Agile Working: Kann eine 4-Tage-Woche die Team-Performance verbessern?
Kann die 4-Tage-Woche wirklich die Team-Performance verbessern? Warum Agile Working einen Versuch wert ist und was People Leader beachten sollten.
Viele Länder zeigen bereits, wie es geht: Großbritannien testet in dem momentan weltweit größten Pilotprojekt die 4-Tage-Woche. Auch Belgien hält Schritt im Thema Agile Working und führt eine gesetzlich geregelte 4-Tage-Woche ein.
Ganz so weit ist Deutschland noch nicht – aber auch hier werden die Stimmen nach flexiblen Arbeitsmodellen lauter und erste Unternehmen testen diese auf eigene Faust. Aus gutem Grund: 71 Prozent der Bundesbürger wünschen sich laut Umfragen eine 4-Tage-Woche. Selbstbestimmtes Arbeiten und kürzere Arbeitszeiten sollen zudem die Performance verbessern. Außerdem bleibt mehr Zeit für Familie, Freizeit und Termine. Aber für wen lohnt sich die verkürzte Woche und wie können People Leader sie effektiv für eine bessere Performance nutzen?
Diese deutschen Unternehmen testen die 4-Tage Woche
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile Unternehmen, die die 4-Tage-Woche eingeführt haben – so auch vereda, eine Digitalagentur aus Münster. „Das Feedback aus dem Team ist durchweg positiv. Natürlich freut sich auch jeder über drei Tage Wochenende, aber viel mehr geht es um die Freude, dass wir als vereda mutig sind und zukunftsfähige Modelle nutzen.“, so Gründer und Geschäftsführer Torben Atzberger.
Durch die Freizeit steige eben auch die Kreativität, was gerade im Werbesektor sehr vorteilhaft sei.. Aber nicht nur in dieser Branche macht die 4-Tage-Woche Sinn: Torben Atzberger ist der Meinung, es könne sich für jedes Unternehmen lohnen, über das Konzept nachzudenken. Bei vereda habe die Vorbereitung etwa ein halbes Jahr eingenommen: „In diesem Zeitraum haben wir mit anderen Agenturen und Unternehmen gesprochen, die bereits mit der 4-Tage-Woche arbeiten, um uns hier weiter zu informieren und offene Fragen zu klären. Gleichzeitig sind wir mit der IHK in den Austausch gegangen, um das Thema Ausbildung zu klären.“
Auch mittelständische Produktionsbetriebe setzen auf New Work: Die BORCO HÖHNS GmbH testet derzeit in einem bundesweit einzigartigen Pilotversuch die 4-Tage-Woche. Das Ziel: Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Geschäftsführer Andreas Elsäßer hält das gerade in Zeiten des Fachkräftemangels für wichtig, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.
„Die Umstellung auf die 4-Tage-Woche ist eine Veränderung. Veränderungen werden immer von gemischten Gefühlen und Ängsten begleitet. Daher ist es entscheidend, eine solche Umstellung auch kulturell begleiten zu lassen. Es gilt zu vermeiden, dass die anfängliche Euphorie nicht durch die im Alltag entstehenden Hürden in Frustration umschlägt.“, so der Familienunternehmer.
„Zudem bedeutet die 4-Tage-Woche aus unternehmerischer Sicht natürlich auch, dass der Output bei weniger Zeitaufwand nicht abfallen darf. Dazu ist es essenziell, die Mitarbeiter zu begleiten und zu stärken. Um diesen Faktoren gerecht zu werden, haben wir uns entschieden, bewusst an der Unternehmenskultur zu arbeiten. Basierend auf den Säulen Selbstverantwortung, psychologische Sicherheit und Stärkenorientierung bauen wir eine Kultur auf, an der alle Mitarbeiter die Möglichkeit haben, wirklich mitzuwirken und mitzugestalten.“ Auf LinkedIn berichtet Andreas Elsäßer unter dem Hashtag #einfachmachen stolz über das positive Feedback zum Projekt und ruft auch andere Unternehmer dazu auf, sich zu vernetzen.
Compliance Check: Was ist bei der 4-Tage-Woche zu beachten?
Die beiden Unternehmer berichten von keinen nennenswerten rechtlichen Hürden bei der Einführung der 4-Tage-Woche. Ein paar Vorgaben gibt es aber zu beachten:So ist die 4-Tage-Woche, bei welcher der Stundenumfang von 40 Stunden in vier Tagen gleichbleibt, zu unterscheiden von einer 4-Tage-Woche mit weniger Arbeitszeit bei gleichem Gehalt: also 28 bis 32 Stunden in vier Tagen. Die erste Variante ist in Deutschland aus arbeitsrechtlicher Sicht problematisch, denn hier liegt die maximal erlaubte Arbeitszeit für die 5-Tage-Woche in der Regel bei acht Stunden täglich. Ausnahmsweise kann sie auf zehn Stunden erhöht werden, aber nur wenn es innerhalb von sechs Monaten zu einem Ausgleich kommt. Die 4-Tage-Woche mit einem Stundenumfang von 40 Stunden liegt somit am Limit des arbeitsrechtlich Zulässigen und kann eine Hürde für Arbeitgeber darstellen. Hier macht es Sinn, sich frühzeitig von Experten beraten zu lassen.
Vorteile einer 4-Tage-Woche
Die Testläufe aus anderen Ländern wie etwa Belgien, Spanien, Island, Japan und zuletzt auch Großbritannien liefern wertvolle Ergebnisse, aus denen der deutsche Mittelstand lernen kann: Von Juni bis Dezember 2022 nehmen über 70 Unternehmen mit 3.000 Arbeitnehmern aus 30 Sektoren an dem Pilotprojekt des Vereinigten Königreiches teil. Forschende der Cambridge University und der Oxford University sowie dem Boston College begleiten das Projekt und untersuchen die Auswirkungen auf die Produktivität. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend: Aus bereits abgeschlossenen Projekten geht hervor, dass Angestellte aufgrund der Erholungspausen motivierter und produktiver sind.
„Indem man die Bezahlung und Produktivität beibehält, ändert man die Denkweise innerhalb eines Unternehmens von einem zeitorientierten Ansatz hin zu einem, der sich auf Leistung konzentriert“, so Kyle Lewis, der Mitgründer von Autonomy, welcher das britische Projekt begleitet, gegenüber der WirtschaftsWoche. Die geringere Arbeitszeit sei ein Anreiz dafür, effizienter zu arbeiten. Außerdem lassen sich bei den drei Tagen Pause positive Auswirkungen auf die Gesundheit feststellen: Angestellte ließen sich weniger krankschreiben und nutzten die Freizeit sinnvoll, wie z.B. für Sport oder ein neues Hobby, aber auch für das Erledigen wichtiger Termine wie einen Arztbesuch.
Ein Schlüssel zur besseren Team-Performance?
Die ersten Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche sprechen also für sich. Doch wie jedes neue flexible Arbeitsmodell erfordert auch dieses gute Planung, Kommunikation und Reflexion. Zunächst erschwert es die Personalplanung und macht gegebenenfalls neue Schichtmodelle notwendig. Hier ist enger Austausch im Team unabdingbar, damit das Modell auch das erfüllt, was es soll, anstatt mehr Stress zu verursachen. Wer mit seinem Team in den Dialog tritt, mit Innovationsfreude vorangeht und Lust auf Agile Working hat, kann mit der 4-Tage-Woche die Team-Performance aber höchstwahrscheinlich tatsächlich aktiv verbessern. Es lohnt sich, mit dem eigenen Team neue Wege auszuprobieren.
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