HR-Management und Lohnbuchhaltung

Männlich, weiblich, divers, unbestimmt: Wie verhalten sich Unternehmen Gender gerecht?

Gender

Seit Dezember 2018 hat Intersexualität über die gesellschaftliche Anerkennung hinaus auch eine formale Verankerung erfahren: Der Bundestag beschloss, dass es im Personenstandsregister neben männlich und weiblich noch eine dritte Antwortmöglichkeit geben muss. Inzwischen haben nicht nur Bürgerämter und Melderegister, sondern auch die Personalabteilungen der Unternehmen die „divers“-Option in zahlreichen Schriftstücken, wie beispielsweise Stellenausschreibungen, übernommen. Doch welche Auswirkungen hat die Gender Regelung noch auf den Arbeitsalltag?

Begriff-Abgrenzungen im Gender-Thema

Divers, intersexuell, unbestimmt – die Abgrenzung dieser Begriffe ist bis heute eine Gratwanderung und nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Debatten. Letztlich weichen sie nur in Nuancen voneinander ab:

  • Divers soll vor allem auf formeller Ebene den übergeordneten Spielraum für Gender-Definitionen geben, die über eine klare männliche oder weibliche Zuordnung hinausgehen.
  • Intersexuell beschreibt hingegen klinische Phänomene mit unterschiedlichen biologischen Ursachen. Diese können organischer, aber auch genetischer oder hormoneller Natur sein. Für diese biologische Erscheinung findet sich mancherorts auch die Beschreibung „Drittes Geschlecht“. Um eine erzwungene Festlegung auf gängige Geschlechtsmuster zu umgehen, wird zudem von manchen Betroffenen der Begriff „unbestimmt“ verwendet – unter anderem in Anlehnung an den englischen Ausdruck „non-specific“, der bereits 2014 vom Obersten Gericht in Australien eingeführt wurde.
  • Intersexualität unterscheidet sich allerdings von Transgender: Transsexuelle Menschen sind nach gängiger medizinischer Auffassung biologisch eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuzuordnen. Sie fühlen sich jedoch entweder keiner spezifischen Gender-Kategorie zugehörig oder von ihr nicht ausreichend beschrieben. Kritiker bemängeln, dass der Divers-Begriff zu eng gefasst ist und nur Menschen berücksichtigt, deren Geschlechtsorientierung aus biologischen Ursachen weder eindeutig männlich oder weiblich ist. Sie fordern, dass künftig auch Transsexualität mehr Freiraum bei der individuellen Geschlechtsbestimmung erfährt.

Lohnwegweiser 2020: gesetzliche Änderungen zum Jahreswechsel

Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Änderungen:

  • Änderungen für Arbeitgeber 2020
  • Änderungen im Lohnsteuerrecht
  • Bemessungs-, Freibetrags- und Arbeitsentgeltgrenzen
  • Sozialversicherung
  • Bürokratieentlastungsgesetz III
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 Welche Anrede ist im Unternehmen Gender korrekt?

Eine detaillierte Begriffsunterscheidung ist für den Alltag im Unternehmen oft aus rein praktischen Gründen kaum realisierbar. Deshalb hat sich hier weitestgehend der Begriff „divers“ etabliert. So ist die Schreibweise (m/w/d) beispielsweise inzwischen Standard in Stellenausschreibungen. Nur wenige Arbeitgeber nutzen anstelle des d für divers ein i für intersexuell oder ein schlichtes x als generelles Zeichen für Wahlfreiheit. Letztere dürften dem Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zwar ebenfalls Genüge tun; wer es ganz genau machen will, der hält sich allerdings an die Formulierung des Bundestages (s.u.).

Die Wahl der korrekten Anrede, zum Beispiel in E-Mail-Anschreiben oder auch bei einem ersten Kennenlernen, ist tatsächlich nicht ganz einfach, da es hier keinerlei amtliche Vorgaben gibt. Die Wahrscheinlichkeit, seinen Geschäftspartnern eine neue Kollegin oder einen neuen Kollegen vorzustellen, der oder die intersexuell ist, mag gering erscheinen. Und dennoch ist die Frage, ob nun Herr oder Frau die adäquate Anrede ist, wir sie oder ihn zum Business-Lunch einladen oder seine oder ihre Einschätzung zu einem bestimmten Thema gerne hören würden, nicht gänzlich irrelevant. Hier gilt wie so oft, wenn es keine klare Regelung gibt: Fragen hilft. Wenn sich die Gelegenheit, im Vorfeld nachzuhaken, nicht ergibt, gehen Sie nach Ihrer persönlichen Einschätzung. Welches sprachliche Geschlecht kommt dem äußerlichen Auftreten der betreffenden Person am nächsten? Sollte Ihre Kollegin oder Ihr Kollege mit der Wahl nicht einverstanden sein, so lässt sich im anschließenden, persönlichen Gespräch sicherlich über die gewünschte Anrede sprechen.

Wie werden formelle Texte richtig formuliert?

Oft ist schon viel gewonnen, wenn Texte grundsätzlich geschlechtsneutral formuliert werden und Begriffe wie Studierende, Arbeitende oder auch Nutzende verwenden. Nichtsdestotrotz spricht sich der Gesetzgeber auch weiterhin für die männliche Schreibweise aus: Wenn es um Gesetze, amtliche Schreiben und ähnliche formelle Dokumente geht, genüge das so genannte generische Maskulin zur Gender-gerechten Formulierung.

 „Weitergehende sprachliche Anpassungen sind nicht erforderlich. Der weit überwiegende Teil der Rechtsvorschriften knüpft nicht an das Geschlecht an. In der Gesetzessprache findet dies regelmäßig seinen Niederschlag durch die Verwendung des generischen Maskulinums. Da das generische Maskulinum gerade nicht auf das somatische Geschlecht abstellt, ist eine sprachliche Anpassung von Rechtsvorschriften, die diese Form der Geschlechtsangabe verwenden, in Folge der neu geschaffenen Angabe „divers“ im Personenstandsrecht nicht erforderlich.“

(Deutscher Bundestag, 2018)

Ob sich auf die Dauer ein neuer Sprachduktus auch in formellen Dokumenten durchsetzen wird, wird sich zeigen. Auf jeden Fall geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Verwendung der allgemeinen männlichen Schreibweise nicht per se diskriminierend ist.

Gibt es IT-technische Auswirkungen der Gender Regelung?

Es scheint also so, als müsste sich die Kommunikation und Dokumentation in den Unternehmen kaum auf Veränderungen einstellen. Das stimmt allerdings nur bedingt. Denn wer seine Stellenanzeigen korrekt mit (m/w/d)-Ergänzung versieht, der muss natürlich auch online-Eingabemasken, zum Beispiel in Bewerberportalen, mit den entsprechenden Wahlmöglichkeiten ausstatten. Zudem haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Recht, geschlechtsspezifische Angaben wie den Vornamen nicht nur in den öffentlichen Melderegistern, sondern auch in der Personaldatenbank ihres Arbeitgebers zu ändern. Alles in allem müssen also auch seitens der IT kleinere Änderungen vorgenommen werden, um den Prinzipen der Diversität gerecht zu werden.

 Wie groß wird der Änderungsaufwand sein?

Die technischen Anpassungen sollten allerdings mit vergleichsweise wenigen Handgriffen realisierbar sein und kaum echte Herausforderungen mit sich bringen. Schließlich beantragten laut tagesschau.de in ganz Deutschland bis Mai 2019 lediglich 355 Menschen eine Änderung ihres Vornamens, so werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl für Behörden als auch für Unternehmen auch künftig problemlos zu handhaben sein.

 Aber was ist mit Toiletten und Sanitäreinrichtungen?

Auch hier können Arbeitgeber entspannt bleiben. Es gibt von Gesetzeswegen keinen Handlungsauftrag, einen weiteren Toilettenbereich, Umkleideräume oder Duschen für das dritte Geschlecht einzurichten. Es könnte sein, dass sich über die Zeit eine Unisex-Toilette durchsetzt, aber grundsätzlich hilft auch hier wie so oft das direkte Gespräch mit den Betroffenen am besten, um eine für alle tragfähige Lösung zu finden.

Und wie sieht es mit den Arbeitnehmervertretern aus?

Bei Betriebs- und Personalratswahlen könnte es tatsächlich zu rechtlichen Auswirkungen kommen: Nach § 15 des Betriebsverfassungsgesetzes muss das Geschlecht in der Minderheit mindestens so stark vertreten sein wie in der Belegschaft. Waren es bislang entweder Männer oder Frauen, welche die Minderheit bilden, so könnten es künftig Kolleginnen oder Kollegen mit intersexueller Geschlechtszugehörigkeit sein.

Insgesamt lässt sich wohl festhalten: Die offizielle Anerkennung des dritten Geschlechts bringt nur wenige konkrete Handlungsaufträge für Arbeitgeber mit sich. Dennoch ist es eine Frage der Unternehmenskultur, Diversität zu leben und offene Fragen zum Thema Intersexualität mit der gebotenen Sensibilität zu beantworten.