Unternehmensnachfolge

Unternehmensnachfolge-Geschichten: Trends und Nachfolge-Modelle in Deutschland (Teil 2)

Aktuelle Trends und Tipps der Nachfolgeregelung aus erster Hand: Dinah Spitzley beschäftigt sich am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) intensiv mit der nächsten Generation in deutschen Familienunternehmen.

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Was die Unternehmensnachfolge in Deutschland braucht, sind starke Vorbilder, Austausch und Offenheit für neue Nachfolge-Modelle.

Aktuelle Trends und Tipps der Nachfolgeregelung aus erster Hand: Dinah Spitzley beschäftigt sich am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) intensiv mit der nächsten Generation in deutschen Familienunternehmen. Im ersten Teil unseres Interviews berichtete sie von dem Langzeit-Projekt „2024“, bei dem junge Mitglieder aus Unternehmerfamilien sich austauschen, um ihre Rolle im und die Beziehung zum Familienunternehmen reflektieren zu können.

Sie selbst ist ebenfalls Unternehmerkind: Ihr Vater Joachim Spitzley führt in zweiter Generation die bito AG, ein Berliner Markenhersteller für alle Produkte im Bereich Farben, Bodenbeläge und Wärmedämmverbundsysteme. „Meine Eltern und ich haben gerade begonnen, den Nachfolgeprozess anzustoßen und führen regelmäßige Gespräche mit unserem externen Vorstand über unsere Ziele und Erwartungen. Zunächst plane ich aber, etwas Eigenes zu gründen.“ Wie vielversprechend neue Nachfolge-Modelle wie etwa External Corporate-Venturing Konzepte für Nachfolger im Familienunternehmen sein kann, erzählt sie im Interview.

Frau Spitzley, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Familienunternehmen sind sie hautnah an der Nachfolge-Generation dran. Welche Werte und Einstellungen verfolgt sie Ihren Erkenntnissen nach?

Wir sehen, dass für die nächste Generation in Deutschland vor allem die Eigenverantwortung von Bedeutung ist. Außerdem ist ihnen ein intaktes soziales Umfeld sehr wichtig, die Familie hat einen hohen Stellenwert. Weiterhin zählen aber auch Themen wie Individualität und Selbstverwirklichung. Dieses Spannungsfeld finde ich sehr interessant: Auf der einen Seite gibt es eine starke Orientierung hin ins Familienunternehmen und den klaren Wunsch, das Unternehmen fortzuführen. Wir erleben also schon den transgenerationalen Gedanken, damit ist auch sehr viel Stolz verbunden. Auf der anderen Seite sind sie aber auf ihre selbst gesetzten Ziele und ihre persönliche Selbstverwirklichung bedacht. Mit einem Familienunternehmen geht auch Druck einher, weil alle Nachfolger sich die Frage stellen: Kann und will ich die Fußstapfen, in die ich trete, ausfüllen?

Gibt es Unterschiede in den Einstellungen oder Herausforderungen zwischen Männern und Frauen in der Nachfolge?

Wir sehen, dass weniger Frauen in Erwägung ziehen, tatsächlich die Geschäftsführung des Unternehmens zu übernehmen. Sie sind durchaus bereit, als Mitarbeiterin in einem Anstellungsverhältnis ins Familienunternehmen einzusteigen. Sie scheinen tendenziell größeren Respekt vor der Aufgabe zu haben, besonders in großen Familienunternehmen: Je größer das Unternehmen, desto größer erscheint uns der Respekt.

Die Frauen zeigen auch die Tendenz, sich in ihrer Ausbildung und persönlichen Entwicklung außerhalb des Familienunternehmens weiterzuentwickeln. Man sieht also schon eine Differenz zwischen dem unternehmerischen Selbstvertrauen bei den männlichen und weiblichen Befragten – der Unterschied ist signifikant.

Nachfolgerinnen sind teilweise eher darauf bedacht, dass das Klima und der Familienzusammenhalt fortbestehen, das ist dann oftmals wichtiger als die unternehmerische Beziehung. Ich bin selbst Nachfolgerin. Mein Vater und ich hatten ein paar Konflikte, die das Familienunternehmen und den Druck zur Übernahme betrafen, aber dass ich eine Frau bin, war nie ein Thema. Bei uns ist die Geschäftsführung zu fast der Hälfte weiblich besetzt. Ich denke, dass das bei vielen Familien noch sehr anders ist. Aber im Projekt 2024 sind sehr viele Frauen, die die Nachfolge antreten, das ist vor allem in den kleinen und mittleren Betrieben der Fall.

Was, denken Sie, muss passieren, damit der Frauenanteil in der Nachfolge weiter steigt?

Ich glaube, wir brauchen einfach mehr Vorbilder und Austausch. Die weibliche nächste Generation muss mitbekommen, dass die Nachfolge möglich ist, auch in Bezug auf Vereinbarkeit mit der Familienplanung. Es braucht eine Möglichkeit, sich mit erfolgreichen Nachfolgerinnen auszutauschen, Mut zu schöpfen, Erfahrungen zu hören, um dann vielleicht sogar in eine Art Coaching mit ihnen zu gehen.

Welche Fähigkeiten bringt die Nachfolge-Generation schon mit und bei welchen gibt es noch Aufholbedarf?

Grundsätzlich stellen wir fest, dass gerade auch die jüngeren potenziellen Nachfolger und Unternehmerkinder ein sehr ausgeprägtes unternehmerisches Selbstvertrauen haben. Sie fühlen sich in der Lage, ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Wo es dann aber wiederum hapert, ist das tatsächliche Wissen dafür – da sehen wir eine Diskrepanz zwischen dem Willen und den Fähigkeiten, die teilweise fehlen. Nicht nur die Fach- und Branchenkenntnis, sondern auch das unternehmerische Skillset.

Natürlich bekommt jeder, der in einer Unternehmerfamilie aufwächst, das von zuhause zu einem gewissen Grad mit. Aber in den Schulen und Universitäten findet das Thema Gründung und Unternehmertum bislang wenig Einzug. Ein Trend, den ich sehr begrüße, ist die Entwicklung, dass immer mehr Unternehmerkinder zunächst ein eigenes Unternehmen gründen und später ins Familienunternehmen einsteigen.

Welche alternativen Möglichkeiten und Rollen gibt es noch für die Nachfolge?

Es gibt zunächst neben der sehr klassischen operativen Management-Nachfolge die Gesellschafter-Nachfolge. Außerdem kann ich mich als Mitarbeiter anstellen lassen, also nicht unbedingt auf die Führungsebene gehen. Was wir immer häufiger beobachten, ist, dass die jüngere Generation in den Beirat und Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat geht – der wird dann sowohl aus Junior- als auch Senior-Generation besetzt, das sieht man aktuell zum Beispiel bei der Firma Bahlsen. Das halte ich für einen sehr guten Ansatz.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Junior-Generation zunächst nur beratend zur Seite steht, das geschieht oft im Thema Digitalisierung. Das eben erwähnte Konzept, das immer beliebter ist, ist das External Corporate-Venturing. Sprich: Die Junior-Generation erhält die Möglichkeit, ein Unternehmen außerhalb der Sphäre des Kernunternehmens zu gründen und dort die nötigen Erfahrungen zu sammeln und zu experimentieren – in Begleitung von Mitarbeitern des Familienunternehmens aus der Senior-Generation. Das Modell schafft viele Möglichkeiten, auch um Wachstum für das Familienunternehmen zu generieren. Beide Seiten profitieren und lernen voneinander.

Was passiert mit dem neu gegründeten Unternehmen, wenn der Nachfolger in die operative Geschäftsführung des Familienunternehmens geht?

Das kommt ganz auf die Rahmenbedingungen an, die man gesetzt hat: Ist das Geschäftsmodell nah am Modell des Kernunternehmens, ist es weit weg? Wie sieht die Eingliederung aus, wird es zum Tochterunternehmen oder bleibt es ein eigenständiges Unternehmen mit neuer Geschäftsführung? Es könnte auch ganz in das Familienunternehmen integriert werden. Da gibt es sehr viele denkbare Modelle, wie das Ganze aussehen kann, das Konzept ist flexibel.

Das Schöne daran ist: Die Nachfolger bekommen die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren, ein Unternehmen vom Grund auf aufzubauen und somit alle Prozesse durchzugehen, statt nur einen kleinen Teil zu sehen. Es ermöglicht ihnen, sich den Wunsch nach Selbstverwirklichung zu erfüllen und dennoch den so wichtigen Wert der Familie zu leben – denn ihr Herz hängt daran, das Unternehmen weiterzuführen.

Vielen Dank für das Interview!