HR-Management und Lohnbuchhaltung

Produktivitäts­paranoia und Micromanagement: Die Burnout-Falle für Mitarbeiter

Hybride Arbeitsformen bestimmen immer mehr die Berufswelt. Die Umstellung auf Remote Leadership ist jedoch für viele Führungskräfte nicht einfach. Ein Umdenken hin zu einer vertrauensbasierten Führung auf remote Basis, die Mitarbeiter ermächtigt und unterstützt, ist der Schlüssel zur Förderung von Engagement, Innovation und einer produktiven Zusammenarbeit.

Seit der Corona-Pandemie haben flexible Arbeitsmodelle weltweit Aufwind bekommen. Denn Büroangestellte haben vermehrt Gefallen daran gefunden, ihren Arbeitsalltag aufzulockern, indem sie mal im Homeoffice, mal von einem anderen Ort aus oder wechselweise remote und dann wieder in der Firma tätig sind. Die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft tut ein Übriges: Immer mehr Unternehmen unterhalten Teams, die räumlich und zeitlich voneinander getrennt sind. Diese müssen angeleitet werden – und obgleich dezentrale Arbeitsformen inzwischen weit verbreitet sind, erleben viele Führungskräfte Remote Leadership (Führung auf Distanz) als eine große Herausforderung.

Produktivitätsparanoia und Micromanagement: Die Microsoft-Studie enthüllt die Schattenseiten des hybriden Arbeitens

Die gewandelten Arbeitsbedingungen und wie ihnen begegnet werden kann, stehen im Zentrum des „Work Trend Index Special Reports“ von Microsoft. Es handelt sich um eine Studie, die weltweit mit insgesamt 20.000 Teilnehmern durchgeführt wurde und den Titel „Hybrid work is just work. Are we Doing it wrong?“ trägt. Schon in der Überschrift klingt an, dass mit hybridem Arbeiten noch nicht alles richtig läuft.

Die Studienergebnisse lassen Folgendes erkennen:

  • Angestellte arbeiten mehr als je zuvor, die Summe der Arbeitsstunden und Überstunden hat sich erhöht
  • die Anzahl der Meetings pro Woche ist seit Beginn 2020 weltweit um ein Vielfaches, nämlich um 153 Prozent, gestiegen
  • Durch Multitasking hat sich die Belastung für zahlreiche Mitarbeiter erhöht, so sind knapp die Hälfte von ihnen mit dem Verschicken von E-Mails und anderer Nachrichten während der Meetings beschäftigt
  • Das Vertrauen der Führungskräfte in Zeiten von Remote Work nimmt eklatant ab, wenn Teammitglieder außer Sicht- und Reichweite sind. Daher greifen Arbeitgeber immer häufiger auf Tools zurück, um die Aktivitäten der Mitarbeiter zu messen.
  • Die Kontrolle durch den Arbeitgeber lässt umgekehrt das Vertrauen bei der Belegschaft sinken und führt zu einem „Produktivitätstheater“: Bei diesem wird eine starke Beschäftigung demonstriert, ohne dass tatsächlich effiziente Ergebnisse erzielt werden.

Was ist eigentlich Produktivitätsparanoia und Micromanagement?

Definition Produktivitätsparanoia

Unter dem Begriff „Produktivitätsparanoia“ versteht man ein gewisses Misstrauen (Paranoia) seitens der Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern. Sie befürchten Produktivitätseinbußen aufgrund mangelnder Effizienz im Homeoffice.  

Dazu trägt sicher bei, dass Führungskräfte ihren Mitarbeiter nicht wie früher bei der Arbeit zusehen können, wenn sie den Flur entlanggehen oder am Konferenzraum vorbeikommen. Der Druck auf die Beschäftigten, sich beweisen zu müssen, nimmt damit zu, ebenso ihre digitale Überforderung. So untergräbt dieser Produktivitätswahn hybride Arbeitsformen und macht sie wenig nachhaltig. Doch trotz Gesprächen und digitalem Austausch bleibt manchmal das Gefühl zurück: Was passiert genau im Homeoffice? Seien wir ehrlich: Ein Restrisiko bleibt. Und mehr Kontrolle ist der falsche Weg.

Was auffällt in der Studie, ist vor allem die Diskrepanz in der Wahrnehmung von Führungskräften und Mitarbeitern bezüglich Arbeitseinsatz und Arbeitsproduktivität. Die große Mehrheit der Arbeitnehmer (87 %) ist der Meinung, dass sie auch bei hybriden Arbeitsformen produktiv sein können. Fast genauso viele Vorgesetzte, nämlich 85 %, halten dagegen und meinen, dass ihre Mitarbeiter beim Remote Working nicht so ergiebig arbeiten wie im normalen Büroalltag.

Definition Micromanagement

Damit ist ein Führungsverhalten gemeint, bei dem sich die Führungskräfte kontinuierlich in die Arbeit ihrer Mitarbeiter einmischen und Kreativität und Entscheidungsfreiheit wenig Raum geben. Hinter dem Kontrollwahn steckt oft Unsicherheit, wie bei der Umstellung auf Remote Work vorzugehen ist. Und diese Unsicherheit ist ein hoher Stressfaktor, der die eigene Leistungsfähigkeit reduziert und schlimmstenfalls zu Überbelastung und Burn-Out bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitern führen kann.

Micromanagement manifestiert sich in verschiedenen Formen, die sich negativ auf das Arbeitsumfeld auswirken können. Wenn Mitarbeiter jede E-Mail, jedes Dokument oder Schreiben mit ihrer Führungskraft abstimmen müssen, ist das ein deutliches Zeichen von Micromanagement. Ebenso deutlich wird es, wenn die Führungskraft umfassende Arbeitsanweisungen, Regeln und Guidelines entwickelt und auf Mitzeichnungen und Freizeichnungen besteht. Die Tatsache, dass sich Mitarbeiter für jede Pause ab- und bei ihrer Rückkehr wieder anmelden müssen, oder dass Urlaub und Homeoffice im Voraus genehmigt werden müssen, sind weitere Anzeichen für ein übertriebenes Kontrollverhalten. Eine Atmosphäre der Angst vor Fehlern oder Fehlverhalten verstärkt diese Tendenz zusätzlich. Wenn die Führungskraft regelmäßig viele Überstunden von den Mitarbeitern erwartet oder fördert, kann dies ebenfalls ein Indikator für Micromanagement sein. Es ist wichtig, solche Tendenzen zu erkennen und Wege zu finden, um ein gesundes Maß an Vertrauen und Selbstständigkeit in der Arbeitsumgebung zu fördern.

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Welche Folgen hat Produktivitätsparanoia und Micromanagement auf die Arbeitsproduktivität?

Die Folgen einer solchen Haltung der Führungskraft können folgende Auswirkung haben: Der Druck auf Mitarbeiter wächst, die Einhaltung von Zielvorgaben und Zeitplänen wird genauer überwacht, die Arbeitsleistung mittels Technologien kontrolliert. Das kann bei einzelnen Mitarbeitern und sogar ganzen Teams zu Demotivation und Unzufriedenheit führen. Und dies hat dann wirklich Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität und den Erfolg eines Unternehmens, denn die Mitarbeitermotivation ist ein entscheidendes Erfolgskriterium. Weiterhin kann es zu erhöhter Mitarbeiterfluktuation und Burnout-Gefahr kommen.

Produktivitätsparanoia hat für Unternehmen verschiedene negative Auswirkungen, von denen hier nur einige genannt werden sollen:

  • Arbeitnehmerüberwachung
  • Burnout-Gefahr
  • Geringe Mitarbeitermotivation und Engagement
  • Erhöhte Personalfluktuation

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Die Forschungen des Instituts der deutschen Wirtschaft haben deutlich gezeigt, dass blindes Kontrollverhalten mehr Schaden anrichtet als blindes Vertrauen. In der heutigen Zeit ist Vertrauen kostbarer und wichtiger denn je. Doch wie können wir Vertrauen in Situationen aufbauen, die mit Risiken behaftet sind? Es ist wichtig zu verstehen, dass Vertrauen keine Einbahnstraße ist. Es liegt nicht allein in der Verantwortung der Mitarbeiter, Vorleistung zu erbringen, damit Führungskräfte ihnen nicht mehr mit Misstrauen begegnen. Das Geben von Vertrauen und das vertrauenswürdig sein ähneln dem Überqueren einer Brücke – man muss den ersten Schritt wagen, selbst wenn man nicht genau weiß, was einen auf der anderen Seite erwartet.

Hierbei gibt es einen zentralen Ausgangspunkt: Vertrauen beginnt bei uns selbst. Während es zahlreiche Modelle für zwischenmenschliches Vertrauen gibt, sind konkrete Umsetzungsvorschläge für die eigene Persönlichkeit eher rar. Es ist von großer Bedeutung, dass wir uns selbst reflektieren und an uns arbeiten, um Vertrauen aufzubauen und vertrauenswürdig zu sein. Indem wir an unserer Kommunikation, unserer Transparenz und unserer Verlässlichkeit arbeiten, können wir die Grundlage für ein starkes Vertrauensverhältnis schaffen – sowohl im beruflichen als auch im persönlichen Kontext.

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Ein konstruktives Feedbacksystem statt Micromanagement

Es spielt demnach eine wichtige Rolle, dass Führungskräfte eine ausgewogene und vertrauensvolle Haltung bei Remote Leadership einnehmen. Sie sollten ihren Mitarbeitern den Weg aufzeigen statt ihnen ihr Handeln vorzuschreiben. Das dürfte so ziemlich das Gegenteil von dem sein, was im Business als Micromanagement bezeichnet wird. Wie aber ist es möglich, das richtige Maß zwischen Kontrolle und Vertrauen zu finden? Denn wenn zu wenig kontrolliert wird, kann das wiederum auf andere verunsichernd wirken.

Die Microsoft-Studie rät Unternehmen, sehr bald ein Feedbacksystem einzuführen, mit regelmäßigen Gesprächen auf Unternehmens-, Abteilungs- und Teamebene. Konstruktive Feedbackgespräche sind solche, bei denen insbesondere die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, Anregungen und konkrete Optimierungsvorschläge vorzubringen. Manager und Führungskräfte sollten sich mehr als Coaches begreifen, die aktiv zuhören und ihre Mitarbeiter zu einer offenen Kommunikation ermutigen. Wenn sie bereit sind, in Zeiten von New Work mit traditionellen Methoden aufzuräumen und Ihr Mindset den Herausforderungen anzupassen, wird das positive Auswirkungen auf die Zusammenarbeit haben.

Hier Sind 5 Tipps, wie Sie Führung auf Remote Basis meistern.

Häufige Fragen zum Thema Produktivitätsparanoia (Productivity Paranoia) und Micromanagement

Was ist das Gegenteil von Micromanagement?

Makromanager setzen einen anderen Führungsstil ein, der dem Mikromanagement entgegengesetzt ist. Sie befähigen ihre Teammitglieder, indem sie ihnen Ziele vorgeben und ihnen gleichzeitig die Freiheit geben, selbstständig herauszufinden, wie sie diese Ziele erfolgreich erreichen können. Anstatt jeden Schritt zu kontrollieren und detaillierte Anweisungen zu geben, vertrauen Makromanager darauf, dass ihre Mitarbeiter die notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Indem sie den Mitarbeitern Raum zur Entfaltung geben, fördern Makromanager Kreativität, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit. Dieser Führungsstil ermöglicht es den Teammitgliedern, ihre Stärken einzusetzen, innovative Lösungen zu finden und persönliches Wachstum zu erfahren. Im Gegensatz zum Mikromanagement, das oft zu geringer Motivation und Frustration führt, schafft das Makromanagement eine positive und produktive Arbeitsumgebung, in der Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können.

Was sind die Ursachen von Produktivitätsparanoia?

Produktivitätsparanoia kann mit verschiedenen anderen Führungsproblemen in Verbindung stehen. Dazu gehören unklare oder unerfüllbare Erwartungen, mangelndes Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten sowie suboptimale Arbeitsauslastung oder Arbeitsabläufe. Wenn Erwartungen nicht klar definiert sind oder unrealistisch hoch gesetzt werden, kann es für Führungskräfte und Arbeitgeber schwierig sein, die gewünschten Ergebnisse zu sehen. Das Fehlen von Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten kann zu Unsicherheit und einem gesteigerten Druck führen, was die Produktivität negativ beeinflussen kann. Darüber hinaus können suboptimale Arbeitsauslastung oder ineffiziente Arbeitsabläufe dazu führen, dass die Produktivität stagniert und Frustration aufkommt. Eine übermäßige Arbeitsbelastung kann zudem dazu führen, dass Beschäftigte sich überfordert fühlen und sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Projekte beeinträchtigt werden.

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