Unternehmensnachfolge

Männer und Frauen – der große Gap in der Unternehmensnachfolge

Der Anteil von Nachfolgerinnen in der Unternehmensführung stagniert seit Jahren. Das hat unterschiedliche Ursachen, die sich nur langsam abbauen lassen. Dennoch sollten sich Frauen schon jetzt Unternehmensübernahmen zutrauen.

Der Frauenanteil in der Nachfolge ist seit Jahren konstant und liegt im Vergleich zu dem der Männer bei zirka 25 Prozent. Das zeigt, dass sich trotz vieler Initiativen und der Aufklärungsarbeit verschiedener Vereine in der Realität nach wie vor nicht genug tut. Die öffentliche Debatte ist in dieser Hinsicht weiter. Weswegen immer noch deutlich weniger Frauen eine Unternehmensnachfolge antreten, hat unterschiedliche Gründe, die auf beiden Seiten zu finden sind.

Schwankungen bei verschiedenen Faktoren

Laut der Nachfolgemonitor-Studie 2021 gibt es Schwankungen zwischen den verschiedenen Bundesländern, wobei Nordrhein-Westfalen mit 11 Prozent die geringste Quote übernehmender Frauen hat, das Saarland mit 43 Prozent die höchste. Allerdings liegt hier eine geringe Fallzahl von 17 Personen vor, weswegen Abweichungen einzubeziehen sind. Dasselbe gilt für Thüringen mit 33 Prozent und einer ebenfalls geringen Datenanzahl von 18 Personen.

Auch das Alter spielt bei der Übernahme eine Rolle. Frauen übernehmen in jüngeren Jahren aktiver, wobei die Anzahl in den Dreißigern deutlich abnimmt, während sie bei den Männern steigt. Insgesamt liegt der Median bei Frauen bei 40 Jahren und bei Männern bei 38.

Ein weiterer erheblicher Faktor bei der Übernahme ist die jeweilige Branche. Hier liegt immer noch eine Verteilung „typischer“ männlicher und weiblicher Bereiche vor. Beispielsweise gehen vermehrt Männer in die Baubranche und das verarbeitende Gewerbe, während unter anderem Unternehmen in der Gesundheits- beziehungsweise Sozialbranche eher von Frauen übernommen werden.

Gründe für den Gender Gap

Insgesamt hat sich der bundesweite Anteil der Nachfolgerinnen seit 2014 auf um die 25 Prozent eingependelt. Unter anderem veraltete Rollenbilder, die sich hartnäckig halten, sind Ursache dieser Stagnation. Selbst in Familienunternehmen werden, sofern vorhanden, eher die Söhne als Nachfolger in Erwägung gezogen anstatt der Töchter – und das obwohl diese teilweise die bessere Qualifikation haben. Das bestätigt auch eine Studie der Bundesgründerinnenagentur, laut der 73 Prozent der Unternehmer den Sohn als Nachfolger deutlich vorziehen. Gleichzeitig trauen sich Töchter die Unternehmensleitung häufig weniger zu – eine Tatsache, die sich nur langsam wandelt.

Hinzu kommt generell die Tendenz, einen Nachfolger zu wählen, der einem selbst in Faktoren wie Geschlecht und Herkunft ähnelt – das ist bei Frauen und Männern gleichermaßen verbreitet. Da allerdings die meisten Unternehmen von Männern geführt werden, bedeutet das auch, dass für sie eher eine männliche Nachfolge in Frage kommt – ein deutlicher Grund, weshalb sich am Gefälle nichts ändert.

Darüber hinaus gehen Frauen auch anders an das Thema Finanzierung heran. Zum einen bevorzugen sie neu gegründete Unternehmen im Gegensatz zu einer Übernahme, da sich hier Größe des Unternehmens und somit erforderliches Kapital anders bemessen lassen und geringer ausfallen. Zum anderen haben Frauen eine geringere finanzielle Risikobereitschaft als Männer. Laut der Nachfolgeberaterin Lioba Heinzler achten sie mehr auf Sparsamkeit, nehmen weniger Kredite auf und geraten daher häufiger in finanzielle Schwierigkeiten als Männer. Weiterhin treten Frauen eher nur dann eine Übernahme an, wenn sie sich den Schritt auch wirklich zutrauen. Diese Tendenz ist bei Männern weniger zu beobachten.

Familienleben und Kinder als weitere Ursache

Schließlich sind es auch die Herausforderungen von Kinderbetreuung und Familienleben, die Frauen von Unternehmensgründungen oder -übernahmen abhalten. Nach wie vor fallen diese Aufgaben eher Frauen zu, von staatlicher Seite gibt es in Deutschland aber im Vergleich zu beispielsweise den skandinavischen Ländern wenig Unterstützung.

Verschiedene Vereine und Verbände setzen sich dafür ein, das zu ändern und fordern bessere Regelungen für Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld bei Gründerinnen und Übernehmerinnen. Das ist umso relevanter, als dass die Pandemie diese Situation noch verstärkt hat und sich überwiegend die Frauen um Betreuung zu Hause sowie Homeschooling kümmern mussten. Auch deswegen ist der Anteil der Selbständigkeiten zurückgegangen.

Mut zur Übernahme

Trotz dieser Faktoren sollten Frauen sich trauen, vermehrt Unternehmen zu übernehmen. Denn zum einen planen frauengeführte Unternehmen genauso eine Nachfolge wie männergeführte, zum anderen haben sie dieselben Chancen, auch nach fünf Jahren noch am Markt zu bestehen. Das liegt unter anderem daran, dass sich Unternehmen, die vor der Übergabe stehen, in ihrer Situation kaum voneinander unterscheiden – egal ob sie von Frauen oder Männern geführt werden. Allerdings sollten dabei verschiedene geschlechterspezifische Faktoren wie Branche und Größe mit einbezogen werden, die generell auch eine Rolle bei der Übernahme spielen.

Auf den eigenen Wert besinnen

Von den verschiedenen Ursachen, die für den großen Gender Gap bei Übernahmen verantwortlich sind, sind einige gesellschaftlicher Natur und müssen sich erst wandeln. Frauen selbst können aber schon jetzt bei sich ansetzen und so den Wandel vorantreiben, indem sie sich mehr zutrauen und eigene Netzwerke knüpfen.

Frauen sollten sich bewusster darüber sein, dass sie immer besser ausgebildet sind als vorherige Generationen und sich dadurch immer mehr für eine Führungsposition eignen. Zudem ist auch die Generation der heute beispielsweise dreißigjährigen Männer mit anderen Werten aufgewachsen als die der Sechzigjährigen, was sich ebenfalls auf die Unternehmenskultur und die Auswahlverfahren beziehungsweise Zusammenarbeit auswirken wird.

Des Weiteren wächst das Beratungsangebot für Frauen, die gründen oder ein Unternehmen übernehmen möchten, immer weiter. Damit ergibt sich auch ein stetig wachsendes Netzwerk, von dem Frauen profitieren.