HR-Management und Lohnbuchhaltung

Persönlichkeitsrecht 2023: So vermeiden Arbeitgeber Verstöße gegen Mitarbeiter und Bewerber

Die Arbeitsrechtlerin Smaro Sideri leuchtet im Interview die wichtigsten Grauzonen zum Datenschutz und Persönlichkeitsrecht aus und gibt Tipps zur Risikovermeidung.

Persönlichkeitsrecht wahren im Unternehmen

Häufig ist Arbeitgebern gar nicht bewusst, dass sie sich am Rande der Legalität bewegen, wenn es um das Datenschutz- und Persönlichkeitsrecht ihrer (potentiellen) Mitarbeiter geht. – Sei es, einen Bewerber vor dem Bewerbungsgespräch zu googeln, Mitarbeiter beim Firmenevent zu filmen oder Mitarbeiterfotos für die Bereitstellung in sozialen Netzwerken zu verlangen. In vielen Fällen wird das Datenschutzrecht der Mitarbeiter massiv verletzt, falls diese nicht vorab schriftlich zugestimmt haben. Die Arbeitsrechtlerin Smaro Sideri leuchtet die wichtigsten Grauzonen zum Datenschutz und Persönlichkeitsrecht aus und gibt Tipps zur Risikovermeidung.

„Was ist unter dem Persönlichkeitsrecht zu verstehen; ist z.B. Datenschutz ein Persönlichkeitsrecht?“

Smaro Sideri: Das Persönlichkeitsrecht resultiert aus dem Grundgesetz und ist als eines der wichtigsten Grundrechte in Art 2 GG geregelt. Danach hat jeder Mensch das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit nicht die Rechte anderer verletzt werden.

„Wo liegen genau die rechtlichen Grauzonen in der digitalen Arbeitswelt für das Persönlichkeitsrecht und den Datenschutz? Betrifft das nur Bewerber oder auch Angestellte?“

Smaro Sideri: Die wichtigste Regelung zum Beschäftigtendatenschutz ist eine aus dem Bundesdatenschutzgesetz, das der DSGVO untergeordnet ist. Denn gemäß § 26 BDSG ergibt sich, dass Daten von Beschäftigten nur für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden dürfen, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

Derselbe Grundsatz gilt nicht nur für externe Bewerber vor einer Einstellung, sondern auch für bereits angestellte Mitarbeitende. Auch in einem laufenden Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz der Datensparsamkeit.

„HR-Mitarbeiter nutzen das Internet, um sich ein Bild von den Bewerbern zu machen. Gibt es hier legale Möglichkeiten, um sich über den Background von Bewerbern zu informieren?“

Smaro Sideri: Zulässig ist, diejenigen Daten der Bewerber im Internet zu recherchieren und zu nutzen, die die Bewerber selbst öffentlich eingestellt haben, wie die eigene Website. Denn es ist davon auszugehen, dass der Kandidat öffentliche Informationen wie Werdegang, Kenntnisse und Fähigkeiten, die aus dem Webauftritt zu entnehmen sind, absichtlich für die Recherchezwecke dort eingestellt hat.

Die öffentlich zugänglichen Informationen auf beruflichen Netzwerken – wie LinkedIn und Xing – die gerade der beruflichen Nutzung dienen, sind ebenfalls als Informationsquelle zulässig.

Private Profile auf anderen sozialen Netzwerken, wie Facebook, sind dagegen für eine berufliche Recherche tabu. Denn dabei handelt es sich nicht um erforderliche Daten für die Entscheidungsfindung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.

„Auch bei Angestellten im Unternehmen fallen viele Daten an. Regelt der Arbeitsvertrag nicht alle Fragen zum Datenschutz der Arbeitnehmer? Was können Arbeitgeber tun, um hier rechtlich abgesichert zu sein?“

Smaro Sideri: Im Arbeitsvertrag sind die wesentlichen Vertragsbedingungen geregelt. Von den Daten der Arbeitnehmer sind meistens nur der Name und die Anschrift enthalten, selten auch mal das Geburtsdatum. Weitere persönliche Daten sind im Arbeitsvertrag nicht enthalten.

Möchte der Arbeitgeber Daten der Arbeitnehmer wie Religionszugehörigkeit oder Familienstand verwenden, die über das für das Arbeitsverhältnis Erforderliche hinausgehen, muss er sich eine ausdrückliche Einwilligung zu den genau bezeichneten Daten, die er erheben bzw. verwenden möchte, in schriftlicher Form geben lassen.

Und nicht zu vergessen: Arbeitnehmer haben einen Auskunftsanspruch nach § 57 BDSG über die erfassten und verarbeiteten Daten und sie können jederzeit Einblick in ihre Personalakte nehmen. Dazu besteht ein Berichtigungsanspruch bei Unrichtigkeit der erfassten Daten gemäß § 58 BDSG. Sind die erhobenen und verarbeiteten Daten nicht mehr erforderlich, haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Löschung der Daten nach § 58 Abs. 2 BDSG.

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„Neben dem Datenschutz gilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers als besonders schutzwürdig. Gibt es hier einen „Verhandlungsspielraum“ für Arbeitgeber?“

Smaro Sideri: Arbeitgeber haben im Bewerbungsverfahren für die Besetzung einer Stelle ein Informationsrecht. Sie haben ein berechtigtes Interesse daran, wahrheitsgemäße Angaben zu erhalten, hinsichtlich der erforderlichen Voraussetzungen für die gesuchte Stelle. Sofern bei dem Bewerbungsgespräch Mitarbeiter nicht das Persönlichkeitsrecht der Bewerber durch zu private oder diskriminierende Fragen verletzen, können Arbeitgeber alle für die Stelle erforderlichen Informationen erfragen.

„Inzwischen gibt es viele Tools und Programme, die automatisch Daten wie Telefongespräche oder Nutzungsdauer zu Analysezwecke aufzeichnen. Hier vermischen sich Richtlinien von IT und HR. Wie können Arbeitgeber mit diesen Risiken aus beiden Bereichen zielführend umgehen?“

Smaro Sideri: Die Anwendung von IT-Systemen in Betrieben sind generell von betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu prüfen und „freizugeben“, damit die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen beachtet sind.

In Betrieben mit Betriebsräten gehört die Anwendung von IT-Tools – ob für die HR oder für andere Bereiche – zur Mitbestimmung des Betriebsrats. Hier sind Betriebsvereinbarungen abzuschließen, in denen die Anwendung und Auswertung erfasster Daten zwischen den Betriebsparteien zu regeln sind. Durch die Beteiligung des Betriebsrats besteht eine gewisse Gewähr, die Arbeitnehmerinteressen zu beachten.

„Im Datenschutz gilt die Verhältnismäßigkeit bei der Speicherung von Daten. Was ist hierbei verhältnismäßig und wer entscheidet darüber, ob die Grenze überschritten wurde?“

Smaro Sideri: Zwischen den Branchen und Tätigkeiten bestehen große Unterschiede. Die erforderlichen Daten unterscheiden sich daher auch stark. Ein Arbeitgeber ab einer Betriebsgröße von 20 Mitarbeitern ist verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellten, der die betrieblichen und gesetzlichen Besonderheiten hinsichtlich der Datenerfassung und Nutzung berücksichtigt. Der Datenschutzbeauftragte entscheidet nach den gesetzlichen und betrieblichen Vorgaben, welche Daten das Unternehmen im Sinne der Verhältnismäßigkeit erfasst und speichert.

Fazit

Arbeitgeber können heute Bewerberprofile in sozialen Netzwerken recherchieren, Mitarbeiter bei Firmenevents filmen oder ihre Bilder für die Unternehmenswebsite nutzen. Doch nicht alles was technisch machbar ist, ist auch rechtlich erlaubt. Die DSGVO, das Arbeitsrecht – und nicht zuletzt das Grundgesetz, setzen Arbeitgebern bei der Datenspeicherung und -verarbeitung enge Grenzen.

So müssen Arbeitgeber bereits im Bewerbungsverfahren die Persönlichkeitsrechte der Bewerber achten. Wird aus dem Bewerber ein neuer Mitarbeiter, enthält der Arbeitsvertrag nur wenige, erforderliche Daten zur Person. Für alle weiteren Informationen braucht der Arbeitgeber die schriftliche Zustimmung der Mitarbeiter. Digitale Tools, die automatisch Mitarbeiterdaten speichern, sind vom betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu prüfen und freizugeben. Und Mitarbeiter haben einen Auskunftsanspruch, so dass sie jederzeit Einblick in ihre Personalakte nehmen können.

Über Rechtsanwältin Smaro Sideri:
Fachanwältin für Arbeitsrecht seit 18 Jahren, Referentin für arbeitsrechtliche Seminare für HR und Führungskräfte sowie für Betriebsräte, Erstellung von Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen – Podcasthost von „Attraktive Arbeitgeber gesucht“.

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