Unternehmensnachfolge

Neue Unternehmenskultur durch Nachfolge? Insights #4

Nachfolger stehen vor vielen Entscheidungen. Eine davon ist definitiv: Welche Unternehmenskultur soll mein Unternehmen künftig prägen – und wie kann ich meine Mitarbeiter einbinden?

Unternehmensnachfolgen bedeuten stets die Chance für Veränderungen. Jüngere Generationen sehen traditionell vieles anders als ihre Vorgänger. Und Existenzgründer und Unternehmensnachfolger haben heute meist recht klare Vorstellungen davon, wie sie ein Unternehmen führen und wie sie selbst arbeiten und leben wollen.

Nachfolger stehen vor vielen Entscheidungen. Eine davon ist definitiv: Welche Unternehmenskultur soll mein Unternehmen künftig prägen – und wie kann ich meine Mitarbeiter einbinden?

Denn heute gewinnen und halten Unternehmen die besten Fachkräfte, die ihren Angestellten nicht nur einen entsprechenden Lohn zahlen, sondern die ihnen vertrauen, statt sie zu kontrollieren und die ihnen Mitsprache in unternehmerischen Entscheidungen einräumen und ihre Kreativität und Identifikation fordern und fördern – ihnen also eine neue Art der Unternehmenskultur bieten. Oft wird er mit dem Begriff der New Work beschrieben.

Bei einigen Unternehmen hat bereits ein Kulturwandel eingesetzt, um auf diese Veränderungen zu reagieren – nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. Dabei ist New Work sehr viel mehr als Homeoffice und flexibles Arbeiten, womit der Begriff oft gleichgesetzt wird. Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft sind Werte, die sein Erfinder Frithjof Bergmann ursprünglich mit ihm verband. Sie haben besonders an Aktualität gewonnen, weil Unternehmen mit ihnen sowohl bei potenziellen Fachkräften als auch bei der eigenen Belegschaft punkten können.

Die Unternehmenskultur auf die Zukunft ausrichten – aber wie?

Solch eine neue Unternehmenskultur hat Stephan Heiler im Unternehmen seiner Familie initiiert und gemeinsam mit seinen Mitarbeitern entwickelt und umgesetzt. Vor der Geschäftsübernahme der väterlichen Alois Heiler GmbH, die Glaslösungen für private und gewerbliche Bad- und Wohnwelten entwickelt und vertreibt, war er vier Jahre lang Marketing- und Vertriebsverantwortlicher. In dieser Zeit hat er viele Fehler im System entdeckt und z.B. gemerkt, dass das bestehende Vertriebssystem von individuellen Zielvereinbarungen, leistungsgerechten Entgelten und einem dreistufigen Gehaltsmodell mit einer Disziplinar-Quote nicht zukunftsfähig ist, weil es die Mitarbeiter nicht dazu motivierte, zum Wohle der ganzen Firma zu denken und zu handeln.

„Die geballte Verantwortung, die ehemals bei mir als Chef lag, wanderte ins gesamte Team“

Nach der Übernahme hat er gemeinsam mit einem externen Berater und den Führungskräften in der Firma einen Veränderungsprozess angestoßen. Ziel: Am Ende sollten seine Mitarbeiter zu selbstständig unternehmerisch denkenden Menschen werden, unabhängig von der bisherigen hierarchischen Organisationsstruktur. „Wir erarbeiten uns gemeinsam alle strategischen Entscheidungen. Jeder trägt Verantwortung – als einzelner Mitarbeiter im Tagesgeschäft, als Team-Mitglied für die Team-Performance und schlussendlich natürlich auch jeder für den allgemeinen Unternehmenserfolg.“

Als Unternehmensnachfolgerin habe ich immer die Möglichkeit, das Bewusstsein meiner Mitarbeiter für neue Themen zu schärfen und den Mindset-Wechsel sensibel vorzubereiten“

Ein Wandel der Unternehmenskultur gelingt nur, wenn die Mitarbeiter bereit dafür sind und diesen mittragen. Den Nachfolgerinnen Maren und Laura Grondey ist dies gelungen. 2011 haben sie die 1906 vom Urgroßvater gegründete Verpackungsfirma Siemer Verpackung von ihrer Mutter übernommen. Mit ihrer Führung im Tandem und dem verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit bringen sie in vielerlei Hinsicht frischen Wind in das über 100 Jahre alte Unternehmen. Dabei stehen die Mitarbeiter in ihrer Firmenphilosophie an erster Stelle.

© Siemer Verpackung

„Wir wollen die Mitarbeiter motivieren und beim Thema Nachhaltigkeit ermutigen: Sie können bei uns zum Beispiel Fahrräder leasen, mit denen sie zur Arbeit kommen. Wenn jemand mit einem langen Anfahrtsweg das in Anspruch nimmt, freue ich mich richtig und kommuniziere das auch. Und vor einiger Zeit sind wir als gesamtes Team auch mal bei einer „Fridays for Future“-Aktion mitgelaufen, bei der Unternehmen eingeladen waren. Ich habe es niemandem vorgeschrieben, mitzukommen, aber letztendlich waren wir fast vollständig – das war eine tolle Gelegenheit, für das Thema zu sensibilisieren, ohne zu belehren.

Es war jedoch nicht immer einfach, die Leute wirklich mitzunehmen. „Hier tickt nicht jeder so wie ich“, sagt Maren Grondey. Dass die Schwestern, die in der Firma groß geworden sind, auf einmal Chefinnen der langjährigen Mitarbeiter waren, war vielleicht für den einen oder anderen erstmal komisch – „aber wir haben diese Position nie raushängen lassen“, so Grondey. „Wir pflegen die respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe, haben flexible Arbeitszeiten eingeführt und unsere Türen sind immer offen. Und wir haben ja auch nicht den ganzen Laden umgekrempelt. Aber wir haben vieles verschlankt, Prozesse optimiert, und diese Veränderungen dienten dem Wohl und der Entlastung der Mitarbeiter.“

„Durch den Führungswechsel ändert sich im Unternehmen vieles“

Dass der Generationswechsel gerade in Familienunternehmen fast automatisch zu Umbrüchen in der Unternehmenskultur führt, kann auch Niklas Zötler bestätigen. Er ist Nachfolger der Privat-Brauerei Zötler, der ältesten Familienbrauerei weltweit – und führt damit das Unternehmen in 21. Generation in die Zukunft.

© Andi Mayr

„Ich glaube die Veränderung der Unternehmenskultur passiert meist automatisch. Mein Vater und ich sind sehr unterschiedlich in unseren Wesen und unseren Arbeitsweisen – ich bin eher ein Bauchmensch, mein Vater sehr strukturiert und entscheidungsfreudig. Insofern ändert sich im Unternehmen durch den Führungswechsel vieles. Ich habe zum Beispiel das Du im gesamten Team eingeführt, von den Azubis über die Angestellten bis zu den Führungskräften. Ich denke also, ich präge die Unternehmenskultur durchaus, einfach mit meiner Art.“

Hier geht es zu den individuellen Unternehmensnachfolge-Geschichten:

Im SageNachfolgePlaner-Podcast #8 spricht Stefan Heiler ausführlich darüber, wie die Transformation der Unternehmenskultur hin zu einem selbst organisierten Unternehmen ohne Hierarchien gelungen ist.

Niklas Zötler erzählt im Interview von Herausforderungen des Generationswechsels und davon, wie er in seinem über 570 Jahre alten Unternehmen Change-Prozesse umsetzt.: Unternehmensnachfolge-Geschichten: Zötler – die älteste Familienbrauerei der Welt

Und mehr zur Nachfolge im Team: Unternehmensnachfolge-Geschichten: Die jungen Schachteln führen im Doppelpack