Unternehmensnachfolge

Unternehmensnachfolge-Geschichten: Masterplan Digitalisierung

Eine Unternehmensnachfolge birgt viel Potenzial für Spannungen. Oftmals treffen dabei Generationen mit unterschiedlichen Mindsets aufeinander, der Nachfolger und Belegschaft stehen vor neuen Herausforderungen oder der Senior-Unternehmer hat Schwierigkeiten, seine Firma loszulassen. Bei Philipp Wilczek, Nachfolger in zweiter Generation, kamen alle diese Punkte zusammen. Vor wenigen Jahren übernahm er das Familienunternehmen CTS (Composite Technologie Systeme), ein Anbieter und Installateur für Hochleistungskunststoffe in der Bauindustrie. Wie er den Nachfolgeprozess gemeinsam mit seinem Vorgänger und Vater plante, erzählt er im Interview. Darin wird klar, warum jede Herausforderung auch einen Mehrwert beinhaltet.

„Die Digitalisierung im Unternehmen ist wie eine Operation am offenen Herzen.“

Eine Unternehmensnachfolge birgt viel Potenzial für Spannungen. Oftmals treffen dabei Generationen mit unterschiedlichen Mindsets aufeinander, der Nachfolger und Belegschaft stehen vor neuen Herausforderungen oder der Senior-Unternehmer hat Schwierigkeiten, seine Firma loszulassen. Bei Philipp Wilczek, Nachfolger in zweiter Generation, kamen alle diese Punkte zusammen. Vor wenigen Jahren übernahm er das Familienunternehmen CTS (Composite Technologie Systeme), ein Anbieter und Installateur für Hochleistungskunststoffe in der Bauindustrie. Wie er den Nachfolgeprozess gemeinsam mit seinem Vorgänger und Vater plante, erzählt er im Interview. Darin wird klar, warum jede Herausforderung auch einen Mehrwert beinhaltet.

Herr Wilczek, Ihr Vater Joachim Wilczek hat die Firma, die Sie heute leiten, vor 25 Jahren gegründet. Dadurch sind Sie sicher schon in jungen Jahren mit dem Thema Unternehmertum in Berührung gekommen. Wie war das für Sie?

Als Jugendlicher dachte ich mir: Ich mache alles, nur nichts mit Kunststoff. Auf jeder Urlaubsreise haben wir auf dem Hin- und Rückweg noch einen Geschäftspartner oder Kunden meines Vaters besucht. Beim Skilaufen klopfte er an jeder Gondel, um zu sehen, aus welchem Material sie ist: Stahl oder Kunststoff? Damals hat mich das natürlich genervt: Ich habe die Möglichkeiten dieses spannenden Materials noch nicht wahrgenommen und wollte einfach mit meiner Familie den Urlaub genießen.

Sie hatten also zunächst Zweifel, ob die Arbeit geschweige denn Nachfolge im Familienunternehmen für Sie infrage kommt?

Nun, als ich später gemerkt habe, was das Material alles kann und welche Zukunftschancen wir damit haben, hat sich meine Meinung schnell geändert. Mittlerweile arbeite ich schon seit 16 Jahren im Unternehmen. Nach meiner kaufmännischen Ausbildung und einer Weltreise war ich in meiner klassischen Findungsphase. Da ich handwerklich sehr geschickt bin, fing ich in der Produktion bei CTS an und fuhr für ein Jahr mit auf Montage. Das hat mir großen Spaß bereitet und so ergriff ich die Chance und übernahm anschließend den Außendienst für Norddeutschland. Damit war ich schnell sehr erfolgreich und baute unsere Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn aus, ein Bereich, in dem wir heute Marktführer in Europa sind. Ich habe also einen langen Reifeprozess im Unternehmen durchlaufen, anstatt als Sohn direkt ganz nach oben gesetzt zu werden.

Was war letztlich der Auslöser für Sie, die Nachfolge anzutreten?

Mein Vater hat die Firma mit einem Geschäftspartner aufgebaut. Als dieser Partner ausstieg, stand die Überlegung im Raum, das Unternehmen zu veräußern. Da musste ich mir also endgültig die Frage stellen: Möchte ich die Nachfolge antreten? Natürlich ist dieser Schritt mit einer großen Verantwortung verbunden. Aber ich entschied mich bewusst dafür, weil es mir viel wert war, mich selbst zu verwirklichen und meine eigenen Ideen im Unternehmen umsetzen zu können.

Wie haben Sie den Nachfolgeprozess dann gestartet?

Da es die erste Übergabe des Unternehmens war, gab es keine Blaupause, die wir zum Vergleich heranziehen konnten. Deswegen habe ich mir ziemlich schnell ein Netzwerk gesucht. So bin ich auf die Jungen Unternehmer aufmerksam geworden, ein Verband aus der Dachgesellschaft der Familienunternehmer, die fast 7.000 Familienunternehmen in Deutschland vertreten. Die Jungen Unternehmer sind Mitglieder unter 40, ein ganz bunter Strauß: selbständige Unternehmer, Gründer, Nachfolger, aber auch Junioren, also Unternehmerkinder, die noch keine Nachfolge angetreten sind. Ich wollte einen Austausch mit Personen in der gleichen Situation und mit einem ähnlichen Mindset und war mit meinen Interessen und Thematiken dort bestens aufgehoben. So konnte ich mich ideal vernetzen, besuchte Schulungen, nahm an Mentoring-Programmen teil und schloss Freundschaften. Inzwischen bin ich auch im Bundesvorstand der Jungen Unternehmer und im Klub der Nachfolger. Das Netzwerk hat mir im Nachfolgeprozess sehr geholfen, auch die dortige Unterstützung durch externe Berater. So haben mein Vater und ich uns also von allen Seiten beraten lassen und irgendwann ein Skript für die Nachfolge erstellt, einen Fünf-Jahres-Plan, in dem wir festhielten, welche Entscheidung und welche Maßnahme wann fällig ist. Dennoch bleibt der Prozess nicht immer auf der sachlichen Ebene, denn bei einer Übergabe spielen auch Emotionen eine wichtige Rolle.

Welche Emotionen waren das in Ihrem Fall zum Beispiel?

Mein Vater war zugleich mein Chef und dann auf einmal auch Geschäftspartner. Da treffen verschiedene Interessen aufeinander und es ist nicht wie im Management einfach eine reine Geschäftsbeziehung, die Rollen vermischen sich. Er ist der Gründer, die Firma sein Baby, er hat sie von Null erschaffen. Inzwischen haben wir 50 Mitarbeiter und einen Millionenumsatz. Das dann in andere Hände zu geben, selbst wenn es die Hände des eigenen Sohnes sind, fällt schon schwer. Da kann es manchmal knistern oder sogar knallen. Trotzdem ist irgendwann wieder Weihnachten und man sitzt zusammen um den Baum, da ist Harmonie natürlich wünschenswert. Deswegen haben wir gemeinsam Seminare besucht und zu verschiedenen Zeitpunkten zwei Mediationen gemacht. Anfangs haben wir außerdem vieles mündlich besprochen und sind dann zum Schriftlichen übergegangen. Auch wenn wir als hanseatische Kaufleute natürlich zu unserem gesprochenen Wort stehen – schriftliche Vereinbarungen sind verbindlicher und lassen weniger Raum für Interpretation.

Was hat sich im Unternehmen bereits verändert seit Ihrer Übernahme?

Die großen Veränderungen betreffen die Unternehmenskultur und die Digitalisierung. Es gab zum Zeitpunkt meiner Übernahme eine vorgegebene Arbeitsweise, die sich über die Jahre verfestigt hat. Dabei waren eher Wege vorgegeben als Ziele. Ich habe den umgekehrten Ansatz: Ich gebe Ziele vor. Wie wir auf den Berg kommen, ob wir drum herumlaufen, einen Tunnel graben, steil bergauf klettern, das ist zweitrangig. Jeder hat nun mal einen anderen Stil und eine andere Arbeitsweise. Die Digitalisierung treibe ich seit vier Jahren im Unternehmen voran. Die Einführung des ERP Systems war wie eine Operation am offenen Herzen.

Was liegt Ihnen als Führungskraft am meisten?

Ich bin Visionär. Ohne die große Vision funktioniert es auch nicht. Außerdem macht es mir ungeheuer Spaß, Menschen bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung zu begleiten. Ich führe viele persönliche Gespräche mit meinen Mitarbeitern. Ich kann mich gut in andere hineinversetzen und ich arbeite gern am großen Ganzen. Das sind meine Stärken und gleichzeitig meine großen Treiber, die mich täglich motivieren.

Welche Eigenschaften brauchen Unternehmensnachfolger Ihrer Ansicht nach in der Arbeitswelt der Zukunft?

Als Unternehmensnachfolger muss man sehr hartnäckig sein, immer dranbleiben, sich selbst motivieren können. Und es braucht eine Fähigkeit zur Selbstreflexion, denn als Geschäftsführer bekommt man selten echtes Feedback. Ein ehrliches Wort in die Richtung „Das hast du jetzt aber richtig schlecht kommuniziert“ kommt eigentlich nie direkt – ich würde es mir viel öfter wünschen. Da müssen Nachfolger sich dann selbst den Spiegel vorhalten. Außerdem sollten sie wissbegierig und bereit sein, sich die nötigen Skills auch proaktiv anzueignen. Man muss gerne mit Menschen zusammenarbeiten, denn ohne die geht es nicht, darf es auch nicht gehen. Und ganz klar: Man muss motiviert und positiv bleiben und Rückschläge als Chance wahrnehmen. Hinfallen kann jeder mal, man muss nur wieder aufstehen. Also: Fehler wahrnehmen, aber dann in eine Chance umwandeln. Ich glaube, wer das bewusst macht und sich zusätzlich täglich ein Stück weiterentwickelt – sei es über einen Podcast, ein Fachmagazin, ein gutes Gespräch – kann sich stetig verbessern. Jeden Tag um ein Prozent. Und das Jahr hat viele Tage.

Vielen Dank für das Interview!

 

Best Practice: Change Prozesse bei der Unternehmensnachfolge

Philipp Wilczek hat die Digitalisierung nach seiner Übernahme des Familienunternehmens erfolgreich angestoßen – ein großer Change Prozess, der mit zahlreichen Herausforderungen verbunden war. Im Artikel „Unternehmensnachfolge als Triebfeder für die Digitalisierung“ gibt er weitere Einblicke über den Ablauf und seine persönlichen Learnings.