Einnahmenüberschussrechnung 2023 — Vorsicht vor pauschalen Schätzungen!
Der BFH hat entschieden. Bringen Sie Ihre Aufzeichnung in Ihrer Einnahmenüberschussrechnung in Ordnung. Denn sonst können pauschale Schätzungen drohen. Jetzt absichern und informieren!
Ein besonderes Augenmerk sollten Unternehmer, die eine Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) nach § 4 (3) EStG erstellen, auf das Urteil des BFH vom 11. November 2022 legen. Auch wenn die vereinfachte Form der Gewinnermittlung durch die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben in der Theorie gemäß § 146 (5) AO keine Aufzeichnung und Bücher verlangt, kann das wiederum gleichzeitig eine Gefahr mit sich bringen. Diese Gefahr heißt aktuell bei einer Einnahmenüberschussrechung laut BFH: „Kürzung der Betriebsausgaben von Seiten des Finanzamtes durch Schätzung eines Unsicherheitsabschlags“.
Vorab: Einnahmenüberschussrechnung & Belege
Als Unternehmer, kennen Sie die Besonderheit des Zufluss-/Abflussprinzips nach § 11 EStG, wenn Sie Ihren Gewinn nach § 4 (3) EStG ermitteln. Neben dieser Ausnahme sollte Sie sich jedoch auch mit einer weiteren Besonderheit bei Ihrer Büroarbeit näher auseinandersetzen. Während, abgesehen von Freiberuflern, größere Unternehmen Bücher führen, sind Sie hingegen von dieser Pflicht befreit. Wie aber haben Sie sich selbst organisiert? Die Befreiung der Aufzeichnung nach § 146 (5) AO meint nämlich nicht, dass Sie keine Belege als Nachweise für Ihre Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben benötigen. Klassischerweise sind diese Belege: Kontoauszüge und Rechnungen. Mit der Verwendung von Belegen haben Sie Ihrer Pflicht aber noch nicht Genüge getan. Weiter müssen Sie sich die Frage stellen, in welcher Ordnung Sie diese Belege ablegen. Das Gesetz § 146 (5) AO spricht wortwörtlich von einer „geordneten Ablage“ oder „Datenträgern“, insoweit die Belege für die Besteuerung relevant sind.
Vieles ist mittlerweile digital, so müssen auch alle Dokumente, die Sie digital speichern, revisionssicher sein. Revisionssicher meint, dass Ihre Ablage die:
- Ordnungsmäßigkeit,
- Vollständigkeit,
- Sicherheit,
- Verfügbarkeit,
- Nachvollziehbarkeit,
- Unveränderlichkeit und
- den Zugriffsschutz erfüllt.
Es dürfen beispielsweise keine nachträglichen Änderungen möglich sein. In diesem Zusammenhang wird auf die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff, kurz GoBD genannt, verwiesen.
Das ist wichtig: Mit der Aufbewahrung der Belege sitzen Sie im gleichen Boot mit denjenigen, die Bücher führen müssen. Dadurch, dass Sie keine Belege mehr im Rahmen Ihrer Steuererklärung an das Finanzamt schicken müssen, hat die Aufbewahrung gemäß § 147 (1) AO, die 10 Jahre beträgt, noch viel stärker an Bedeutung gewonnen. Im Idealfall nutzen sie eine gute Finanzsoftware mit einem revisionssicheren Dokumentenmanagementsystem, kurz DMS.
Vergessen Sie nicht! Das Finanzamt muss immer die Möglichkeit haben, Ihre Belege auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.
Pauschale Betriebsausgaben
Sind Sie Freiberufler, ist es oft schwierig, Betriebsausgaben und private Ausgaben abzugrenzen. Für gewisse Berufsgruppen gibt es daher Betriebsausgabenpauschalen, die beispielsweise in H18.2 EStR genannt sind oder über das BMF erlassen wurden. Liegen pauschale Betriebsausgaben vor, sind keine Belege entsprechend vorzuhalten. Bei offiziellen Betriebsausgabenpauschalen brauchen Sie sich also keine Sorgen zu machen, wenn dafür keine Belege vorliegen.
Zum Urteil
Im vorliegenden Fall hatte der BFH zunächst Bezug auf das BFH-Urteil vom 12. Dezember 2017 genommen. Im Urteil vom 12. Dezember 2017 wurde die Anwendung des § 146 (5) AO bezüglich der Aufzeichnungspflichten der Einnahmenüberschussrechnung klargestellt. Damit besteht bei dieser Art der Gewinnermittlung zwar keine Aufzeichnungspflicht, jedoch muss die Höhe der Betriebsausgaben, wie oben beschrieben, über Belege ermittelt werden. Sind die Belege vollständig, ist der Einnahmenüberschussrechnung zu vertrauen. Die Finanzverwaltung kann daraus die Richtigkeit vermuten. Weiter noch wurde im Urteil die Höhe einer möglichen Schätzung insoweit eingegrenzt, dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten und nicht erklärten Einnahmen stehen muss.
Das aktuelle Urteil des BFH vom 11. November 2022 konkretisiert nun die Schätzung und bejaht sie sogar in pauschaler Form gemäß § 162 (1) S.1, (2) S.1 AO. Das Wichtige ist, dass diese Schätzungsbefugnis nicht davon abhängt, dass der Steuerpflichtige zu einer förmlichen Aufzeichnung seiner Betriebseinnahmen und -ausgaben verpflichtet ist.
So ist bei einer Einnahmenüberschussrechnung das Finanzamt nicht verpflichtet, den erklärten Gewinn oder Verlust ohne Prüfung hinzunehmen. Eine vollständige Prüfung kann wiederum nur anhand von Belegen erfolgen, die der zu Beginn beschriebenen Erfordernis entsprechend geordnet sind.
Im vorliegenden Fall konnte der Steuerpflichtige seine Betriebsausgabe nicht durch Belege nachweisen. In diesem Zusammenhang war es nicht deutlich, dass die geltend gemachten Ausgaben betrieblich veranlasst waren. Das Finanzamt hat somit die Betriebsausgaben über einen Unsicherheitsabschlag in Höhe von 15 % durch Schätzung pauschal gekürzt.
Einnahmenüberschussrechnung: In dubio pro reo — fehlende Belege sind keine Zweifel
Der Grundsatz „In dubio pro reo“ (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“) besagt, dass, wenn ein Umstand nicht geklärt werden kann, für den Angeklagten die günstigere Tatsache angenommen werden muss. Die Annahme, dass fehlende Belege Zweifel entstehen lassen würden und im Sinne des Steuerpflichtgen sprechen, wurde vom BFH deutlich abgegrenzt. So bestehen solche Zweifel im Sinne des Grundsatzes nur, wenn diese nicht zu beheben sind. Im vorliegenden Fall wäre ein Beheben durch das Nachreichen der Belege durch den Steuerpflichtigen möglich gewesen.
Dadurch werden zwei Dinge für Einnahmenüberschussrechner deutlich:
1) Bei der Einnahmenüberschussrechnung gibt es keine Sonderstellung. Das Finanzgericht kann sogar, wenn die Umstände der Gesamtbetrachtung es zulassen, eine Steuerhinterziehung bejahen § 96 (1) S.1 FGO . Somit sprechen im Zweifel fehlende Belege nicht für den Angeklagten, sondern gegen ihn.
2) Sie tragen bei der Einnahmenüberschussrechnung allein die Gefahr, dass das Finanzamt keine Steuerermittlung durchführen kann und lösen eine pauschale Schätzung aus.
Wichtig! Ruhen Sie sich bei Ihrer Einnahmenüberschussrechnung nicht auf der Tatsache aus, dass Sie keine Bücher führen müssen und führen Sie eine ordnungsgemäße Aufzeichnung. Bedienen Sie sich im Idealfall einer guten (für die Zukunft skalierbaren) Finanzsoftware mit DMS-Anbindung.