Unternehmensnachfolge

Unternehmensnachfolge-Geschichten: Aufbruch in neue Gewässer

Unternehmensnachfolge inmitten einer Pandemie – Heike Schneider-Jenchen zeigt, dass es geht. Innerhalb eines Jahres gelang es ihr, die Aquaenergy GmbH neu auszurichten. Dafür bekam das Unternehmen den German Innovation Award im Bereich Machines & Engineering. Seit 15 Jahren entwickelt die Aquaenergy GmbH Lösungen zur chemiefreien Wasseraufbereitung in der Industrie, mittlerweile mit knapp 800 installierten Anlagen weltweit. Im Interview erzählt Heike Schneider-Jenchen, wie es ist, in eine fremde Branche einzusteigen, mit welchen Hürden sie im Nachfolgeprozess kämpfte und wie sie Innovationen in der Branche vorantreibt.

„Wir haben die Prozesse von Null auf 150 beschleunigt.“

Unternehmensnachfolge inmitten einer Pandemie – Heike Schneider-Jenchen zeigt, dass es geht. Innerhalb eines Jahres gelang es ihr, die Aquaenergy GmbH neu auszurichten. Dafür bekam das Unternehmen den German Innovation Award im Bereich Machines & Engineering. Seit 15 Jahren entwickelt die Aquaenergy GmbH Lösungen zur chemiefreien Wasseraufbereitung in der Industrie, mittlerweile mit knapp 800 installierten Anlagen weltweit. Im Interview erzählt Heike Schneider-Jenchen, wie es ist, in eine fremde Branche einzusteigen, mit welchen Hürden sie im Nachfolgeprozess kämpfte und wie sie Innovationen in der Branche vorantreibt.

Frau Schneider-Jenchen, Ihre Aquaenergy GmbH hat einen Innovationspreis bekommen. Warum eigentlich?

In der Industrie laufen viele Kühlprozesse, bei denen oft Probleme mit Kalk, Korrosion oder Algen auftreten. Auch Biofilm-Ablagerungen sind ein Problem, da diese später zu Legionellen führen können. Mit einer Frequenzpuls-Technologie wirken wir dagegen, ganz ohne Chemie. Wir verhindern durch unsere Prozesse nicht nur die Neubildung, sondern tragen bereits bestehende Ablagerungen langsam ab. Zusätzlich nutzen wir seit kurzem auch Augmented Reality, um mit unseren Kunden in Kontakt zu treten.

Sie schicken Ihren Kunden eine Augmented-Reality-Brille und ein Handy zu. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Nach Unterzeichnung des Vertrags letztes Jahr bin ich davon ausgegangen, dass Corona bald vorbei ist und wir direkt mit dem Vertrieb loslegen können – und wurde dann eines Besseren belehrt. Wie viele andere Unternehmen auch standen wir plötzlich vor einem riesigen Problem. Wir konnten unsere Kunden nicht mehr vor Ort besuchen und hatten daher keine Möglichkeit mehr, sie individuell zu beraten. Also haben wir ein Paket mit Augmented-Reality-Brille und Handy geschnürt und verschickt. Bis diese Technik allerdings wirklich von allen angenommen wird, wird es wohl noch ein bisschen dauern.

Also haben Sie Ihren Nachfolge-Plan der Situation angepasst?

Genau. Wir haben die Zeit genutzt, um in das Unternehmen zu investieren. Mir war wichtig, dass eine digitale Struktur geschaffen wird, in der alle an einem zentralen und sicheren Punkt arbeiten können.

Wie kamen Sie überhaupt zu Aquaenergy?

Ich wollte immer ein eigenes Unternehmen mit einem Produkt, das ich wirklich von A bis Z selbst managen kann. Zustande kam der Kontakt zum Gründer Siegmar Kullack letztendlich über die IHK Nachfolgerbörse. Ich wurde damals Herrn Kullack empfohlen und nach einigen Gesprächen konnten wir eine gute gemeinsame Ebene finden. Danach ging alles sehr schnell, in der Regel dauert so ein Prozess anderthalb bis zwei Jahre. Da hat die IHK wirklich geholfen.

Wie hat Ihre Übernahme die Unternehmenskultur beeinflusst?

Es hat sich extrem viel verändert, an verschiedenen Stellen des Unternehmens. Neben der Optimierung unserer Lieferantenprozesse haben wir auch viel für die Digitalisierung innerhalb des Unternehmens getan. Vorher hatten alle Mitarbeiter eine eigene Dokumentenablage, eigene Excel-Tabellen, und so weiter. Heute läuft alles zentral über einen Server. Was mir besonders wichtig ist: Alle sollen Zugriff auf die relevanten Informationen haben. Dazu gibt es auch regelmäßige Jour Fixes und Projektierungsbesprechungen, damit alle immer auf dem neuesten Stand sind. Wir wollen weg von der bilateralen Kommunikation. Wir haben die Prozesse also von Null auf 150 beschleunigt – für das bestehende Team war das zugegebenermaßen anfangs ungewohnt.

Dafür ist bestimmt eine Menge Know-how nötig. Was braucht es als Unternehmensnachfolgerin, um Innovation so anzutreiben?

Erst einmal ist es wichtig, ein gutes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern zu haben. Wenn man

  1. niemanden überrumpelt,
  2. sie bei den Visionen mit abholt und
  3. sie dann auch noch dafür begeistern kann, dann funktioniert es. Das bedarf auf jeden Fall viel und guter Kommunikation, damit alle zu jeder Zeit genau wissen, woran sie gerade sind. Auch ist es wichtig, Standvermögen zu haben, wenn mal Gegenwind aufkommt, und gleichzeitig auf das Feedback zu hören.

Sind Sie stolz, dass Sie den German Innovation Award bekommen haben? Und konnten Sie das überhaupt mit Ihrem Team feiern?

Natürlich sind wir extrem stolz und dankbar. Wir haben das klein im Team gefeiert, aber eigentlich nicht so, wie es gebührend gefeiert werden müsste. Auch die Verleihung konnte leider nur digital stattfinden. Das war schon schade. Ich bin zwar Fan von digital und hybrid, aber in dem Fall wäre ein Treffen face-to-face doch noch spannender gewesen. Ich hatte mich vor allem auf das Netzwerken mit all den anderen innovativen Unternehmen gefreut. Ich hoffe, wir können das nochmal nachholen.

„Sie als Frau können doch gar keine Technik“: Sie sind Geschäftsführerin in einer Männerbranche. Gibt es da besondere Herausforderungen?

Ja, definitiv! Als Frau begegnet man in einer solchen Branche vielen Vorbehalten. Besonders zu spüren bekommen habe ich diese Vorbehalte in der Finanzierung. Da fielen Aussagen wie „Sie sind eine Frau und können ja gar keine Technik, wie wollen Sie denn das Unternehmen leiten“, sowohl von Männern als auch von Frauen. Damit hätte ich nie gerechnet. In dieser Zeit hat mir das IHK Netzwerk sehr weitergeholfen. Ohne dieses Netzwerk hätte ich noch lange nach einer Finanzierung gesucht.

Wie wird man eine gute Unternehmerin?

Das Einzige, was man mitbringen muss, ist Leidenschaft für das, was man tut. Alles andere kann man lernen. Sich selbst reflektieren zu können und eine positive Fehlerkultur aufzubauen, ist definitiv wichtig. Wo liegen meine Stärken, wo meine Schwächen? Wie kann ich mich und meine Vorgehensweise verbessern? Und: Geduldig sein!

Schauen wir in die Zukunft: Was sind Ihre Ziele für Aquaenergy?

Generell wollen wir unser Produkt in den nächsten ein bis zwei Jahren so weiterentwickeln, dass wir nach Bedarf unsere Anlagen auch aus der Ferne steuern und auslesen und dem Kunden noch detailliertere Informationen liefern können. Ein weiteres Ziel wäre auf jeden Fall, einen Umweltpreis zu gewinnen. Ich glaube, wir sind mit unserem Produkt dafür sehr gut aufgestellt, es würde einfach zu uns passen.

Gibt es etwas, dass Sie speziell anderen Nachfolgerinnen und Unternehmerinnen als Tipp oder Ermutigung mit auf den Weg geben möchten?

Unbedingt! Mein erster Tipp: Gehen Sie einfach auf ein Unternehmerinnen-Netzwerk zu. Aktuell gründen sich immer mehr Investorinnen-Netzwerke, ganz gezielt für Frauen, die in so vielen Bereichen wirklich weiterhelfen können. Außerdem lohnt es sich, in der Finanzierung ganz breit zu schauen, welche Möglichkeiten es neben der Hausbank noch gibt. In Deutschland gibt es viele Möglichkeiten zur Förderung, die normale Unternehmensfinanzierungen sehr gut ergänzen können. Man muss nur den richtigen Topf finden, der zu dem eigenen Deckel, also dem Unternehmen, passt.

Vielen Dank für das Interview!