Unternehmensnachfolge

Nachfolger brauchen Vorbilder – Initiative Gründergeist #Youngstarts fördert regionale Nachfolge

Unternehmensnachfolge Gründergeist Youngstarts Münsterland

Die Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand braucht aktive Förderung: in mehr als 50 Prozent aller kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist unklar, ob und wann ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin die Firma übernehmen soll. Die Corona-Krise hat den bundesweiten Engpass in der Unternehmensnachfolge also noch verschärft.

Zwei, die sich dieser Problematik auf regionaler Ebene widmen, sind Frank Sibbing und Katharina Stemmer. Gemeinsam leiten und organisieren sie das Projekt Gründergeist #Youngstarts im Münsterland mit dem Ziel, die Gründungsintensität im Münsterland zu stärken. Dabei stehen zwei Zielgruppen im Fokus: zum einen Schülerinnen und Schüler ab der zehnten Klasse, zum anderen potenzielle Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolger. So will die Initiative die Nachfolge als mögliche Alternative zur herkömmlichen Gründung mehr in den Fokus rücken.

„Wir haben den Eindruck, dass es Menschen einfacher fällt, sich mit Best-Practice-Nachfolgerinnen und -Nachfolgern aus der eigenen Region zu identifizieren.“

Angeboten werden Webinare, Workshops, Veranstaltungen sowie weitere digitale Formate wie einen Podcast mit Nachfolgegeschichten oder die Begleitung eines angehenden Nachfolgers mit der Videokamera, der Einblicke in seine Motivation, Hoffnungen, aber auch Herausforderungen und Ängste gibt. Im Interview erfahren wir mehr über die Besonderheit der regionalen Initiative, welches Mindset Unternehmensnachfolger brauchen und wie der Bildungssektor in der deutschen Nachfolgeregelung helfen kann.

Herr Sibbing, Frau Stemmer – warum ist die Unternehmensnachfolge so wichtig für den deutschen Mittelstand?

Eine Unternehmensnachfolge sichert den Bestand an Unternehmen. Gibt es weniger Unternehmensnachfolger als zu übergebende Betriebe, schrumpft zwangsläufig der Unternehmensbestand und die generierte Wertschöpfung sinkt.  Zudem tragen Unternehmensnachfolgen zu einer gewissen Individualität in den Unternehmensstrukturen bei. So bestehen nicht nur die „Riesen“ in der Wirtschaft weiter, sondern auch die mittelständischen Betriebe, die durch ihre Agilität und Flexibilität unsere wirtschaftliche Stabilität gewährleisten.

Mit welchen Herausforderungen, Erwartungen und Interessen kommen junge Unternehmensnachfolger/innen zu Ihnen?

Für die meisten, mit denen wir analog oder digital in Kontakt treten, sind unsere Angebote ein guter Einstieg in das Thema Unternehmensnachfolge. Sie interessieren sich besonders für Menschen, die den Prozess der Nachfolge schon durchlaufen haben und von ihren Erfahrungen berichten. Hier laden wir auch stets zum Austausch und Vernetzen ein – interaktive Tools und Apps machen das auch digital möglich.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihren Workshops und Schulungen, welche Skills können sich die Nachfolger/innen dort aneignen?

Unsere Angebote richten sich vor allem an potenzielle Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolger, die vielleicht noch gar nicht wissen, dass sie einen Betrieb übernehmen wollen. Wir setzen sehr früh im Entscheidungsprozess an und wollen mit „weicheren“ Themen motivieren und Mut zur Nachfolge machen. Hierfür beleuchten wir unter anderem Persönlichkeits- sowie Motivationsaspekte für eine Unternehmensnachfolge, zeigen die Entwicklung hin zu einer Führungspersönlichkeit auf, und gehen auf eventuelle Veränderungen in der Work-Life-Balance ein.

E-Book: Bereit für die Nachfolge? Unternehmensnachfolge-Geschichten aus der Praxis

Ihr kostenfreies E-Book enthält:

  • Kapitel 1: Gründen oder Nachfolgen?
  • Kapitel 2: Familienunternehmen im Wandel
  • Kapitel 3: Zwischen Innovation und Tradition - Digitalisierung, Kulturwandel, Personal Branding & Co
  • Kapitel 4: Jeder braucht Unterstützung - externe Beratung und Netzwerke

Abonnieren Sie jetzt unseren monatlichen Sage Advice Newsletter und erhalten Sie unser kostenfreies E-Book als Dankeschön.

Jetzt Newsletter abonnieren & kostenfreies E-Book erhalten

Wie sollte Ihrer Meinung nach in Zukunft der Bildungssektor helfen, um junge Nachfolge vorzubereiten, wo sehen Sie Bedarf? Welche persönlichen und fachlichen Kompetenzen, welches Mindset ist für die Nachfolge nötig?

Aus unserer Sicht gibt es bereits ausreichend und qualitativ gute Unterstützung zu den „härteren“ Themen, etwa der Businessplanerstellung, zu steuerlichen Aspekten, Kaufpreisbewertung usw. Deshalb setzen wir eher so an: Wir sehen es als immens wichtig an, potenzielle Unternehmerinnen und Unternehmer frühzeitig in der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Sie sollen für sich selbst herausfinden, was sie wirklich wollen und wie eine Umsetzung in die eigene Lebensplanung passen könnte. Grundsätzlich sollte das Mindset eines Nachfolgers ähnliche Attribute aufweisen wie die eines Gründers oder Unternehmers. Dazu gehören ein gewisses Maß an Risikobereitschaft, lösungsorientiertes Denken und die Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern. Aber jeder Mensch und jedes Unternehmen ist anders: Das perfekte Mindset für die Unternehmensnachfolge gibt es also wahrscheinlich nicht.

Nehmen Sie besondere oder über die Jahre veränderte Bedürfnisse in den Generationen Y und Z wahr, die nun vermehrt in den Arbeitsmarkt strömen und selbst Nachfolgen antreten?

Wir merken, dass Themen wie eine ausgewogene Work-Life-Balance und Nachhaltigkeit immer häufiger Erwähnung finden. Natürlich gilt nach wie vor, dass ein Unternehmen nur funktionieren kann, wenn es auch wirtschaftlich handelt – trotzdem rücken soziale und ökologische Aspekte immer stärker in den Fokus.

Gibt es regionale Unterschiede im Thema Unternehmensnachfolge? Welche Rolle spielt hier die Region Münsterland? Wollen Sie Ihr Format noch auf andere Regionen ausweiten?

Mit Sicherheit gibt es regionale Unterschiede, etwa mit Blick auf den Unternehmenstyp: In Bayern suchen zum Beispiel vermutlich mehr Brauereien nach Nachfolgern als im Münsterland. Auch die Art der Unternehmensnachfolge ist sicherlich in Regionen unterschiedlich ausgeprägt. Im Münsterland etwa gibt es viele Betriebe, die innerhalb der Familie übergeben werden. Das Projekt Gründergeist #Youngstarts Münsterland fokussiert – wie der Name schon sagt – klar die Region Münsterland und ist auch auf die Besonderheiten dieser Region zugeschnitten. Wir arbeiten im engen Austausch mit den hier ansässigen Wirtschaftsförderungen, Hochschulen sowie der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer, um mit unseren Angeboten den Bedürfnissen der Menschen im Münsterland gerecht zu werden. Ausweiten auf weitere Regionen werden wir das Projekt nicht. Jedoch freuen wir uns natürlich über jede Initiative, die das Thema Unternehmensnachfolge mitdenkt und weiter nach vorne bringt.

Wo sehen Sie Vorteile in der regionalen Förderung von Unternehmensnachfolger/innen?

Grundsätzlich ist es natürlich von Vorteil, wenn ein Thema bundesweit wie regional gefördert wird, da dann die Aufmerksamkeit am höchsten ist. Das Schöne an der regionalen Förderung ist aber die Authentizität von Themen und Personen, die sie ermöglicht: Wir haben den Eindruck, dass es Menschen einfacher fällt, sich mit Best-Practice-Nachfolgerinnen und -Nachfolgern aus der eigenen Region zu identifizieren. Vielleicht kommen sie aus dem gleichen Ort, sind zur gleichen Schule gegangen oder haben die gleiche Uni besucht – das schafft Anknüpfungspunkte. Die Menschen hier können sich besser in die jeweilige Lage versetzen und lassen sich womöglich von den Erfahrungen der Nachfolger leichter inspirieren und motivieren.

1 Jahr Corona: Unternehmensnachfolge in der Krise

In unserem Online Experten-Talk erhalten Sie Erfahrungsberichte, Tipps und Best Practices von unseren Experten und Gästen.

  • Datum: 6. Mai 2021
  • Zeit: 12-13:15 Uhr
  • Ort: Online via GoToWebinar
  • Kosten: kostenfrei

Wie sieht die Unternehmensnachfolge während einer Krise aus? Wie kann man all diese Herausforderungen gleichzeitig meistern? Und wie kann ich meine Unternehmen langfristig krisensicherer aufstellen?

Jetzt anmelden!
Mann mit Tablet

Wie gehen Sie im Projekt mit den aktuellen Einschränkungen um, finden weiterhin Veranstaltungen und Workshops online statt?

Die aktuellen Einschränkungen betreffen auch unsere Angebote. Wir würden gern mehr analoge Veranstaltungen und Workshops umsetzen, was allerdings gerade nicht möglich ist. Nichtsdestotrotz versuchen wir mit spannenden, digitalen Formaten Alternativen zu schaffen, die unsere Zielgruppen begeistern.

Somit findet am 22.4. das neue Format „Eine Runde Nachfolge- Der Thementalk im Münsterland“ mit dem konkreten Thema „Zukunft ist jetzt – Digitalisierung und Kulturwandel“ statt. Darin diskutieren Nachfolger und Experten zu speziellen Themen im Bereich der Unternehmensnachfolge, angeleitet von einer Moderatorin. Der Talk wird live übertragen, sodass angehende Nachfolgerinnen und Nachfolger die Runde verfolgen und via App eigene Impulse und Fragen in die Runde geben können.

Mut zur Nachfolge

Der deutsche Mittelstand braucht mutige und motivierte Nachfolgerinnen und Nachfolger. Die Themen Selbständigkeit und Neugründung scheinen aber in der breiten Masse immer noch populärer zu sein – dabei erfordert eine Nachfolge in der Regel ähnliche Voraussetzungen und bietet noch dazu den Vorteil, dass wichtige Stakeholder bereits bestehen und das Produkt schon erfolgreich am Markt ist. Förderprojekte wie Gründergeist #Youngstarts machen darauf aufmerksam und unterstützen aktiv in der Entscheidungsfindung – das weckt Hoffnung! Wer jetzt hellhörig geworden ist und über eine Unternehmensnachfolge im Münsterland nachdenkt, erhält hier weitere Informationen zu dem Projekt und hier Tipps und Tricks zur Unternehmensnachfolge allgemein.

 

Header Bild: ©opwoco Media GmbH – Frank Sibbing und Katharina Stemmer vom Projekt Gründergeist Youngstarts Münsterland im Podcast-Interview mit dem 24-jährigen Johannes Austermann, der in Warendorf ein Kino übernommen hat.