Den Beifall erhielten die zwei Eigentümer im März 2018 für ihren Vorschlag, eine Mitarbeiter-Genossenschaft zu gründen, die perspektivisch ihre Anteile am Unternehmen übernimmt und damit die Nachfolge der beiden Gründer antritt.

Ein Unternehmen, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht

Über die Zukunft ihrer Firma und deren Mitarbeiter hatten die beiden Eigentümer lange nachgedacht, denn die iteratec GmbH ist ein IT-Unternehmen mit einer stark auf seine Mitarbeiter zentrierten Unternehmensführung und -kultur. Diese haben viele Freiheiten und bearbeiten selbstbestimmt und selbstorganisiert ihre Projekte, ohne Kernarbeitszeiten und andere Auflagen. Nur so, davon waren und sind die Unternehmensgründer überzeugt, bekommt und hält man die besten Mitarbeiter. Und nur mit unternehmerisch denkenden Angestellten kann man besser werden als die Konkurrenz. Über die Jahre stetig steigende Umsatz- und Mitarbeiterzahlen des auf die Entwicklung von individuellen Softwarelösungen spezialisierten Unternehmens, das aktuell 370 Angestellte an sieben Standorten beschäftigt, bestätigen dies.

Um diese Unternehmenskultur und damit das Unternehmen und die Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern, entschieden sich beide Eigentümer für die Form der Mitarbeiter-Genossenschaft als demokratische Rechts- und Unternehmensform. Aus der Familie gab es keine Nachfolgekandidaten und ein Verkauf hätte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Verlust der Firmenkultur und zahlreicher Mitarbeiter geführt.

Allerdings sollte die zu gründende Genossenschaft nicht die direkte Unternehmensnachfolge antreten, sondern sie würde, so der Plan, die iteratec GmbH von den Gründern aufkaufen. Die Idee dahinter: Die bewährte und sehr erfolgreich arbeitende GmbH bleibt jederzeit, trotz des Eigentumsübergangs, für das operative Geschäft handlungsfähig. Jeder Mitarbeiter des Unternehmens kann, solange sein Arbeitsverhältnis besteht, Mitglied in dieser Genossenschaft und damit Miteigentümer werden. Die Einlagen werden jährlich verzinst, um ihrem Wertverlust vorzubeugen und bei Austritt aus der Genossenschaft oder dem Ende des Arbeitsverhältnisses wieder ausgezahlt.

Die Begeisterung für diesen Vorschlag war sehr verständlich, so Michael Gebhart, einer der Vorstände der neuen Genossenschaft, denn „viele reden zwar von Partizipation und von vertrauensvoller Zusammenarbeit. Doch einen größeren Beweis dafür, als tatsächlich das eigene Unternehmen an die Mitarbeiter zu übergeben, kann man nicht liefern.“

Eigentümer und Mitarbeiter gründen eine Genossenschaft zur Unternehmensnachfolge

Nach der Ankündigung durch die Eigentümer erklärten sich spontan 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit, die Genossenschaftsgründung aktiv zu begleiten. In einem ersten Workshop verständigten sie sich über das Vorhaben und lernten erst einmal, was eine Genossenschaft ist und wie sie funktioniert. Viel Unterstützung erfuhr die Gründungscrew von Anfang an durch den genossenschaftlichen Prüfungsverband sowie einen Fachanwalt aus Berlin, der die Gründung begleitete. Danach wurden Arbeitsgruppen gebildet, die sich vor allem mit der Satzung, aber auch mit der internen Kommunikation beschäftigten. An jedem der sieben Firmenstandorte fanden sich Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßig über den Stand der Genossenschaftsgründung informierten.

Kollaborativ wurde in den folgenden Monaten die Satzung erarbeitet und im Dezember 2018 erfolgte schließlich die Gründungsversammlung der iteratec nurdemteam Genossenschaft, die nach Prüfung durch den genossenschaftlichen Prüfungsverband zur iteratec nurdemteam eG wurde. Noch auf der Gründungsversammlung hatten sich 215 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit erklärt, in die Genossenschaft einzutreten, damals fast zwei Drittel der Belegschaft.

Für dieses große Engagement gab es mehrere Gründe: eine schon immer unternehmerisch denkende Belegschaft, die gute Kommunikation in der Gründungsphase und nicht zuletzt natürlich das Interesse am Erhalt der Firma und ihrer Arbeitsplätze. Klar und deutlich wurde in die Satzung der Genossenschaft deren Zweck eingeschrieben: Die Sicherstellung der Erwerbstätigkeit der Mitglieder.

Den nächsten Schritt, den Kaufvertrag, bereiteten vor allem der Vorstand der Genossenschaft vor, gebildet aus den beiden Eigentümern und zwei Mitarbeitern. Er sieht in einem ersten Schritt den inzwischen erfolgten Erwerb von 49 Prozent der Anteile der iteratec GmbH vor und legt bereits den zweiten Schritt fest, den Kauf der restlichen 51 Prozent in fünf Jahren.

Vor der Genossenschaft steht nun die Aufgabe, in den kommenden Jahren nicht nur den Kredit für die erste Hälfte der Übernahme über die iteratec GmbH zu erwirtschaften, sondern auch sich und ihre Organe so zu professionalisieren, dass sie als vollständige Eigentümerin Geschäftsführer aus den eigenen Reihen benennen und die strategischen Entscheidungen für die iteratec GmbH treffen kann. Erst dann wird das Unternehmen wirklich für die Mitarbeiter gesichert und ein Verkauf praktisch ausgeschlossen sein.

Eine Genossenschaft mit Zukunftspotential

Alle Genossenschaftsmitglieder sind bisher ehrenamtlich tätig, ob im Vorstand, im Aufsichtsrat oder in einer der zahlreichen Arbeitsgruppen. Das kostet neben dem operativen Tagesgeschäft viel Zeit und Kraft. Funktionieren kann das auf Dauer nur, so Vorstand Michael Gebhart, „wenn wir tatsächlich mehr Aufgaben auf die Mitglieder verteilen“. Und das funktioniert schon jetzt sehr gut bei den vielen Arbeitsgruppen, in denen Mitglieder sich aktiv mit Themen wie Werte, Corporate Design, Internetpräsenz oder digitale Generalversammlungen auseinandersetzen.

Dieses Sicheinbringen in die Entwicklung der Genossenschaft und damit die Sicherung des Unternehmens und des eigenen Arbeitsplatzes ist für Gebhart eines der wichtigsten Argumente, Mitglied zu werden. Als Mitglied kann man außerdem entscheiden, was mit den Gewinnen passiert, die die Genossenschaft aus ihrem Unternehmensanteil erhält. In erster Linie fließen diese derzeit in die Tilgung des Kredits, doch die Mitglieder diskutieren bereits intensiv darüber, in welche sozialen Projekte oder neue Geschäftsfelder Gewinnanteile fließen könnten.

Schließlich gehört zur Sicherstellung der Erwerbstätigkeit der Mitglieder gleichermaßen die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Dafür, so ist Michael Gebhart überzeugt, gilt es neue Geschäftsfelder zu entwickeln, zum Beispiel durch Ausgründungen sowie Beteiligungen an Start-ups.

Blick in die Zukunft

„Die Kolleginnen und Kollegen bei iteratec waren schon immer Mitunternehmer. Das gilt jetzt natürlich noch mehr als vor der Übertragung der Unternehmensanteile, weil wir jetzt auch Mitinhaber sind. Wir fühlen uns damit aufgefordert, auch über den Tellerrand unserer täglichen Aufgaben hinaus für die Firma zu denken und zu handeln.“

So präsentieren sich die 215 neuen Miteigentümer auf der Website ihrer Genossenschaft iteratec nurdemteam eG und sie sind seit der Gründung ein großes Stück vorangekommen. Ende letzten Jahres kam ein weiterer Meilenstein dazu: Die Bestellung eines neuen Geschäftsführers aus den eigenen Reihen. Obwohl die beiden Gründer noch die Mehrheit am Unternehmen besitzen, delegierten sie die Entscheidung über die Person an die Genossenschaft – ein großer Vertrauensbeweis. Auf einer kurzfristig einberufenen Generalversammlung im Dezember 2020 wurde der Vorschlag mit großer Mehrheit bestätigt und die Mitglieder ernannten mit ihrem Kollegen Stefan Rauch „zum ersten Mal ihren eigenen Geschäftsführer“. Nicht nur für Michael Gebhart war es ein spannender Moment, als Gesellschafter des eigenen Unternehmens über dessen Führung mitzuentscheiden. Für ihn steht fest: „Wir müssen noch viel tun. Der Weg ist noch weit. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.“